Vernissage am Freitag:Sir Quickly und die RAF

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Andreas Baader und Gudrun Ensslin während der Urteilsverkündung im Kaufhausbrandprozess in Frankfurt am Main im Oktober 1968. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Florian Marschall zeigt in der KVD-Galerie ein Panoptikum kollektiver und persönlicher Erinnerungen

Von Gregor Schiegl, Dachau

Die Zeichnung mit der Breze am Ende der Wand gehört gar nicht zur Ausstellung, obwohl sie doch so gut in den stereotypen Erwartungsrahmen passen würde, den der Titel provoziert: Heimatbilder. Wer von Florian Marschalls Ausstellung so etwas wie bayerischen Trachtenreigen, Dachauer Kirchturmansichten oder röhrende Hirsche erwartet, wird enttäuscht. Heimatkitsch gibt es höchstens in Gestalt eines rustikalen Thermometers mit Gemse in Bronzeapplikation, ein Mitbringsel vom Flohmarkt, das über einem Seiteneingang hängt. Florian Marschall zeigt Szenen wie Schlaglichter eines kollektiven bundesdeutschen Gedächtnisses: das Oktoberfest-Attentat, die Vereidigung des ersten Grünen-Ministers Joschka Fischer in Turnschuhen, eine Szene der Kultserie "Irgendwie und sowieso" mit Ottfried Fischer als Sir Quickly auf dem Radl. Nur dem Dachauer Publikum erschließen sich unbetitelte Motive wie das vom letzte Krämerladen in Dachau Süd oder der Aschbichlerin, die durstige Gäste im Zieglerbräu mit Bier versorgt. Und dann gibt es noch eine dritte, ganz exklusive Sphäre der Heimatbilder: Marschalls Sohn in der Blumenwiese. Privates neben Lokalem und Politischem.

Wer die Arbeitsweise des Dachauer Künstlers nicht kennt, könnte seine Zeichnungen leicht mit Fotokopien verwechseln. In mühevoller Kleinarbeit überträgt der Künstler Fotovorlagen mit Tusche und Fineliner auf Papier. Details gehen verloren, es gibt kein Grau in Marschalls Bildern, Schwarz und Weiß prallen hart aufeinander, diese Reduktion überhöht den Ausdruck ins Ikonische. Die Titelseite mit der berühmten Jubelschlagzeile der Bild "Wir sind Papst!" gleicht in Miniatur und ohne Farbe einem billigen Heiligbildchen. Die meisten Bilder sind kaum größer als eine Postkarte, eingefasst in breite Passepartouts. Der maskierte Terrorist auf dem Balkon des Olympiadorfs schaut aus einem Ausschnitt von rechts oben in die linke untere Bildhälfte. Es ist ein ästhetisches Spiel, reflektiert zugleich aber auch den Charakter jeder Erinnerung: Sie ist eine fragmentarische Rekonstruktion, weiße Flecken und Unschärfen inbegriffen.

Die Ausstellung ist umfangreich, fast 100 Bilder hängen an den Wänden. "Heimat hat nichts mit typischen Heimatbildern zu tun", lautet Florian Marschalls Erkenntnis nach rund zwei Jahren Arbeit an dem Projekt. "Heimat ist nichts anderes als die Sehnsucht nach der Unbeschwertheit der eigenen Kindheit." So ist es nicht verwunderlich, dass auch Gustl Bayerhammer als Meister Eder mit seinem Pumuckl in der Ausstellung nicht fehlen darf. Es ist eine Ausstellung, die zum gemeinsamen Schauen und Schwelgen einlädt und zum Abgleich, wie viel Heimat man mit der von Florian Marschall gemeinsam hat.

An den Rand der Ankündigungsplakate hat er klein drucken lassen: "Diese Ausstellung ist sehenswert - echt gut!" Ein Gag und doch völlig zutreffend: "Mit dieser Ausstellung bin ich unheimlich zufrieden", sagt Florian Marschall. Das ist keineswegs immer so. Wenn alles passt, muss es wohl wirklich Heimat sein.

Heimatbilder: Vernissage am Freitag, 14. September, 19. 30 Uhr in der KVD-Galerie Dachau. Die Ausstellungen ist bis 7. Oktober zu sehen.

© SZ vom 13.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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