Weltmusik auf bairisch:Lockere Hüfte, schwerer Schädel

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Die sechs Musiker von "Pitu Pati" legen sich mit so viel Verve ins Zeug, dass es den Zuhörern schwer fällt, sich auf ihren Plätzen zu halten. (Foto: Toni Heigl)

Die Weltmusikband "Pitu Pati" verbindet bei den "Dialektwochen" südamerikanische Rhythmen mit witzigen bairischen Texten

Von Andreas Förster, Dachau

Mit dem frenetisch bejubelten Auftritt der Weltmusiker Pitu Pati aus dem Landkreis Freising fanden die "Dialektwochen" des Haimhauser Kulturkreises einen würdigen Abschluss. Wie schon bei der Folkrockband Schariwari und der Lesung des Sprüchesammlers Johann Rottmeir hatten auch Pitu Pati hatten keine Mühe, das Publikum mitzureißen. Das bedeutet nicht, dass die sechs Musiker sich keine Mühe gaben, im Gegenteil. Ihr neunzigminütiger Parforceritt (mit Pause) war ein physischer Kraftakt. Es überwogen heiße Rhythmen und heißblütige Lieder aus Italien, Spanien, Latein- und Südamerika oder Südeuropa, Samba, Tarantella, Tango, Czardas, gelegentlich eingestreute virtuose Soli an der Violine, am Bass, an den Percussions oder an der Gitarre. Publikum und Künstler heizten sich gegenseitig auf. Wäre Platz zum Tanzen gewesen, hätte es wohl kein Halten gegeben. Bloß gut, dass hier und da ein gefühlvolle Walzer, ein ruhigerer Landler, ein Fado oder mit "Schöne Gisela" auch ein Swing wieder etwas Luft zum Atmen verschafften.

Mancher mag sich nun fragen: Wo ist das typisch Bayerische, wo doch die Musik von Pitu Pati so international ist? Selbst der Name Pitu Pati ist brasilianisch und steht - frei übersetzt - für "a Stamperl Schnaps" (Pitú heißt der Zuckerrohrschnaps im Caipirinha). Nun, zum einen geben sie ihren zum Teil selbst geschriebenen Lieder bairisch gesungene Texte und schließen so den Kreis zwischen der weiten Welt und der geliebten Heimat. Zuständig für die Mundart bei Pitu Pati aber ist Traudi Siferlinger. Sie ist das Aushängeschild der Truppe. Als Moderatorin im Bayerischen Fernsehen bringt sie bereits eine einige Bekanntheit und Popularität mit. Darüber hinaus hat sie eine unbestreitbare Begabung, mit dem Publikum zu kommunizieren. Charmant, nie anbiedernd, witzig, spontan, ganz bei sich, den Augenblick genießend. Nicht zuletzt ist sie "a fesches Deandl", um im Dialekt zu bleiben, die Lippen leuchten so rot wie ihre Weste, beim Lachen zeigt sie die blitzend weißen Zähne - und sie lacht viel. "Ich geb nur das weiter, was ich von den Zuschauern bekomme", sagt sie in der Pause. Sie moderiert den Abend auf Bairisch, stellt die Lieder vor, würdigt ihre Bandkollegen, übt mit den Haimhausenern einen bayerischen Kanon ein: "Ah, mia duad da Schädel weh, da Schädel weh, da Schädel weh . . ." Denn das ist die einzige Zeile, die im Gedächtnis geblieben ist. Sie redet mit den Zuhörern, als wären es ihre Freunde. All das macht das Konzert zu einem beinahe familiären Gemeinschaftserlebnis. Eine Zuschauerin wird später sagen: Die Traudi, die ist ist jemand, mit der kannst Pferde stehlen und a Gaudi machen, und im nächsten Moment gibt sie sich wieder ganz ihrer Geige hin. Violine als Soloinstrument, das hat sie studiert, in ihrem Wohnort Fahrenzhausen gibt sie auch Unterricht. Die Freude an der Musik überträgt sich auf die fünf Männer: Willi Abele, der Lebemann, in dessen Bar Pitu Pati das Leben erblickte, am Akkordeon; Sylvester "Ringo" Denk, ebenfalls Gründungsmitglied, an der Mandoline und an der Geige, Stefan Telser vom Gärtnerplatz-Ensemble am Kontrabass und die beiden Quereinsteiger, Festival-Gründer Vipa Maat ("Uferlos") an der Gitarre und Percussionlehrer Roman Seehon aus Freising. Sie sind einmalige Musiker, aber, anders als Traudi Siferlinger, nicht prominent. Oder doch? Wer genau hinschaut, sieht bei Denk frappierende Ähnlichkeit mit Günter Grass, bei Seehon ist es Wim Wenders, bei Abele ist Otti Fischer aus der Kultserie "Irgendwie und Sowieso", bei Vipo Maat ist es Detlef "D" Soost und bei Stefan Telser ist es Konstantin Wecker. Doch das liegt nur im Auge des Betrachters, ganz anders als die Musik. Die war real und lebendig und wirkte bis in die Zehenspitzen, das spürten alle Besucher.

© SZ vom 19.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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