Verkehrskontrollen in Dachau und Karlsfeld:Hände weg vom Handy

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Stehen geblieben! Der Dachauer Polizist Christoph Herrmann hat am Freitag etliche Autofahrer gestoppt, die während der Fahrt telefoniert haben. (Foto: Toni Heigl)

Immer mehr Verkehrsunfälle ereignen sich, weil Autofahrer durch ihr Mobiltelefon oder laute Musik abgelenkt sind. Die Polizeiinspektion Dachau reagiert mit verstärkten Kontrollen. Am Freitag registrieren die Beamten in Dachau und Karlsfeld innerhalb von fünf Stunden 67 Verstöße

Von Benjamin Emonts, Dachau

Nach einer Studie des Versicherers Allianz aus dem Jahr 2016 ist etwa jeder zehnte Verkehrstote auf Ablenkung zurückzuführen, das entsprach einer Zahl von 320 Todesopfern im Straßenverkehr. Als besonderer Störfaktor am Steuer erweist sich erfahrungsgemäß das Smartphone, wie am Freitag bei einer Polizeikontrolle am Dachauer Familienbad sehr deutlich wird. Im Minutentakt zieht die Polizei dort Autofahrer aus dem Verkehr, die mit ihrem Handy gespielt oder telefoniert haben. Nach etwas mehr als einer Stunde sind der Polizei bereits zwölf Verkehrssünder in die Fänge gegangen.

Die Unachtsamkeit am Steuer und ihre Gefahren sind inzwischen ein viel beachtetes Thema in der Öffentlichkeit. Ein nachdenklich stimmender Kinospot, in dem ein Kind aus einem Autowrack geborgen wird, endet mit der Botschaft: "Finger vom Handy." Der Nationalspieler des FC Bayern Joshua Kimmich engagiert sich in einer Verkehrssicherheitskampagne des Bayerischen Innenministeriums mit dem Titel: "Keine Ablenkung im Straßenverkehr." Oder Rapper Kay One hebt öffentlich hervor, dass er zum Telefonieren oder Nachrichten verfassen immer in eine Parkbucht oder Raststätte fahre, seit ein Freund vor einem Jahr bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen sei.

In der Polizeiinspektion Dachau weiß man allerdings auch, wie viele Verkehrsteilnehmer immer noch auf die Gefahren pfeifen. "Schätzungsweise bis zu 30 Prozent der Unfälle werden durch Ablenkung mitverursacht. Wir haben steigende Zahlen", beklagt Presssprecherin Birgit Surauer. Allein im Jahr 2017 zählte die Dachauer Dienststelle demnach 600 Verstöße gegen das Handy-Verbot und 1000 gegen die Gurtpflicht. Kontrollen wie am Freitag, bei denen das Augenmerk auf die Achtsamkeit der Autofahrer gerichtet ist, führt die Polizei deshalb immer häufiger durch.

Die Dachauer Inspektion hat an diesem Vormittag mit Unterstützung eines Einsatzzuges vom Polizeipräsidium Oberbayern Nord 20 Beamte im Einsatz. Die beiden Kontrollstellen befinden sich im Bereich des Dachauer Hallenbads und an der Bajuwarenstraße in Karlsfeld. Sie bleiben jeweils von 8.30 bis 13.30 Uhr besetzt. Schon im Verlaufe des Vormittags wird klar, weshalb solche Kontrollen dringend erforderlich sind, um die Verkehrsteilnehmer zu sensibilisieren und notfalls zu erziehen. Reihenweise ziehen die Beamten die Autofahrer aus dem Verkehr. Am Ende der Aktion haben sie insgesamt 70 Fahrzeuge kontrolliert. Sie registrieren 31 Handyverstöße, 35 Gurtverstöße und verwarnen einen Autofahrer, der durch überlaute Musik abgelenkt war. Eine Frau, die sich offenbar nur am Ohr gekratzt hatte, durfte weiterfahren, nachdem sie beweisen konnte, das letzte Telefonat bereits am Vorabend geführt zu haben.

Die Vorgehensweise bei den Kontrollen ist eigentlich immer dieselbe. Ein sogenannter Vorwarner steht in einiger Entfernung möglichst unauffällig am Fahrbahnrand und beobachtet den Straßenverkehr. Bemerkt er Regelverstöße, informiert er über Funk seinen Kollegen, der am Kontrollstützpunkt wartet und die mutmaßlichen Verkehrssünder mit einer Kelle zum Einparken auffordert. Zwei Beamte checken Personalien, Fahrzeugpapiere und Führerschein, nachdem sie den Fahrzeugführer mit dem Tatvorwurf konfrontiert haben. Sind die Beamten überzeugt, dass ein Regelverstoß vorliegt, händigen sie dem Verkehrssünder einen Bußgeldbescheid aus. Erst dann darf die Fahrt fortgesetzt werden.

Die Ertappten kann ihr Fehlverhalten mitunter teuer zu stehen kommen. Erst im Herbst vergangenen Jahres wurde der Handy-Paragraf in der Straßenverkehrsordnung verschärft. Statt 60 Euro Bußgeld und einem Punkt in der Flensburger Verkehrssünderdatei werden nun 100 Euro samt Punkt fällig. Entsteht durch ein Handy am Steuer eine konkrete Gefährdung, erhöht sich die Strafe auf 150 Euro und zwei Punkte. Im schlimmsten Fall, wenn jemand zu Schaden kommt, drohen 200 Euro Strafe und ein Monat Fahrverbot. Außerdem bezieht sich die Verordnung jetzt nicht mehr nur auf Mobil- und Autotelefone, sondern alle elektronischen Geräte zur "Kommunikation, Information oder Organisation" - sprich auch Tablets, Laptops und sonstige Kleincomputer. Wohingegen elektronische Geräte, die in Halterungen fixiert sind, während der Fahrt benutzt werden dürfen - übrigens eine Ausnahme, die in Polizeikreisen auch kritisch gesehen wird.

"Wir wollen lieber jemanden verwarnen als einen schweren Unfall aufnehmen", sagt Pressesprecherin Surauer, die die Kontrollen am Freitag begleitet. Die Begeisterung der verwarnten Autofahrer hält sich freilich stark in Grenzen, wie ihre genervten Blicke verraten. Ein Mann in einem Lieferwagen trägt zwar ein Headset, muss aber einräumen, auf seinem Telefon eine Nachricht getippt zu haben. "Das kommt relativ häufig vor", sagt dazu ein Polizist, der das Vergehen schriftlich dokumentiert. Andere Verkehrssünder sind weniger einsichtig und halten die Kontrolle für "Abzocke", echauffiert sich eine Frau aus Schwabhausen. Sie sei beruflich im Außendienst tätig und habe noch keinen einzigen Punkt auf dem Konto in Flensburg; vor drei Jahren sei sie lediglich mal geblitzt worden.

Die Polizei wirft ihr nun allerdings vor, nicht nur mit dem Handy auf ihrem Schoß beschäftigt gewesen zu sein, sondern durch die Ablenkung auch noch einen Fußgänger übersehen zu haben, der den Zebrastreifen überqueren wollte. Es besteht somit der Verdacht auf eine konkrete Gefährdung. Das könnte für die Frau nun teuer werden - bis zu 180 Euro inklusive Auslagen und Gebühren. Verletzt wurde aber glücklicherweise niemand.

© SZ vom 27.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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