Vernissage in Altomünster:Die Idylle bleibt ungetrübt

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Auch die neue Stockmann-Ausstellung blendet die fragwürdige Rolle des Künstlers in der NS-Zeit aus

Von Dorothea Friedrich, Altomünster

Lag es an der stimmungsvollen Musik, die Robert Gasteiger auf seiner Zither spielte? Oder an der liebevollen adventlichen Dekoration? Jedenfalls herrschte am Sonntagnachmittag im Museumsforum Altomünster "Friede, Freude, Stockmann". Letztgenanntem haben die Museumsvereine Altomünster und Dachau sowie der Heimat- und Brauchtumsexperte Robert Gasteiger eine Ausstellung mit Gemälden, Zeichnungen und Grafiken des umtriebigen Künstlers gewidmet. Sie zeigt noch bis zum Samstag, 2. Februar 2019, aus Anlass von Stockmanns 150. Geburtstag im vergangenen Jahr und seines 80. Todestags in diesem Jahr einen kleinen Ausschnitt aus dessen umfangreichem Werk. Das sei bis heute nicht wirklich erforscht, sagte Peter Stadler, Vorsitzender des Museumsvereins Dachau, der SZ Dachau.

Lichtstimmungen in der Landschaft, dafür ist der Maler Hermann Stockmann bekannt. Hier: "Letzter Schnee bei Dachau" von 1901. (Foto: Toni Heigl)

Der Dachauer Museumsverein hütet einen Großteil des Stockmannschen Nachlasses. Gefühlt gebe es "tonnenweise Material", das der Sichtung und Bewertung harre, so Stadler. Was nicht sonderlich verwundert, wie Ursula Nauderer, Leiterin des Dachauer Bezirksmuseums, erklärte. Stockmann sei "weniger ein Maler als vielmehr Zeichner und Grafiker" gewesen. Alleine für die Wochenzeitschrift Fliegende Blätter habe er "Tausende Illustrationen" gemacht, sagte Nauderer. "Da hat er natürlich auch etliche öfter verwendet - so wie man heute Fotos verwendet". Auf die Frage, wer diese Herkules-Forschungsarbeit übernehmen könnte, sagten Stadler und Nauderer übereinstimmend, dass sie diese Aufgabe sehr wohl reizen würde, "aber die Zeit fehlt".

Der größte Teil seines Oeuvres besteht aus Illustrationen wie diese kolorierte Bleistiftzeichnung mit einer Ansicht von Altomünster. (Foto: Toni Heigl)

So bleibt wohl weiterhin Stockmanns Rolle in den NS-Zeit nicht wirklich geklärt. Sicher ist, dass er 1934 den Nazi-Propaganda-Festzug zur Stadterhebung Dachaus gestaltete. Zu seinem 70. Geburtstag am 28. April 1937 gratulierte ihm Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß, wie Andreas Kreutzkam in seiner Geschichte der Künstlervereinigung Dachau schreibt. Nicht zuletzt war Stockmann damit beauftragt, 1938 das Vermögen der jüdischen Familie Wallach zu begutachten und zu schätzen. Melitta und Max Wallach wurden 1944 im KZ Auschwitz ermordet. Bis zu ihrer Vertreibung aus Dachau am 8. November 1938 hatten sie eine Stoffdruckerei in der heutigen Hermann-Stockmann-Straße.

Auch daran hat Stockmann mitgewirkt: die Dachauer Stadterhebungsfeier von 1934 mit Festwagen und Fahnen. Der grüne Punkt verdeckt ein Hakenkreuz. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Dieses düstere Kapitel im Leben Stockmanns spielte jedoch bei der Ausstellungseröffnung weniger eine Rolle als vielmehr dessen vielfältigen Talente. Zwar wirkt seine Malerei heute eher romantisch und verklärend. Seine teils derben Zeichnungen würden aktuell mindestens einen Me-too-Shitstorm provozieren. Doch Stockmann habe "Zeitgeschichte dokumentiert", sagte Landrat Stefan Löwl in seiner Begrüßung. Mit seinem "heimatpflegerischen Werk", wie ein Aufsatz von Ursula Nauderer im umfangreichen Katalog betitelt ist, beeinflusst Stockmann darüber hinaus immer noch das aktuelle Geschehen im Dachauer Land. Ohne ihn gäbe es die Dachauer Tracht nicht (mehr) - auch wenn er selbst in der Ausstellung auf einem überdimensionalen Foto als lebenslustiger Bursch in Oberlandler Tracht zu sehen ist. Schließlich trugen d'Ampertaler bei ihrer Gründung 1912 noch oberbayerische Gebirgstrachten. Ohne ihn - sowie August Pfalz und Hans von Hayek - gäbe es keinen Museumsverein, keine Gemäldegalerie und kein Bezirksmuseum. Stockmann war ein manischer Sammler und kaufte alles, was irgendwie mit dem damaligen Begriff von Heimat und Volkskunst zu tun hatte.

Heute ist Stockmann außerhalb der Region eher ins Abseits geraten. Seine Werke teilen das Schicksal vieler seiner Zeitgenossen: Sie sind nicht mehr gefragt und für kleines Geld auf Auktionen zu haben. Dass das nicht schon vor Jahrzehnten geschehen ist, hat einen Grund. Der damalige Oberbürgermeister Lorenz Reitmeier habe ihn in seiner mehrbändigen Buchreihe "Ansichten und Zeugnisse aus zwölf Jahrhunderten" sehr gefördert, sagte Gasteiger in seiner Rede. Doch selbst der Stockmann-Kenner und -sammler Gasteiger wusste keine Antwort auf die Frage, warum der Künstler sein seinerzeit so schwelgerisch ausgestattetes Domizil "Spatzenschlössl" genannt hatte. Noch ein Forschungsauftrag also.

Hermann Stockmann - Maler und Zeichner des Dachauer Landes. Museum Altomünster, bis 2. Februar 2019. Geöffnet mittwochs bis samstags von 13 bis 16 Uhr, sonntags von 13 bis 17 Uhr.

© SZ vom 04.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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