Vorvorabend beim Siedlerfest:Experiment im Bierzelt

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Die Couplet-AG pflegt mit ihren frechen bairischen Couplets eine gute alte Wirtshaustradition, die auch ganz gut ins weißblaue Festzelt passt. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Deftiges Kabarett beim Karlsfelder Siedlerfest

Von Renate Zauscher, Karlsfeld

Eigentlich war sie schon vor Jahrzehnten einen stillen Tod gestorben: die gute alte Tradition der Wirthaus-Couplets. Jürgen Kirner aber und seiner Couplet-AG ist es gelungen, sie wieder zum Leben zu erwecken. Heute lebt diese Tradition wieder auf: Sie ist so lebendig wie zu Zeiten von Karl Valentin, Liesl Karlstadt oder dem Weiß Ferdl. Und mit den "Brettl-Spitzen", die bislang zweimal jährlich und künftig sogar viermal aus dem Münchner Hofbräuhaus gesendet werden, hat sie auch das Fernsehen erobert. Heute sind die "Brettl-Spitzen" eines der beliebtesten Formate mit hohen Einschaltquoten im Programm des BR-Fernsehens.

Am Donnerstagabend tauschte die Couplet-AG zusammen mit einigen Gästen die angestammte Bühne in München mit dem Paulaner-Zelt beim Karlsfelder Siedlerfest: Sie eröffnete die Festtage mit einer Volkssänger-Revue, die das Publikum immer wieder zu Begeisterungsstürmen hinriss. "Ihr seid gigantisch", lobte Jürgen Kirner die Begeisterungsfähigkeit der vielen hundert Zuhörer im Zelt.

Da ist zum einen die Couplet-AG selber: Man habe "gern Gehörtes, fast Vergessenes und auch Neues mitgebracht", erklärte Jürgen Kirner dem Publikum. Zum "gern Gehörten" gehören wunderbare Stücke wie das vom "Eigenurin", mit dem Bianca Bachmann, Bernhard Gruber an der Gitarre und Berni Filser mit der "Ziach" sowie Jürgen Kirner als Sänger und Moderator alternative Gesundheitstrends auf lustigste Weise aufs Korn nehmen. Köstlich auch das von Bachmann und Kirner in Szene gesetzte Duett eines wankenden, schwankenden, sich gegenseitig stützenden Säufer-Paars mit Bierflasche in der Hand. Immer wieder wird auch das Publikum mit einbezogen - dann etwa, wenn Bianca Bachmann nach Männern mit Bierbauch Ausschau hält, um sie an ihr Herz zu drücken: Die nämlich findet sie ganz besonders erotisch.

Auch bei Barbara Preis kamen die Männer, unter ihnen Bürgermeister Stefan Kolbe, nicht ungeschoren davon: Sie durften immer wieder mitspielen. Das große Vorbild der 29-Jährigen aus dem Landkreis Regen ist die legendäre Volkssängerin Bally Prell. Deren Lied von der "Schönheitskönigin von Schneizlreuth" interpretiert Preis mit neuem Text, gleichzeitig aber viel musikalischer und mit gestischer Nähe zum Original. Mutig ist die junge Frau mit der schönen, professionell ausgebildeten Stimme: Sie thematisiert die eigene Körperfülle, preist ihre "Wampn", warnt aber auch andere nicht eben Schlanke: "Geh lass dei Wäsch o." Vielleicht ist es der offensive Umgang mit der eigenen Körperlichkeit, vielleicht auch der Charme, mit dem sich Barbara Preis auf der Bühne präsentiert: Sie bekam immer wieder stürmischen Beifall vom Karlsfelder Publikum.

Ganz auf den Geschmack der meist älteren Bierzeltbesucher war auch das Repertoire der drei Niederbayern zugeschnitten, die in der Formation "Schleudergang" gemeinsam auftreten. Die drei gestandenen Mannsbilder in schönem Lederhosen-Look, Florian Weinmann (Diatonische), Raimund Pauli (Tuba) und Roland Stetter (Gitarre), beeindruckten mit eingängig-zünftiger Musik, zu deren Melodien man wunderbar mitsingen und mitklatschen konnte. Dass es textlich dabei zuweilen recht derb zuging, tat der Begeisterung keinen Abbruch. Ähnlich gestrickt sind die Texte von Robert Hefter. Er besingt, mit Gitarrenbegleitung, unter anderem die kleinen Pannen und Malheurs, die "jedem schon passiert sind".

Für die Veranstalter, die Siedlergemeinschaft Karlsfeld Nord, war die Einladung an die Couplet-AG und ihre Gäste Neuland: Es handle sich um einen "Versuch", hatte Festreferentin Christa Berger-Stögbauer bei der Begrüßung der Gäste zu Beginn des Abends erklärt. Der große Beifall und die ausgelassene Stimmung im Festzelt dürften sie darin bestärkt haben, den Versuch zu wiederholen. Wer übrigens beim nächsten Aufnahmetermin der "Brettl-Spitzen" im Hofbräuhaus dabei sein will, kann sich am 1. August von 8 Uhr an beim Bayerischen Fernsehen um eine Karte bemühen. 600 Karten werden vergeben.

© SZ vom 07.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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