Winter und kein Ende:Eisiger Klimaindex

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Die Wirtschaft des Landkreises leidet unter dem anhaltenden Winter, Gärtnereien bleiben auf ihren Pflanzen sitzen, Ärzte melden mehr Patienten - und Psychologen raten "eine akzeptierende Haltung" gegen eventuelle Depressionen.

Benjamin Emonts undGregor Schiegl

Der Hebertshausener Gärtner Georg Roth fühlt sich sichtlich wohl inmitten seiner liebevoll gezüchteten Veilchen. Nur leider möchte die Blumen derzeit keiner kaufen, Schuld daran sind die anhaltend kalten Temperaturen. (Foto: Toni Heigl)

Strahlend gelb blühen in den Gewächshäusern der Gärtnerei Roth in Hebertshausen die Osterglocken, die Stiefmütterchen leuchten farbenfroh und verbreiten einen süßlichen Duft von Frühling. So schön seine Krokusse, Narzissen und Veilchengewächse auch sind, kaufen will Georg Roths Pflanzen momentan niemand. Nicht nur ihm macht der ungewöhnlich lang anhaltende Winter zu schaffen. Auch andere Berufszweige im Landkreis leiden darunter, wie auch die Gesundheit vieler Bürger.

"Unser gesamtes Frühjahrsgeschäft ist weggebrochen", schimpft Roth über den schier unendlichen Winter. Wegen der niedrigen Temperaturen und den gefrorenen Böden kann er weder seine Garten- und Friedhofspflanzen, noch die sonst so beliebten Frühblüher verkaufen. "Wer will schon bei den Temperaturen im Garten arbeiten?", fragt Roth. Doch damit nicht genug, der Winter schlägt sich schon jetzt auch negativ auf das Geschäft mit den Sommerblumen aus. Um diese zu züchten, muss Roth in seinen Gewächshäusern ein künstliches Klima erzeugen. "30 bis 40 Prozent mehr Heizkosten" muss Roth berappeln, um die Temperatur in seinen Gewächshäusern auf konstanten 18 bis 20 Grad zu halten. Hinzu kommen die immensen Kosten für die Pflanzenlampen, die das für das Wachstum erforderliche Sonnenlicht ersetzen. Eine schwere Zeit für den Gärtner, zumal sich "bei den Menschen noch keine Frühlingsgefühle bemerkbar machen und dadurch weniger Blumen gekauft werden".

Für Anton Kreitmair, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands, hält sich der Schaden hingegen in Grenzen - noch. Denn allzu lang sollte der Wetterumschwung nicht mehr auf sich warten lassen. "Diese Woche müssten eigentlich die Sommergerste und die Zuckerrüben angesät werden, doch die Wetterprognosen sehen nicht gut aus." Er wolle nichts dramatisieren, doch wenn das kalte Wetter noch zwei, drei Wochen anhalte, müsste man mit Ernteeinbußen rechnen. Und es gibt ein weiteres Problem: "Wenn in zwei Wochen hoffentlich die Wintergerste angebaut werden kann, ist zeitgleich der Mais an der Reihe. Und die sich ansammelnde Gülle muss auch noch auf die Felder gebracht werden." Ziemlich viel auf einmal.

Aber auch die Freunde von Erdbeerkuchen und Himbeermarmelade müssen sich in diesem Jahr möglicherweise gedulden. Wie Landwirt Wolfgang Offenbeck sagt, befinden sich seine Erdbeerstauden derzeit noch in Vegetationsruhe, dementsprechend rechnet er heuer mit einer späteren Ernte, jedoch nicht mit geringeren Erträgen. Kein Grund zur Panik also.

Günter Dietz, Prokurist des Dachauer Bauunternehmens Otto Reischl, hat noch nie erlebt, dass der Winter sich so extrem lange hinzieht. Ständig müssten die Bauarbeiten unterbrochen werden. Sinken die Temperaturen unter minus fünf Grad ist es mit den Arbeiten am Ziegelwerk vorbei, Erdarbeiten sind kaum möglich. Bei Eis und Schnee steigt zudem die Gefahr von Unfällen massiv, an manchen Tagen waren Reischls Leute bis Mittag nur damit beschäftigt den Schnee wegzuräumen, damit sie endlich mit ihrer Arbeit weitermachen können. Und ganz so effektiv wie sonst waren die Mitarbeiter nach Dietz' Eindruck auch nicht. "Das ewige Grau in Grau geht den Leuten aufs Gemüt." Und es schlägt wohl auch eine Delle in die Erfolgsbilanz.

Das gilt umso mehr für den Einzelhandel. Die Boutiquen haben schon vor Wochen auf Frühlingsmode umgestellt - die im Landkreis derzeit keiner kauft. Nur Hans-Peter Ackermann vom Dachauer Modekontor Rauffer zeigt sich recht zufrieden: "Wir haben bewusst gegen den Saisontrend im Dezember noch einmal Winterwaren geordert." Die Strategie hat sich ausgezahlt, auch wenn der Rauffer-Damenladen leicht in die Verlustzone gerutscht sei.

Von Landwirt Franz Heitmeier, der den einzigen Skilift im Landkreis betreibt - den "Monte Kinader" bei Bergkirchen -, sollte man eigentlich meinen, er müsste in diesem Jahr das Geschäft seines Lebens gemacht haben. Aber unterm Strich liegt seine Bilanz auch nur leicht über dem Durchschnitt. "Wir hatten zwei gute Wochen im Januar, aber nach den Faschingsferien war die Luft raus." In der letzten Februarwoche habe es sich kaum mehr gelohnt, sich an die Kasse zu setzen, "da waren manchmal nur noch zehn Leute da". Die Amperkliniken verzeichneten auch keine erhöhten Zahlen an Wintersport- oder Glatteisunfällen. Business as usual.

In den Arztpraxen herrschte hingegen in den vergangenen Wochen Hochbetrieb. Hans-Ulrich Braun, der Vorsitzende des Ärztlichen Kreisverbands Dachau, berichtet von 30 Prozent mehr Patienten und auch entsprechend mehr Krankmeldungen als sonst um diese Jahreszeit üblich. Verantwortlich dafür sei die Grippewelle, die im Landkreis Mitte Februar den Höhepunkt erreichte, aber auch jetzt immer noch nicht ganz abgeebbt sei. "Ich denke schon, dass das mit der verlängerten Kälteperiode zusammenhängt", sagt Braun.

Viele Menschen leiden auch darunter, dass die Sonne sich nur sehr selten blicken lässt. Der Körper braucht Sonnenlicht, um das besonders für den Knochenstoffwechsel wichtige Vitamin D zu produzieren. 30 Prozent der jungen Leute, so schätzt Braun, litten deshalb nun unter Vitamin-D-Mangel, bei den Menschen in den Altenheimen schätzt er die Zahl sogar auf 80 bis 90 Prozent. Dagegen empfehle er Vitamin-D-Präparate, eine gesunde Ernährung und natürlich Bewegung an der frischen Luft.

Der lange Winter schlägt sich auch auf die Stimmung. Wenn die Sonne scheint, sind die Menschen einfach besser drauf. Beim Erdweger Psychotherapeuten Georg Spaett ist das Wartezimmer voll wie immer. Aber dass er nun spürbar mehr Depressionspatienten hätte, will er nicht behaupten. Bei seinen Patienten sei das triste Wetter aber schon ein großes Gesprächsthema. Spaett empfiehlt als Rezept eine "akzeptierende Haltung". Also am besten das Wetter nehmen, wie es ist und das Beste daraus machen. Was immer das dann auch ist.

© SZ vom 03.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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