Vernissage am Sonntag:Schwebende Steine

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Der Bildhauer Itai Nyama zeigt in der Galerie ConARTz in Niederroth Arbeiten von eleganter Form und großem Detailreichtum. Oftmals wirken sie so leicht wie aus Papier gefaltet. Seine Fertigkeiten vermittelt der Künstler aus Simbabwe auch in Workshops

Von Renate Zauscher, Markt Indersdorf

Dachau hat in Sachen Kunst und Kultur viel zu bieten. Das gilt nicht nur für die Stadt selbst, sondern in gewissem Umfang auch für das Dachauer Hinterland. So öffnet seit einer Reihe von Jahren in den Sommermonaten oder im frühen Herbst die Kunsthalle ConARTz in Niederroth ihre Tore: Die Galeristin und Sammlerin zeitgenössischer afrikanischer Kunst Kristin Diehl hat vor sechs Jahren Teile der Wirtschaftsgebäude eines großen Hofes an der Münchner Straße in einen Ausstellungsraum verwandelt und zeigt dort jeweils für einige Wochen Arbeiten von Steinbildhauern aus Simbabwe.

Zu ihren Ausstellungen lädt Kristin Diehl wechselnde Vertreter der simbabwischen Kunstszene ein. Heuer ist Itai Nyama Gast in Niederroth. Der 43-Jährige ist längst kein Unbekannter mehr, weder in seiner Heimat noch in Deutschland. 2010 gewann er den ersten Preis in einem von Kristin Diehl initiierten Wettbewerb in Harare, der Hauptstadt von Simbabwe, mit dem Diehl vor allem jungen Künstlern und Künstlerinnen ein Forum bietet. Bereits 2004 war Nyama im gleichen Wettbewerb mit einem zweiten Preis ausgezeichnet worden, nur ein Jahr später begann er, in Deutschland auszustellen. Nach einer ersten Schau in Bremen folgten zahlreiche andere Schauen in Städten wie Fulda, Bielefeld oder Wiesbaden. 2011 arbeitete er als offizieller Gast der Stadt München einige Monate in der Villa Waldberta und stellte seine Plastiken im Gasteig aus. Auch in Niederroth war Nyama regelmäßig mit seinen Werken vertreten.

Wie man Stein elegant abspeckt und ihm dabei die Anmutung einer ganz neuen Materialität gibt, ist an der Skulptur mit dem Titel "Getting Skeleton" beispielhaft zu sehen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Zu Beginn seiner künstlerischen Karriere hat Itai Nyama einige Jahre als Assistent eines der renommiertesten Steinbildhauer Simbabwes, Joseph Muzondo, in Harare gearbeitet. Auch nachdem er sich im Jahr 2000 selbständig gemacht hat, sei der künstlerische Einfluss von Muzondo, der heute eine Professur im südafrikanischen Johannesburg hat, in Nyamas Werken - häufig ausdrucksstarke Abbildungen menschlicher Köpfe - noch deutlich sichtbar gewesen, sagt Kristin Diehl. Mehr und mehr aber sei der junge Künstler dann eigene Wege gegangen. Er "öffnete" die Köpfe, um damit der Idee des inneren Gedankenflusses, des Zugewandtseins zur Welt, Ausdruck zu verleihen. Die dabei entstandenen Werke fasste Nyama unter der Bezeichnung "Open Mind" zusammen.

Aus diesem Konzept heraus entwickelte der Künstler stark abstrahierte, teilweise auch streng geometrisch gehaltene Arbeiten. Eines seiner schönsten Werke, das in Niederroth zu sehen ist, hat er "Ribbon Torso" benannt: Ein auf wesentliche Formen reduzierter menschlicher Torso, der übergeht in ein grandios in den Raum ausholendes, geschwungenes Band.

Hier zeigt sich bereits exemplarisch, um was es Itai Nyama in seinen neueren und neuesten Arbeiten geht: Er will dem Stein seine Schwere nehmen, will ihn zum "Fliegen" bringen und die Substanz der über Jahrmillionen gewachsenen Materie dabei so verändern, dass sie fast wie Papier formbar und faltbar wird. "I want to make the impossible possible", sagt Nyama, er wolle den Stein "schweben" lassen: "Defying the force of gravity..., make it fly, fold, twist". Auf diesem Weg entstehen Plastiken, in denen sich die Massivität des Steins auflöst und zu Strukturen wandelt, die an pflanzliches, organisches Material erinnern.

Itai Nyama entwickeltdie Formen im Dialog mitdem Stein. Das Ergebnis hier:ein Lindenblütenflügel. (Foto: Niels P. Joergensen)

Als "Origami" bezeichnet Nyama die dabei entstehenden Gebilde: Zeugnisse hoher Handwerkskunst, die trotz feinster, hauchdünner Ausarbeitung der Flächen immer ihre großzügige Eleganz behalten. Itai Nyama ist überzeugt, dass dem künstlerischen Schaffensprozess die Zwiesprache zwischen dem Bildhauer und dem Stein zugrunde liegt: Schon bei der Auswahl des Materials müsse der Stein - fast immer Serpentin, gelegentlich auch Lemon Opal - zu ihm "sprechen". Es gehe darum, den Linien im Stein nachzuspüren, sich jenseits eigener Konzepte und Ideen auf das einzulassen, was sie dem Künstler mitteilen wollen. Die Umsetzung dieses Gedanken ist in besonderer Weise in einer "The Knight" betitelten Arbeit nachvollziehbar, in der ein schmaler Riss im Stein zum Ausgangspunkt des gesamten Bildkonzepts wird.

Um seine Auffassung vom Wesen der Steinbearbeitung an andere weiterzugeben, bietet Itai Nyama auch dieses Jahr Workshops an. Interessierte können sich entweder telefonisch unter der Nummer 0163/256 82 46 oder per E-Mail unter kristin.diehl@t-online.de an Kristin Diehl wenden, um einen Termin zu vereinbaren.

Gezeigt werden die Arbeiten Itai Nyamas und einer Reihe weiterer simbabwischer Künstler nach der Vernissage am Sonntag, 30. Juni, um 11 Uhr, noch bis zum 21. Juli. Geöffnet ist die Ausstellung jeweils freitags von 16 bis 19 Uhr, samstags von 15 bis 19 Uhr und an Sonntagen von 11 bis 19 Uhr. Von der Haltestelle S2 in Niederroth ist die Kunsthalle an der Münchner Straße 17 zu Fuß in etwa fünf Minuten erreichbar.

© SZ vom 29.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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