Volksfestreferent Gasteiger:"Bier war das Getränk schlechthin"

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Volksfestreferent Robert Gasteiger kennt die Geschichte der Braukunst im Landkreis wie kein anderer. Er weiß, dass die Brauereien bis ins 19. Jahrhundert eine große Rolle im Leben der Menschen gespielt haben. Und warum heute nur so wenige Betriebe übrig geblieben sind

Interview von Anna-Sophia Lang, Dachau

Bier hat im Landkreis eine lange Tradition. Die Spuren der Dachauer Brauereitradition führen bis ins späte Mittelalter, lange bevor Herzog Wilhelm das bayerische Reinheitsgebot erließ. Es waren wohl die Klöster, die als erste gebraut haben. Der älteste Nachweis stammt aus dem Jahr 1375, er erwähnt die Klosterbrauerei Altomünster. Neben den Klöstern, die mit der Säkularisation um 1800 verkauft oder verpachtet wurden, brauten auch Adlige und Bürgerliche. Vier von ihnen gibt es noch heute: in Haimhausen, Odelzhausen und Altomünster. Einer der größten Kenner von Braukunst und Brauereien im Dachauer Land ist Robert Gasteiger. Er ist Mitherausgeber des gleichnamigen Buchs. Im Interview mit der SZ fasst er die jahrhundertelange Geschichte des Dachauer Biers zusammen.

SZ: Würde uns das Bier aus dem 16. und 17. Jahrhundert heute noch schmecken?

Robert Gasteiger: Das glaube ich kaum. Die meisten Brauereien haben Braunbier hergestellt, weil die Rechte für Weißbier bis ins späte 18. Jahrhundert beim Fürsten lagen. Helles gibt es erst seit etwa 100 Jahren. Das Braunbier wurde häufig in Fässern gelagert, die mit Pech abgedichtet waren. Das ging teilweise mit ab, da schwammen dann schwarze Stückchen drin herum, die sich irgendwann unten im Glas sammelten. Das hat dem Bier einen leicht verbrannten Geschmack verliehen. In der Schlossbergbrauerei in Dachau konnte man solches Bier noch bis in die 1980er Jahre bestellen, wenn man sich ein altes Holzfass füllen ließ.

Im Brauereimuseum des Kapplerbräu in Altomünster (Foto) findet man noch heute alte Holzfässer, in denen das Bier gelagert wurde. (Foto: Toni Heigl)

Nach welchen Standards hat man gebraut?

Das bayerische Reinheitsgebot hat es seit 1516 gegeben, wobei in vielen Fällen auch vor der offiziellen Festschreibung schon nach ähnlichen Regeln gebraut wurde - und Urbiere gibt es schließlich bereits seit mehr als 1000 Jahren. Egal, wo gebraut wurde, der Vorgang war immer derselbe. Kurz gesagt: Man ließ die Gerste keimen und trocknete sie, so entstand Malz. Das wurde geschrotet, mit Wasser und Hopfen vermischt und erhitzt. So entstand die Stammwürze. Die kam dann ins Kühlschiff. Das lag meist oben auf dem Speicher. Dort wurde die Mischung schon verunreinigt. Auf Deutsch gesagt haben da die Vögel reingeschissen. Im nächsten Schritt kam die Masse in den Gärtank, dann zum Lagern in den Eiskeller. Sie lagen tief im Boden, das Eis wurde im Winter aus der Amper oder extra angelegten Eisweihern geschnitten. Normalerweise hat es sich um die sechs Monate gehalten, aber wenn der Winter warm war, hatte man nicht genug, um über den Sommer zu kommen. Im Eiskeller wurde das Bier weiter verunreinigt, wenn es nicht kalt genug war. Dann wurde es sauer.

Das heißt, man hat nur einmal im Jahr gebraut.

Zunächst ja. Es gab eben nur im Herbst Gerste. Und der Ertrag war damals nicht sonderlich hoch. Das Bier musste über den ganzen Winter reichen. Ab dem 18. Jahrhundert braute man auch Märzenbier, das eine höhere Stammwürze hatte und deshalb haltbarer, aber auch teurer war.

Wer war für das Brauen zuständig?

In den Klöstern haben das ganz am Anfang die Mönche und Nonnen selbst getan, irgendwann wurde es an Braumeister und Knechte übertragen. In Schönbrunn gab es eine Schwester, die noch bis in die 1960er, 1970er Jahre selbst gebraut hat. In den bürgerlichen Brauereien und bei den Adligen waren von Anfang an Braumeister für das Bier verantwortlich.

Der Großteil des Biers wurde in Gaststätten ausgeschenkt, wo es bisweilen hoch her ging. (Foto: Niels P. Jørgensen)

War Braumeister damals ein erstrebenswerter Beruf?

Er hat sehr viel Handarbeit und harte Bedingungen bedeutet. Vor allem die Brauhelfer wurden schlecht bezahlt. Die Braumeister wurden oft rausgeworfen, vor allem, wenn das Bier schlecht war. In Indersdorf gab es mal einen, der das halbe Bier heimlich zu seinem Profit verkauft hat.

Die Nachfrage war wohl groß.

Bier war das Getränk schlechthin. Ein Grundnahrungsmittel. Damals war es nicht so stark, höchstens zwei oder drei Prozent. Es gab sonst nichts anderes. In den Klöstern wurde zwar auch Wein getrunken, aber als das Klima nach 1500 deutlich kälter wurde, konnte man kaum mehr Wein anbauen. Außerdem besteuerte der bayerische Herzog Wein bewusst immer höher. Da stieg der Bierkonsum massiv an.

Wer hat das ganze Bier getrunken?

Zunächst einmal wurde damals gar nicht so viel gebraut, dazu gab es weder die Rohstoffe noch die Anlagen und die Lagermöglichkeiten. Meistens gab es nur einen Sudkessel, da konnte man nicht viel auf einen Schlag ansetzen. Die Klöster haben für den Eigenbedarf gebraut und höchstens noch für ein paar Wirtschaften. Die Adligen haben Bier für ihre Schlösser hergestellt und Wirte in der Umgebung, die ihnen unterstellt waren, schenkten es aus. Die privaten Brauereien haben das natürlich komplett kommerziell gemacht. Für sie war es gut, wenn sie an einer viel befahrenen Route lagen. Sie verkauften ihr Bier teils an Gaststätten im Umland. Es gab auch kleine Landbrauereien, zum Beispiel in Sittenbach und Palsweis, um 1870, 1880. Die hatten meist eine gut gehende Wirtschaft mit Landwirtschaft. Zu der Zeit ging es den Leuten gut, da konnten sie es sich leisten, ein eigenes Bier zu brauen. Dann kam die Bauernkrise und es war für viele vorbei. Die meisten Landbrauereien haben sich um die 20 Jahre gehalten. Andere, zum Beispiel in Petershausen, Piflitz, Weichs und Vierkirchen, haben sich dagegen teils bis ins späte 20. Jahrhundert gehalten.

Welche Rolle haben die Brauereien für das Leben im Landkreis gespielt?

Eine riesige Rolle! Die Klöster waren Kulturzentren, dort traf man sich, außerdem gab es Arbeitsplätze. Bei den Bürgerlichen und Adligen war das noch stärker. Die Brauer waren häufig Bürgermeister oder Ratsherren und hatten riesige Grundstücke. Ziegler und Hörhammer besaßen um 1800 große Teile von Dachau. Sie waren Mäzene, Sponsoren, waren Paten von Hunderten Kindern. Sie waren sehr bestimmend und überall dabei. In den Wirtshäusern, die zu den Brauereien gehörten, hat man Feste gefeiert, Hochzeiten, Taufen, Beerdigungen. Das waren Treffpunkte, es gab ja sonst nichts. Sie waren außerdem Orte für die Ratstreffen und Handelspunkte. Reisende und Händler mit ihren Knechten kamen dort auf dem Weg nach München vorbei.

Also waren Wirtschaften Orte, an denen alle Gesellschaftsschichten zusammenkamen.

So demokratisch war das nicht, die Ungleichheit war groß. In der Wirtschaft gab es bestimmte Tische für bestimmte Leute, je nach Stand. Bei Festen wurden auch die einfachen Leute geduldet. Dass jeder nach Belieben in die Wirtshäuser gehen konnte, begann im Prinzip erst nach der Säkularisation um 1800 Schritt für Schritt.

Warum gibt es heute nur noch so wenige Brauereien?

Die Braukunst im Landkreis hat eine lange Tradition. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Grob gesagt: Die größten Krisen für das Brauerhandwerk waren die beiden Weltkriege. Viele Männer sind gestorben, die Frauen konnten nicht alles alleine weiter machen. Dazu kam die Inflation, und Getreide wurde als Nahrungsmittel gebraucht, nicht für Bier. Wer das überlebt hat, hatte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit großen Problemen bei Renovierung und Modernisierung zu kämpfen. Man musste viel investieren. Auflagen und Vorschriften wurden immer mehr. Man musste zum Beispiel bei der Kühlung und bei Filter-Anlagen nachrüsten, Geld und Zeit in die Vermarktung stecken. Für viele kleine Brauereien hätte sich das nicht gelohnt. Parallel ist der Konkurrenzdruck gestiegen, große Betriebe haben kleine aufgekauft, durch die Globalisierung wurde der Wettbewerb international. Hinzu kam, dass Kinder die Betriebe oft nicht mehr von ihren Eltern übernehmen wollten. Das vergangene Jahrhundert war der Tod vieler Brauereien, vor allem kleiner.

© SZ vom 15.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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