Weihnachtsoratorien in Sankt Peter:Meditation mit Trompetenstößen

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Gabriele Schneider führt die Sänger mit sicherer Hand durch das kammermusikalische Oratorium. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Der Kirchenchor Sankt Peter beschließt die Weihnachtszeit mit zwei sehr unterschiedlichen, berührend vorgetragenen Oratorien

Von Dorothea Friedrich, Dachau

"Süßlich" ist noch eine der freundlicheren Verbalinjurien, mit denen einige Möchtegern-Musikkenner Camille Saint-Saëns Weihnachtsoratorium beschreiben. Wer diesen wunderschönen klang- und farbenreichen Schatz der Musikliteratur am vergangenen Sonntag in Sankt Peter in Dachau gehört hatte, kam zu einem ganz anderen Schluss: Mit seinem "Oratorio de Noël" hat der Komponist ein Werk von schlichter und dennoch anspruchsvoller Schönheit geschaffen. Es be- und verzaubert durch seine kontemplativ-meditative Anmutung, aber auch durch die lateinischen Texte aus den Evangelien. Diese hat der seinerzeit 23-Jährige wohl selbst zusammengestellt, als er das Oratorio de Noël in nur zwölf Tagen, vom 4. bis 15. Dezember 1858, komponierte. Es wurde am 25. Dezember des gleichen Jahres in der Pariser Église de la Madeleine uraufgeführt, an der Saint-Saëns als Kirchenmusiker tätig war. Chor, Vokalsolisten und Orchester hatten nur wenige Probentage.

Kirchenmusikerin Gabriele Schneider hatte ihren Mitwirkenden dagegen mehr Zeit eingeräumt. Schließlich stand am Sonntag nicht nur Saint-Saëns Werk auf dem Programm, sondern auch Teil sechs des Weihnachtsoratoriums von Johann Sebastian Bach. Diese Kantate hat Bach für das "Fest der Erscheinung Christi" komponiert, also für den 6. Januar, den letzten Tag der Weihnachtszeit. Dieses kontrastreiche Programm war für den durch Projektsänger verstärkten Kirchenchor von Sankt Peter, das eigens zusammengestellte Kammerorchester in unterschiedlicher Besetzung sowie die Solisten Helena Schneider (Sopran), Carolina große Darrelmann (Mezzosopran), Jutta Neumann (Alt), Bernhard Schneider (Tenor), Christoph Hartkopf (Bass), Thomas Kudernatsch (Orgel) und Olivia Neuhauser (Harfe) eine echte Herausforderung, die alle Beteiligten bravourös meisterten. Gabriele Schneider führte mit ebenso sicherer Hand durch das kammermusikalische Oratorio de Noël wie durch die trompetenstrotzende Bach-Kantate.

Vor allem beim Oratorio beeindruckte der junge Orgelkünstler Kudernatsch durch sein sensibles Spiel. Helena Schneider sang von der Orgelempore aus ein tröstliches "Nolite timerere" - fürchtet euch nicht. Das hätte der Befindlichkeit der Hirten auf dem Felde im Weihnachtsevangelium wohl mehr entsprochen als einem unter der eigenen Majestät zusammenbrechenden Himmelsboten. Ganz hervorragend meisterte der Chor seine Aufgaben, nahm die Hürden dieses großartigen romantischen Werks mit fast tänzerischer Anmut. Die Solisten überzeugten jeder für sich und erst recht in den Passagen, Duo, Trio, Quatuor und Quintette mit ihrem Können und mit großer Empathie. Hieran hatte Harfenistin Olivia Neuhauser einen gehörigen Anteil. Ihr Spiel verwob die einzelnen Stimmen zu einem wundersamen Klangteppich in sanften, schmeichelnden Farben. "Heilige Pracht", wie es in der entsprechenden Textpassage heißt, war das einfühlsame Zusammenwirken von Tenor Schneider, Bass Hartkopf, Sopranistin Schneider und Harfenistin Neuhauser im Trio.

Szenen- und Musikerwechsel: Zurück in ein lebenspralles Zeitalter führte der zweite Teil dieses Weihnachtskonzerts. Die Streicher bekamen Verstärkung durch Holz- und Blechbläser sowie durch Michael Kolbinger an der Pauke. Diese Instrumente braucht Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium unbedingt. Es braucht ebenso unabdingbar einen stimmgewaltigen Chor und Solisten, die nach den sanften Tälern der französischen Romantik die anstrengenden Höhen barocker Herrlichkeit erklimmen. Keine Frage: Auch das gelang diesem harmonischen und bestens aufeinander eingestimmten Sänger- und Musikerensemble bestens. Da genügte "nur ein Wink von seinen - in diesem Fall ihren - Händen" und alle folgten willig den Anweisungen von Dirigentin Gabriele Schneider. Hartkopf war ein übler, hinterhältiger Herodes, Bernard Schneider ein kraftvoller Evangelist, Helena Schneider eine schon fast strenge Mahnerin. Und der Chor? Er ließ "die stolzen Feinde schnauben", dass es nur so eine Lust war und kostete jeden Moment aus. Das ging wohl auch dem Publikum so, denn der Schlussbeifall wollte kein Ende nehmen.

© SZ vom 09.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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