Ethische Werte:Faire Wirtschaft

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Am Ende seines Vortrags wird Christian Felber noch einen Kopfstand machen. Man müsse nämlich das System vom Kopf auf die Füße stellen. (Foto: Toni Heigl)

Der Österreicher Christian Felber erklärt im Thoma-Haus, was unter Gemeinwohl-Ökonomie zu verstehen ist. Etwa, wenn Gemeinden Aufträge an einen Anbieter vergeben, der ethische Werte vertritt

Von Walter Gierlich, Dachau

"Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl." Der Satz stammt keineswegs aus einem kommunistischen Propagandawerk, sondern aus der bayerischen Verfassung, Artikel 151. Christian Felber zitierte ihn in seinem Vortrag am Dienstagabend vor mehr als 150 Besuchern, darunter Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD), im Stockmann-Saal des Ludwig-Thoma-Hauses und fügte auch noch Artikel 14, Absatz 2, des Grundgesetzes an: "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen." Der Österreicher Felber, Philologe, Soziologe und Politikwissenschaftler sowie in seinem Heimatland Mitbegründer von Attac, stellte auf Einladung des Bündnisses für Dachau und der Petra-Kelly-Stiftung das Konzept der von ihm 2010 angestoßenen Theorie der Gemeinwohl-Ökonomie vor, ehe Vertreter aus Unternehmen und Kommunen über die praktische Umsetzung berichteten.

Es gebe "eine weltweit wachsende Unzufriedenheit mit der bestehenden Wirtschaftsordnung", konstatierte Felber gleich zu Beginn. Zum Beweis für diese Aussage nannte er eine Studie der Bertelsmann-Stiftung, nach der in Deutschland 88, in Österreich gar 90 Prozent der Befragten sagten, dass eine neue Wirtschaftsordnung notwendig sei. "147 Konzerne beherrschen die Welt", sagte er, ohne die Behauptung näher zu belegen. Anders als aus Sicht der herkömmlichen Wirtschaftswissenschaft gibt es aber nach seiner Meinung durchaus Alternativen zum kapitalistischen System. "Zweck und Ziel wirtschaftlicher Aktivitäten ist das Gemeinwohl, nicht Geld, Profit, Gewinn", sagte er und griff zur Begründung auf den altgriechischen Philosophen Aristoteles zurück, für den Geld lediglich ein Mittel der Ökonomie, "gutes Leben" jedoch ihr Zweck sei.

Umweltschutz und soziale Fragen

Unternehmen sollen daher nach Felbers Theorie Ziele wie Nachhaltigkeit, ethisches Handeln und sozialen Umgang in ihre Planung mit aufnehmen und neben ihrer Finanzbilanz eine Gemeinwohlbilanz erstellen, die messbar und vergleichbar sein müsse. 2300 Unternehmen und Kommunen unterstützten bisher das Konzept, etwa 500 erstellten eine Gemeinwohl-Bilanz. Es sei jedoch ein Unding, dass heute ethische Produkte am teuersten seien, während die unethischen zu Dumping-Preisen verkauft würden. Dieses System müsse man von Kopf auf die Füße stellen, befand er und machte die Umkehrung durch einen Kopfstand sichtbar, der vom Publikum heftig beklatscht wurde. Es müsse für Firmen rechtliche Vorteile geben, wenn die Verfassungswerte eingehalten würden: niedrigere Steuern und Zölle, oder günstigere Kredite beispielsweise. Felber zeigte sich optimistisch, dass sich die Idee der Gemeinwohl-Ökonomie weiter verbreiten werde. Nicht zuletzt, weil auch der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) das Modell zur Umsetzung im Binnenmarkt weiterempfohlen habe.

Es gibt auch Gemeinden, die dem Konzept bereits folgen. Harald Dinter, Bürgermeister der Gemeinde Wessobrunn, und seine Gemeinderäte sind auf das Konzept gestoßen, weil sie echte Interessenvertreter der Bürger sein wollten. So berichtete er in der Podiumsdiskussion, moderiert von Bündnis-Vorstandsmitglied Margot Heinze-Ehrlich. Dinter nannte als Beispiel die Vergabepolitik: Es müsse nicht immer der günstigste Anbieter genommen werden. Besser sei jener, der ethische Werte vertrete.

Ein Unternehmen, das sich diesen Anspruch bereits auf die Fahnen heftet, ist die Münchner Firma Solarstern, ein bundesweit tätiger Ökostrom- und Gas-Versorger. Firmengründer Simon Stadler berichtete, das jeder Kunde zwar etwas mehr als üblich bezahle, aber damit jeweils gleichzeitig eine Familie im bettelarmen Kambodscha mit einem Solarkocher versorge.

Christine Miedl von der Sparda-Bank München, berichtete, dass ihr Unternehmen schon seit 2011 auf Felbers Konzept setze. Umweltschutz und soziale Fragen hätten schon lange eine große Rolle gespielt. Zudem habe man beschlossen, "Währungs- und Rohstoffspekulationen zu unterlassen". Dem Gemeinwohl verpflichtet sieht sich auch Andreas Schöfbeck, Chef der Krankenkasse BKK Pro Vita in Bergkirchen, der darauf setzt, die Gesellschaft durch ganzheitliches Denken und Verhaltensänderung jedes Einzelnen zu verändern. Heinze-Ehrlichs Fazit: "Wenn Jeder seinen Teil beiträgt, dann ist ganz, ganz viel geholfen."

© SZ vom 19.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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