Webseminar für Schulen in Dachau:Gegen Cybermobbing

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Ludwig Gasteiger ist Geschäftsführer des Kreisjugendrings Dachau. Er wartet noch immer auf Förderzusagen für 2024 aus Berlin. (Foto: Niels P. Joergensen)

Online-Kommunikation unter Schülern erleichtert vieles, es birgt aber auch große Gefahren. Die Verschmähten leiden meist sehr. Ein Webseminar soll Lehrer, Eltern und Schüler Medienkompetenz lehren

Interview von Johanna Hintermeier, Dachau

Bleibt es in den Schulgängen derzeit zwar ungewohnt still, sind im Jahr 2020 natürlich die Schülerinnen und Schüler wie alle anderen Menschen auch gerade in Zeiten des Coronavirus im permanenten Austausch über ihre Smartphones. In Klassenchats auf WhatsApp oder auf Instagram wird schon seit Jahren über das Schulgelände hinaus von zu Hause und unterwegs kommuniziert. Einerseits sind diese digitalen Unterhaltungen gut für Nachfragen zu Hausaufgaben oder die Packliste für die Klassenfahrt, aber auch zur Nachbesprechung des Schulalltages. Doch es gibt auch eine Schattenseite: Laut einer Forsa Umfrage hat bereits jeder vierte 14- bis 20-Jährige in Bayern Erfahrungen mit Cybermobbing gemacht, wurde also online beleidigt oder bedroht.

Betroffene geben außerdem an, aus Klassenchats ausgeschlossen worden zu sein, häufig werden unfreiwillig Fotos und Videos über die Person verbreitet, manchmal ganze Fake Profile in sozialen Netzwerken erstellt. "Cybermobbing wurde lange unterschätzt", sagt Ludwig Gasteiger, der Geschäftsführer des Kreisjugendrings (KJR) Dachau. "Gerade in Zeiten der Corona Pandemie müssen wir uns mit Online-Kommunikation und Informationsverbreitung auseinandersetzen." Der KJR kooperiert deswegen mit dem Bildungsmanagement des Landkreises und den Digital Helden, einer gemeinnützigen Organisation aus Frankfurt und bietet Schulungen zur Sensibilisierung im Umgang mit digitaler Kommunikation an.

Am 26. März findet ein sogenanntes Webinar statt - ein Onlinekurs, in dem Lehrkräfte und Interessierte sich über Klassenchats informieren können. "Wir müssen an den Medienkompetenzen der Schüler, aber auch an Methoden der Lehrkräfte und Eltern arbeiten" sagt Gasteiger. Wenn Regeln für Klassenchats in der Schulklasse besprochen werden und von allen in einer Art Klassenvertrag unterzeichnet werden, dann kann Cybermobbing vorgebeugt werden, so die Annahme.

Die Klassen einigen sich auf Rahmenbedingungen im Chat: etwa sich nicht zu beleidigen, keine Kettennachrichten weiterzuleiten und keine Mitschüler aus dem Chat zu löschen. Sollten trotzdem Beleidigungen kursieren, sind die anderen angehalten, einen Screenshot zu machen und sich an Eltern und Lehrer zu wenden.

In Pilotprojekten wie an der Realschule Dachau und der Mittelschule Bergkirchen und Indersdorf werden Digitale-Helden-AGs gebildet, in denen sich die Schüler Cybermobbing strukturell und im Schultag vor Augen führen. Danach ziehen eben diese sensibilisierten Digital Helden in untere Klassenstufen und betreuen die Mitschüler im Umgang mit Klassenchats. Eigentlich sollte dieses Peer-Programm im neuen Halbjahr anlaufen, seit der Schließung der Schulen liegt es aber auf Eis.

Oft ist den Kindern und Jugendlichen nicht bewusst, dass Chaträume öffentliche Räume sind und das jedes Verhalten im Netz Auswirkungen in der realen Welt haben kann, sagt Gasteiger. Betroffene von Cybermobbing litten nicht nur unter schlechten Schulnoten, sondern unter Einschränkungen in der Persönlichkeitsentwicklung, sowohl auf Opfer- und Täterseite. Beleidigungen oder falsche Informationen zu einer Person lassen sich im Internet schnell und unkontrolliert verbreiten, geht aus der Studie zu Cybermobbing hervor.

Gasteiger sieht das Schulungsangebot mit den Digital Helden als wichtigen Beitrag zur politischen Bildung. Ein angemessener sozialer Umgang online sei ein fächerübergreifendes Lernziel in der Schule und für das Leben. Außerschulische Kooperationen wie mit den Digital Helden seien wichtig, so hole man sich Fachkompetenz ins Klassenzimmer. Gerade Lehrer, die nicht wie ihre Schüler mit einer permanenten Online-Kommunikation aufgewachsen seien, lernten so viel dazu.

Gasteiger sieht es aber auch als Auftrag aller Erziehenden, sich mit der Lebensrealität der Kinder und Jugendlichen in der Online-Welt auseinanderzusetzen. Dabei müsse sowohl das positive Potenzial von digitalem Lernen und Vernetzen, aber auch die negativen Aspekte angegangen werden, so der Geschäftsführer. Gasteiger fordert mehr Aufklärung. Wie jüngst Vorfälle am Ignaz-Taschner Gymnasien mit antisemitischen Symbolen in Klassenchats zeigten, liegt eine große Verantwortung bei den Erziehenden aber auch bei den Jugendlichen.

Interessierte Schulen können sich für das Peer-Programm Digitale Helden im Schuljahr 2020/21 über den KJR Dachau anmelden. Das Webseminar findet am 26.März von 19 - 19:45 Uhr statt. Anmeldung über die Website der Digital Helden.

© SZ vom 19.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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