Volksbühne Dachau:Lust an der komödiantischen Übertreibung

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Gerald Krauss und Jürgen Strobl bei der Premiere des Lustspiels "Nicht ohne meinen Doktor" der Dachauer Volksbühne im Ludwig-Thoma-Haus. (Foto: Toni Heigl)

Die Premiere des Hypochonder-Stücks "Nicht ohne meinen Doktor" lenkt Zuschauer der Volksbühne Dachau temperamentvoll von der Weltlage ab

Von Renate Zauscher

Komödien in Zeiten von Bomben auf europäische Städte und angesichts stets neuer Inzidenz-Höchstzahlen im Pandemie-Geschehen? Die Volksbühne Dachau hat sich genau hierfür entschieden: Am Samstag hatte das Lustspiel "Nicht ohne meinen Doktor" im Thoma-Haus Premiere. Leichte Kost, temperamentvoll serviert - und damit bestens geeignet, abzulenken von den Bildern immer neuer Krisen- und Katastrophenmeldungen. Das Thema des eingebildeten Kranken, um den es in diesem Stück geht, ist natürlich bekannt: Schon Molière hat es zu seinem letzten, berühmten Werk inspiriert.

In Dachau wird das Thema mit dem Team der Volksbühne in die Jetztzeit geholt: Hypochonder gibt es schließlich heute so wie eh und je. Corona-Leugnern allerdings wollten die Verantwortlichen - das darf unterstellt werden - mit Sicherheit nicht in die Hände spielen: Schließlich hätte die Premiere des Stücks schon vor zwei Jahren, im Frühjahr 2020, stattfinden sollen und musste wegen des einsetzenden Lockdowns kurzfristig abgesagt werden. Zwei Jahre Wartezeit also, nachdem jetzt endlich wieder im vollen Saal gespielt werden darf.

Die schlüpfrigen Stellen wird nicht jeder lustig finden

Der Text des Lustspiels bewegt sich im Mittelfeld dessen, was Autoren dieses Genres, in diesem Fall Gerry Jansen, Volkstheatern für gewöhnlich anzubieten haben. Da ist die Auswahl, die die Theaterteams treffen müssen, nicht immer einfach: Schließlich muss das Stück auch auf das vorhandene Ensemble abgestimmt sein, damit die einzelnen Rollen adäquat besetzt werden können. Und der Text sollte auch Bezug zum täglichen Leben im 21. Jahrhundert haben: Das zumindest wünscht sich Daniela Renner, die seit einigen Jahren Regie führt an der Volksbühne Dachau. "Der Zuschauer", sagt sie, "soll sich selbst hinterfragen können" angesichts dessen, was auf der Bühne passiert.

Die innere Entwicklung des Stücks rund um den Hypochonder Hardy geht über das Erwartbare zunächst nicht hinaus, es gibt Längen im ersten Teil des Textes und nicht jeder wird auch die eingebauten leicht schlüpfrigen Stellen vor allem im zweiten Teil des Abends so richtig lustig finden. Dennoch nimmt die Sache nach der Pause Fahrt auf und die Spielerinnen und Spieler dürfen zeigen, was alles an Spielfreude in ihnen steckt. Jürgen Strobl mimt den Hypochonder mit überzeugendem Selbstmitleid und Victoria Neumeyer dessen Ehefrau Jeanette, die angesichts der eingebildeten Hinfälligkeit des Gatten schier verzweifelt und zuletzt zu drastischen Mitteln greift, um ihn zur Vernunft zu bringen. Bewundernswert, dass die eigentlich bairisch sprechende Schauspielerin den ihr vom Textbuch zugeschriebenen "französischen" Akzent bis zum Schluss glaubhaft durchhält. Gerald Krauss gibt Paul, den "besten Freund" des Hypochonders, mit vollem Körpereinsatz und sichtlicher Lust an der komödiantischen Übertreibung. Die zweite weibliche Rolle übernimmt Stefanie Frimmer, die vergleichsweise neu im Team der Volksbühne ist und hier vor allem in den Szenen einer sich anbahnenden Liebesgeschichte mit Paul glänzt. Weniger schauspielerische Möglichkeiten bietet die Rolle des Taxifahrers Toni (Matthias Ockerblohm), der als fünftes Rad am Wagen zuletzt enttäuscht in die Runde fragt: "Und wer liebt mich?"

Das Bedürfnis nach Unterhaltung mit nicht allzu viel Tiefgang ist groß

Was die Publikumszahlen und auch den Ablauf des Abends angeht, so ist man bei der Volksbühne Dachau noch nicht ganz zu Vor-Corona-Zeiten zurückgekehrt: So ist man trotz der theoretisch möglichen Vollbesetzung des Saals im Thoma-Haus noch nicht wieder bei den früheren Besucherzahlen angekommen. "Verschiedene Faktoren bremsen die Zuschauer bisher noch aus", sagt Daniela Renner. So werde man angesichts der Unsicherheit, "wie sich die Richtlinien in der Veranstaltungsbranche noch ändern", wohl auch frühestens im Herbst zur früheren Sitzordnung an Tischen mit Speis und Trank zurückkehren können. Nach wie vor gilt bei den Veranstaltungen auch die 2 G- Regel.

Trotz der Einschränkungen aber war der Abend aus Sicht der rund fünfzig Besucher ein voller Erfolg: Es gab zum Ende stürmischen Beifall für die Spielerinnen und Spieler. Deren rhetorisches Fragespiel samt Selbstauskunft ganz zum Ende - "Wia warn ma? Guat warn ma!" - wurde vom Publikum aus vollem Herzen zugestimmt. Das Bedürfnis nach Unterhaltung mit nicht allzu viel Tiefgang ist also offensichtlich groß: auch und gerade in Zeiten von Krieg und Pandemie.

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