Vierkirchen:Von wegen Politikverdrossenheit

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Vierkirchens Bürgermeister Harald Dirlenbach. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Den Vierkirchnern machen Bürgerversammlungen Spaß und sie fühlen sich offensichtlich wohl in ihrer Gemeinde

Von Benjamin Emonts, Vierkirchen

Als der heutige Altbürgermeister Heinz Eichinger (SPD) noch in Vierkirchen regierte, strömten die Dorfbewohner schon deshalb so zahlreich zu den Bürgerversammlungen, weil Eichinger phasenweise eine Art Comedy-Show bot, in der er Einwohner derbleckte und gefühlt 2000 Witze erzählte. Eichingers Nachfolger, sein SPD-Parteifreund Harald Dirlenbach, ebenfalls ein Ex-Polizist, moderiert die Versammlungen dagegen nüchterner - doch besucht sind sie mindestens genauso gut. Auf der jüngsten Bürgerversammlung im picke-packe-vollen Vierkirchner Sportheim saßen sage und schreibe 150 Personen. Es zeigte sich mal wieder, dass in der 4500-Einwohner-Gemeinde ein besonderes Gemeinschaftsgefühl herrscht. Von Politikverdrossenheit, wie sie andernorts beklagt wird, ist hier nichts zu spüren; kritische Töne sind kaum zu vernehmen. Die Vierkirchner fühlen sich offenbar rund um wohl in ihrer gut funktionierenden Kommune.

Nachdem im kleinen Ortsteil Giebing 60 Personen an der Bürgerversammlung teilnahmen, waren es im Pasenbacher Feuerwehrhaus 100 und nun besagte 150. Auffällig ist, dass nicht nur ältere Semester im Publikum saßen, sondern auch Jugendliche, Mittdreißiger und ganze Familien wie beispielsweise die Dirlenbachs. Altbürgermeister Eichinger allerdings war entschuldigt, weil er mit seinen Sechzigern live im Stadion mitfiebern wollte. "Er wird heute von seiner Frau vertreten", sagte Dirlenbach, um sofort einen Rüffel zu kassieren: "Ich bin für mich selbst da", sagte Frau Eichinger. Lautes Lachen.

Zum Ende der zweistündigen Bürgerversammlung applaudierten sie dann dem Bürgermeister, den die meisten kurz "Harry" nennen. Dirlenbach hatte die Vierkirchner gelobt für die große Beteiligung an den Versammlungen und ihr ehrenamtliches Engagement in der Gemeinde. "Das ist eine große Wertschätzung unserer politischen Arbeit im Gemeinderat", sagte Dirlenbach. Er habe ein "Spitzenteam" um sich, das sehr konstruktiv und gern zusammenarbeite. "Es macht hier richtig Spaß, Bürgermeister zu sein."

Die Kommune steht auf finanziell soliden Beinen, wie der Bürgermeister via Powerpoint darlegte. Während sich andere Gemeinden hoch verschulden, hat Vierkirchen 300 000 Euro Schulden getilgt. Der Breitbandausbau schreitet weiter voran. Von einer im Ort ansässigen Bank hat die Gemeinde jetzt auch noch ein Dienstauto gesponsert bekommen. Es ist zwar kein E-Auto, aber einem "geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul", sagte Dirlenbach. Schließlich verwies er mit Stolz auf den geplanten Neubau des Sparkassengebäudes, der die Gemeinde nur etwa 50 000 Euro kosten wird - "eine tolle Geschichte, eine Erfolgsstory", sagte Dirlenbach. Das in die Jahre gekommene Haus an der Indersdorfer Straße soll im März oder April kommenden Jahres abgerissen werden. Im Neubau werden zahlreiche Wohnungen entstehen, zehn bis zwölf davon für sozial Bedürftige. Ende 2018 oder Anfang 2019 wird das neue Gebäude mit Tiefgarage fertig sein. Fast abgeschlossen sind zudem die Planungen für den Neubau eines Kinderhorts an das Gebäude der jetzigen Grundschule. Fünf Gruppen sollen dort Platz haben, das sind mehr, als der momentane Bedarf erfordert. Vierkirchen blickt vorausschauend in die Zukunft, so lautet die Botschaft.

Die Diskussionsrunde fiel relativ kurz aus, wie es im harmonischen Vierkirchen nichts anders zu erwarten war. Eine Bürgerin bat um eine ständige Busverbindung von Vierkirchen nach Markt Indersdorf. Gerade ältere Menschen vermissten diesen Service, so sagte die Frau. "Ich würde mir das auch wünschen", entgegnete der Bürgermeister. Die Kommune allerdings könne das nicht alleine stemmen und man müsse abwarten, was das Gesamtverkehrskonzept hervorbringe, an dem im Landkreis gerade noch getüftelt wird. "Ich bleibe am Ball", gab der Bürgermeister zumindest ein bisschen Hoffnung.

Dem des Vierkirchners Martin Klemenz, in der viel befahrenen Freisinger Straße ein Tempolimit von 30 Stundenkilometern einzuführen, erteilte Dirlenbach eine Absage. Bürger beklagen, dass die Straße für Fußgänger und Radler gefährlich sei, weil zu schnell gefahren würde. "Da wird gejagt, dass sich die Balken biegen", sagte der Anwohner. Dirlenbach wies darauf hin, dass die Polizei dort in den vergangenen zwei Jahren lediglich einen Unfall registriert habe, von einem Unfallschwerpunkt könne keine Rede sein. Durch Blitzer und Geschwindigkeitskontrollen soll künftig aber verstärkt überprüft werden, ob das zulässige Tempo eingehalten wird.

Daniel Wagner aus Esterhofen wollte wissen, wann die Toilette, der Zaun und das Dach des BRK-Kindergartens renoviert werden. "Wir sind dran", gab Dirlenbach auch hier zu verstehen. Hildegard Mayrhofer aus Vierkirchen wünschte sich einen ebenen Weg zum Urnengrab am Friedhof. Gerade alte Menschen mit Rollstuhl oder Rollator hätten große Probleme, über die unebene Wiese zu den mittlerweile zehn Gräbern zu gelangen. Dirlenbach stellte in Aussicht, mit dem "Friedhofsmenschen", Gemeindemitarbeiter Florian Wiesent, zu sprechen. Die Vierkirchner lachten.

© SZ vom 05.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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