Vor dem Schöffengericht:Rentnerin soll 400 000 Euro ergaunert haben

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Die 71-jährige Dachauerin wird beschuldigt, eine Bekannte und deren Tochter um ihr Vermögen geprellt zu haben. Die Angeklagte räumt ein, dass sie mit gefälschten Papieren bei einer Bank einen Kredit erschwindelt hat

Von Benjamin Emonts, Dachau

Die Angeklagte vor dem Dachauer Schöffengericht ist 71 Jahre alt, eine eher unscheinbare Rentnerin. Doch womöglich hat die Frau eine erhebliche kriminelle Energie. Die Staatsanwaltschaft München II wirft der Dachauerin vor, eine gleichaltrige Bekannte und deren 41-jährige Tochter um fast 400 000 Euro betrogen zu haben - unter dem Vorwand, das Geld gewinnbringend für sie anzulegen. Bei einer Dachauer Bank soll sie zudem einen Kredit in Höhe von 30 000 Euro erschlichen haben, indem sie ihre Bonität mit gefälschten Dokumenten vorgetäuscht haben soll. Im Falle einer Verurteilung droht der Rentnerin nun eine mehrjährige Haftstrafe.

Für Dachauer Verhältnisse ist der Fall durchaus spektakulär. Dass ein Betrug in dieser Höhe verhandelt wird, ist am Amtsgericht nicht alltäglich, zumal eine Rentnerin die Taten begangen haben soll. Der Zuschauerbereich im Sitzungssaal ist dementsprechend gut besucht, mitunter von Personen, die offenbar nicht gut zu sprechen auf die Angeklagte sind. Während einer Unterbrechung kommt es außerhalb des Sitzungssaals zu tumultartigen Szenen. Eine Frau, die sich als Nachbarin der Angeklagten ausgibt, fängt an, laut auf die Frau zu schimpfen und redet auf Zeugen ein. Der Verteidiger der Angeklagten, Joachim Schwarzenau, sieht darin den Versuch der Einflussnahme und informiert das Gericht. Ein Wachtmeister passt daraufhin auf, dass Zuschauer und Zeugen getrennt bleiben.

Die Geschädigten haben der Angeklagten ihr gesamtes Vermögen übergeben

Die Verlesung der Anklage dauert fast 20 Minuten, weil die Staatsanwältin mehr als 40 Tatvorwürfe vorträgt. Die Dachauerin soll sich zunächst das Vertrauen ihrer Bekannten erschlichen und ihnen dann unterbreitet haben, ihr Geld bei einer Versicherungskammer zu einem Zinssatz von 12,5 Prozent anlegen zu können. Mutter und Tochter sollen der Frau geglaubt haben. Zwischen September 2015 und Dezember 2016 haben sie der Dachauerin laut Anklageschrift 41 Mal Beträge zwischen 1000 und 25 000 Euro anvertraut, bis eine Gesamtsumme von fast 400 000 Euro zustande gekommen war. Die Geschädigten sollen der Frau nahezu ihr gesamtes Vermögen übergeben und sogar Bausparverträge und Altersvorsorgen dafür aufgelöst haben. Im Gegenzug hat die Angeklagte den Frauen gefälschte Policen vorgelegt.

Die 71-Jährige wirkt angesichts der schweren Vorwürfe gefasst und lässt eine Erklärung von ihrem Verteidiger verlesen. Sie räumt darin ein, einer Dachauer Bank gefälschte Dokumente wie Rentenbescheide und Mietverträge vorgelegt zu haben, um Kreditwürdigkeit vorzutäuschen. Beim ersten Mal hat das offenbar funktioniert und die Bank gewährte der Frau den Kredit. Beim zweiten Mal, als sie weitere 50 000 Euro haben wollte, soll der Schwindel aufgeflogen sein. Verteidiger Schwarzenau erklärt außerdem, dass seine Mandantin ihrer Bekannten und deren Tochter "sicherlich etwas vorgetäuscht" habe, um vorübergehend an Geld zu kommen. Insgesamt habe es sich jedoch um einen Betrag von 232 000 Euro gehandelt. Seine Mandantin - "sie ist noch nie jemandem etwas schuldig geblieben", beteuert der Anwalt - habe jederzeit vorgehabt, dass Geld "inklusive hoher Zinsen ordnungsgemäß zurückzubezahlen". Die Vermögen der Frauen wie auch der Bank seien nie in Gefahr gewesen.

Glaubt man dem Verteidiger, so handelt es sich bei der Angeklagten um eine "nicht unvermögende Frau". Das Haus, das die 71-Jährige in Dachau besitzt, soll etwa 900 000 Euro wert sein. Außerdem soll sie demnächst Eigentümerin eines 1700 Quadratmeter großen Baugrunds werden, der nach Schätzung von Amtsrichter Christian Calame einen siebenstelligen Betrag wert ist. Für das Gericht erscheint das alles aber sehr fragwürdig. Vorsitzender Calame hat die finanziellen Verhältnisse der Angeklagten vor der Verhandlung überprüft. Ihre Geschäfte verlaufen offenbar ziemlich undurchsichtig und dubios. So werden beispielsweise Mieteingänge von der Angeklagten an sich selbst überwiesen oder Namen von angeblichen Mietern gar nicht erst preisgegeben. Die Dachauerin nuschelt wirr vor sich hin und ist offensichtlich nicht imstande, ihre Vermögensverhältnisse plausibel zu erklären. Amtsrichter Calame reagiert genervt. "Ich habe ja schon viel gehört, aber normal klingt das alles nicht", sagt er und warnt die Angeklagte: "Ich werde grantig, wenn Sie mich in die Irre führen. Es steht viel auf dem Spiel für Sie. Am Ende des Tages geht es um die Frage, ob Sie ins Gefängnis kommen oder nicht."

Verteidiger Schwarzenau stellt schließlich einen Beweisantrag. Bis 9. Februar will er dem Gericht ein Gutachten vorlegen, in dem die Vermögensverhältnisse seiner Mandantin klar nachvollziehbar dargelegt werden. Geld gibt es bei der Angeklagten offenbar zu holen. Der Anwalt Jürgen Krüger, der Mutter und Tochter zivilrechtlich vertritt, erklärt nach der Verhandlung: "Es wurde bereits Wiedergutmachung geleistet, und es wird laufend etwas bezahlt." Der Prozess wird im Februar fortgesetzt. Das Gericht hört dann die beiden Frauen und die Sachbearbeiterin der Bank an.

© SZ vom 25.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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