Wider den Unwahrheiten:Mit Fakten gegen rechte Hetzer

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Bürgermeister Richard Reischl positioniert sich klar gegen Hetze im Internet. (Foto: Toni Heigl)

Als eine junge Frau in Hebertshausen nur knapp einem sexuellen Übergriff entgeht, beginnt die Gerüchteküche im Internet zu brodeln. Auf der Bürgerversammlung betonen Bürgermeister, Polizei und Helferkreis: Die im Ort lebenden Flüchtlinge haben mit der Attacke nichts zu tun.

Von Petra Schafflik, Hebertshausen

Fakten statt Gerüchte, nach dieser Devise legte Bürgermeister Richard Reischl (CSU) bei der diesjährigen Bürgerversammlung einen Schwerpunkt auf Informationen zur Integration der im Ort lebenden Flüchtlinge. Anlass war ein Ereignis im November, als eine junge Frau im Ort nur knapp einem sexuellen Übergriff entging. "Schnell wird so ein Vorfall dann unseren Asylsuchenden in die Schuhe geschoben", sagte Reischl den 55 Hebertshausenern im Saal, darunter auch einige der Geflüchteten, die im Dorf leben. Diese versuchten alle, "ihr Leben positiv zu gestalten", betonte Reischl. Aber in sozialen Medien werde so eine Tat sofort für rechte Hetze instrumentalisiert.

Der Rathauschef, der sich stets engagiert gegen die Ausgrenzung einsetzt, hatte Thomas Rauscher, Chef der Polizeiinspektion Dachau und Peter Barth, den Vorsitzenden des örtlichen Helferkreises, eingeladen, um einerseits die Sicherheitslage in Hebertshausen wie auch Erfolge der Integration konkret zu erläutern. Den Bürgern lagen aber noch andere, teils altbekannte Themen am Herzen: der schlechte Zustand der Freisinger Straße und Irritationen um die neu eingeführte Überwachung des ruhenden Verkehrs.

Diejenigen, welche die Unwahrheiten verbreiten, wohnen nicht einmal in Bayern

Seit Hebertshausen 2013 als erste ländliche Gemeinde im Kreis Asylbewerber aufgenommen hat, bemüht sich das gesamte Dorf um ein gutes Miteinander. Recht erfolgreich offenbar, denn bis auf mahnende Hinweise, die Geflüchteten sollten doch nachts das Licht am Fahrrad einschalten, waren in der öffentlichen Diskussion kaum jemals kritische Stimmen zu hören. Der Vorfall im November zog dann aber Gerüchte nach sich. Auf anonymen Internetseiten wurde gehetzt, gerade von Leuten, die nicht in Hebertshausen und nicht einmal in Bayern leben, wie der Bürgermeister sagt.

In der Fragerunde bei der Bürgerversammlung beschäftigt die Hebertshausener die Parkzone an der Schule. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Deshalb wollte Reischl die Bürgerversammlung jetzt für sachliche Informationen nutzen. So erfuhren die Zuhörer, dass rund 700 der 5880 Hebertshausener einen ausländischen Pass haben und aus 57 unterschiedlichen Ländern stammen. 65 von ihnen leben als Asylsuchender oder anerkannte Flüchtlinge im ehemaligen Altenheim Deutenhofen, wo sie vom engagierten Helferkreis um Peter Barth betreut werden. Dieser Einsatz zeige gute Erfolge, berichtete Barth. Allein fünf der Geflüchteten arbeiten nach erfolgreicher Ausbildung bereits als Gesellen, 13 absolvieren eine Lehre, zwölf arbeiten in einem Job, 15 absolvieren Integrationskurse oder die Berufsintegration der Berufsschule. Voraussetzung für diese Bilanz: "Überzeugen, motivieren, pushen, das funktioniert dank engagierter Bürger."

Mit der Attacke auf die junge Hebertshauserin im November haben die im Dorf lebenden Flüchtlinge definitiv nichts zu tun

Klar ist inzwischen auch: Mit der Attacke auf die junge Hebertshauserin im November haben die im Dorf lebenden Flüchtlinge definitiv nichts zu tun, das habe die polizeiliche Ermittlung eindeutig ergeben, auch wenn der Täter noch nicht gefasst werden konnte, sagte Polizeichef Rauscher. Bürgermeister Reischl war es wichtig zu betonten, "dass die Asylsuchenden zu unserer Gemeinde gehören". Sichtbar wird dieses selbstverständliche Miteinander, wenn sich stets auch einige Bewohner der Asylunterkunft unter den freiwilligen Helfern finden, sobald mit tatkräftiger Hilfe der Bürger ein Spielplatz erneuert und saniert wird.

In der Bürger-Fragerunde beschäftigten die Hebertshausener andere Themen. Uli Köstler fragte nach der kommunalen Verkehrsüberwachung, die neuerdings auch Parksünder aufspürt. Auslöser sei die gefährliche Verkehrssituation rund um Schule und Kindergarten gewesen, erläuterte der Rathauschef. Eine neue Parkraumzone soll dort das Chaos ordnen, müsse aber überwacht werden. Weil der Polizei die Kapazitäten fehlen, erledigt das die kommunale Verkehrsüberwachung. Rund um die Schule und am Bahnhof sind diese Kräfte im Einsatz, aber auch in Wohnstraßen gab es bereits Knöllchen. Die Bürger seien überrascht. "Sie parken wie immer, aber eben nach Straßenverkehrsordnung nicht zulässig." Doch mit der Kontrolle will es die Gemeinde nicht übertreiben, sagte der Rathauschef zu. "Wir suchen einen guten Mittelweg. Es geht um Sicherheit, aber wir möchten die Bürger nicht gängeln."

Peter Barth vom Helferkreis erklärt, wie Integration funktioniert. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Auch der schlechte Zustand der Freisinger Straße treibt die Bürger um. Manfred Wallner fragte nach dem neuesten Stand. Appelle an den für diese Staatsstraße zuständigen Freistaat waren bisher erfolglos, erklärte Reischl. Zuletzt habe er mit einem Mitarbeiter von der Gärtnerei Roth bis zum Ortsausgang Richtung Dachau "jeden einzelnen Schaden dokumentiert, einen 200-seitigen Bericht samt Fotodokumentation eingereicht". Hoffnungen sollten sich die Bürger dennoch nicht machen. Während die Gemeine jährlich 100 000 bis 200 000 Euro ausgibt für Straßensanierungen, möchte der Freistaat für die Freisinger Straße maximal 15 000 Euro locker machen. In ganz Bayern stünden nur 50 000 Euro zur Verfügung. Reischl vermutet im Fall Hebertshausen sogar Kalkül. Sobald nämlich die geplante Umfahrung in vielleicht zehn Jahren steht, wechsele die Freisinger Straße in die Obhut der Gemeinde. Der Freistaat, mutmaßt Reischl, "will uns eine kaputte Straße übergeben." Der Bürgermeister möchte nun Verkehrsminister Hans Reichart (CSU) zu einem Ortstermin einladen. Schließlich ärgern sich die Hebertshausener nicht nur über den schlechten Zustand dieser Straße. Auch eine Ampel durfte die Gemeinde nicht einmal auf eigene Kosten dort aufstellen, wo sie den Bürgern sinnvoll erscheint. Und die neue Tempo-30-Zone reicht nicht von Fußgängerampel zu Fußgängerampel, sondern endet davor, nämlich nach Vorschrift jeweils exakt 150 Meter von der Schule entfernt.

© SZ vom 23.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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