Was vom Kino übrig blieb:Ein Star in Indersdorf

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Nur die Alten können sich noch daran erinnern: Die Marktgemeinde hatte mal Kinos. Sie lockten sogar die damals sehr bekannte Schauspielerin Heidi Brühl an - eine Retrospektive

Von Robert Stocker, Markt Indersdorf

Es war ein gesellschaftliches Ereignis für Indersdorf, ein Auftritt, von dem man noch Tage später sprach. Ein Star jener Zeit beehrte die Marktgemeinde und hielt auf der Bühne eines kleinen Saals Hof. Die junge Frau im Petticoatkleid mit Spaghettiträgern war Heidi Brühl, die durch die Immenhof-Filme Ende der 1950er Jahre populär wurde. Der Film- und Schlagerstar stand im Mittelpunkt einer Feier, die für die Marktgemeinde damals durchaus bedeutend war: die Eröffnung eines Kinos in der Freisinger Straße. "Das muss 1960 oder 1961 gewesen sein", erinnert sich der Indersdorfer Sigi Fiedler. Als Bub sah sich der heute 70-Jährige hier viele Filme an. Das Hacker-Kino, wie das Lichtspielhaus nach seinem Betreiber hieß, bot etwa hundert Besuchern Platz. "Die Kinder saßen immer in der ersten Reihe, damit sie die Leinwand gut sehen konnten", so Fiedler. "Und sie mussten meist keinen Eintritt zahlen."

Wer heute vor dem Haus in der Freisinger Straße 29 steht, kann kaum glauben, dass es vor 50 Jahren ein Kino beherbergt hat. Das einstöckige Gebäude ist nicht besonders groß. Vor vielen Jahren wurde es in sechs Eigentumswohnungen abgeteilt und umgebaut, sagt Friedrich Kollaritsch, der seit 23 Jahren in dem Haus wohnt. Der Eingang zum Kino lag an der Freisinger Straße. Fiedler glaubt, dass der Eingang in Form einer alten Holztür noch im Original erhalten ist. Über der Tür befindet sich ein halbkreisförmiges Dach aus Beton, das den Besuchern als Regenschutz diente. Daran war die Leuchtreklame des Kinos befestigt, berichten alteingesessene Indersdorfer. Auch Hansi Leber, der ein paar Häuser weiter ein Schmuck- und Uhrengeschäft in der Freisinger Straße führt, war als Kind im Hacker-Kino häufig zu Gast. "Das Kino war mit samtbezogenen Polsterstühlen ausgestattet", erinnert er sich. Zwölf oder 13 Stuhlreihen waren im Saal installiert, die Kinoleinwand befand sich über einer Bühne. Der Saal bot auch für Vorführungen jenseits von Filmen Platz. Leber erinnert sich an eine Gala-Vorstellung des Indersdorfer Gesangsvereins, die aus Anlass eines runden Jubiläums gegeben wurde. Auch die damalige Faschingsgesellschaft Indonesia trat in dem Kinosaal auf. Das nächst gelegene Kino war damals in Altomünster zu finden. "Das war aber nicht so schön wie in Indersdorf", findet Leber.

Das Entree der Freisinger Straße 29 lässt es noch erahnen: Über dem üppigen Betondach der Haustür war die Leuchtreklame des Kinos. (Foto: Toni Heigl)

Sein Vater machte für das Schmuck- und Uhrengeschäft auch im Kino Werbung. Er ließ Werbefilme produzieren, die vor Beginn der Kinostreifen auf der Leinwand liefen. "Dann durfte ich kostenlos in die Nachmittagsvorstellungen gehen", so Hansi Leber. Der Kinochef zeigte ihm einmal den Vorführraum. Zwei große Projektoren waren dort aufgestellt, die übereinander liefen. Wenn eine Spule beendet war, schaltete sich automatisch die andere ein. Die Vorstellungen des Hacker-Kinos waren meist gut besucht. Das Fernsehen war damals noch nicht weit verbreitet. Wer Unterhaltung suchte, ging zum Tanzen oder ins Kino. "Im dunklen Saal konnte man ja gut schmusen", so Leber.

Das Lichtspielhaus in der Freisinger Straße war nicht das einzige Kino, das es einmal in Indersdorf gab. Das mittlerweile abgerissene Gebäude neben dem ehemaligen Gasthaus Steidle, in dem sich zuletzt eine Schneiderei und ein Kindergarten befanden, beherbergte in den 1950er Jahren das Danzinger-Kino. "Es wurde gleich nach dem Krieg eröffnet", erzählt Sigi Fiedler. Seine Familie wohnte damals im Gasthaus-Gebäude. Dort war auch das Fotogeschäft untergebracht, das 1961 in die Dachauer Straße zog. Unter dem Kino befand sich die Schlachterei des Gasthofs. Weil das Lichtspielhaus für ihn gleich um die Ecke lag, ging Fiedler als kleiner Bub oft in das Kino.

Die Kinostühle aus dem ersten Indersdorfer Kino hat Severin Isemann aufbewahrt. Sie wurden nun dem Heimatverein übergeben. (Foto: privat)

Die Sitzreihen waren stufenförmig nach unten hin angeordnet. "Vor dem Beginn der Filmvorführungen konnten die Besucher manchmal kostenlos eine Suppe essen", erinnert sich Fiedler. "Damit warben die Hersteller für ihr Suppenpulver." Während Filme wie "Der Förster vom Silberwald" auf der Leinwand liefen, gingen Eisverkäufer durch die Sitzreihen und boten eine süße Erfrischung an. Bald nachdem das Hacker-Kino in der Freisinger Straße eröffnet hatte, machte das Danzinger-Kino neben dem Gasthaus Steidle dicht. Nicht aus wirtschaftlichen Gründen, wie Fiedler erzählt. "Da gab es wohl einen Anlass in der Familie."

Mit Spaghettiträgern und Petticoat: Heidi Brühl bei der Eröffnung des Kinos in Indersdorf im Jahr 1960 oder 1961. (Foto: Toni Heigl)

Damit ist die Indersdorfer Kinogeschichte aber nicht zu Ende erzählt. Denn das erste öffentliche Lichtspielhaus in der Gemeinde war in der Indersdorfer Klostergaststätte untergebracht. Es wurde nach dem Krieg während der Besatzungszeit der Amerikaner betrieben. Die Kinostühle existieren noch. Auf einem von ihnen ist noch ein "US" eingraviert. Vielleicht sind sie damals auch für andere Dinge verwendet worden, denn Überlebende von damals berichten, dass sie meist auf Bierfässern gesessen sind. Die Filme wurden im Konzertsaal des ersten Stocks vorgeführt (heute ist dort die Kapelle). Die Jugendlichen haben vor allem Western und Musikfilme gesehen, erinnert sich Witold Scibak, ein polnischer Überlebender des Zweiten Weltkriegs.

Der Indersdorfer Severin Isemann hat die Kinostühle aufbewahrt und jetzt dem Heimatverein übergeben. Sie finden nun im Augustiner Chorherren Museum ihren Platz. Dort sind die Zeugnisse der Geschichte gut aufgehoben.

© SZ vom 07.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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