Verkehr:Und täglich grüßt der Stau

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Ideensammlung: Stefan Meier, Herbert Grebenc, Florian Haas, Stefan Löwl und Gilbert Peiker (von links). (Foto: Landratsamt Dachau)

Pendlerparkplatz, Umgehungstrasse, optimierte Ampeln: Bürger überlegen, wie sich die Verkehrssituation verbessern lässt

Von Petra Schafflik, Dachau

Nach fast drei Stunden Diskussion haben einige immer noch nicht genug vom "Bürgerdialog Mobilität". Schließlich schiebt Landrat Stefan Löwl (CSU) eine Stellwand mit gelben Meinungskarten nach vorne zum Podium. Ideen für Verbesserungen im motorisierten Individualverkehr notierten die Veranstaltungsteilnehmer im Sparkassensaal. Manches davon ist nicht neu. Wie etwa ein Pendlerparkplatz in Breitenau, der im Stadtrat schon vor Jahren diskutiert wurde. Doch mit der zunehmenden Verkehrsbelastung in der Region gewinnt die Idee an Schwung. Der Landkreis werde eine Machbarkeitsstudie in Auftrag geben, erklärte der Landrat.

Auch utopisch klingende Wünsche, wie der nach einer Seilbahn, waren willkommen. Eine Grundsatzdiskussion über den Sinn des Wachstums in der Region und konkret den Nutzen neuer Straßen, blockte Löwl dagegen ab. "Wir wollen hier nicht Politik machen." Tatsächlich könne das vom Landkreis initiierte Konzept zur Verkehrsentwicklung im Landkreis nur Symptome bekämpfen, nicht die Ursachen. Aber selbst das gelingt aus Sicht des Landrats nur, wenn alle Verkehrsmittel gleichermaßen gestärkt würden. "Nicht entweder- oder, sondern öffentlichen Nahverkehr, Radwege und Straßen ausbauen."

Wie die Verkehrsbelastung im Kreis die Menschen umtreibt, zeigte ein Blick ins Publikum: Gekommen waren Kommunalpolitiker aller Kreisgemeinden, darunter einige Rathauschefs, dazu Vertreter von Verkehrs- wie Umweltorganisationen aber auch interessierte Bürger. Alle erfuhren von Experten Kennzahlen und Fakten zur Verkehrssituation, wie sie auf den Straßen jeder täglich im Alltag erlebt. Das Verkehrskonzept für den Landkreis beschäftigt sich mit allen Verkehrsmitteln, doch an diesem Abend sollte es nur um den "motorisierten Individualverkehr" gehen.

Die positive Wirtschaftsentwicklung bringe eine Zunahme, erklärte Florian Haas, im Landratsamt für Kreisentwicklung zuständig. Ein Ende des Wachstums ist nicht in Sicht: Allein die Privatfahrten würden bis 2030 um bis zu 30 Prozent zunehmen. Entlastung schaffen soll das Verkehrsentwicklungskonzept des Landkreises. Investitionen in den Straßenbau sind aus Sicht der Wirtschaft nötig, sagte Herbert Grebenc vom Autohersteller BMW. "Der Stau wird zum Standortnachteil." Da die Just-in-Time-Produktion auf einen kontinuierlichen Warenzustrom angewiesen ist, bedeute "ein Megastau einen Produktionsausfall von drei Stunden." Grebenc plädierte dafür, Verkehrswege effektiver zu nutzen und monierte das Fehlen leistungsfähiger Tangenten, die in der Region Städte verbinden. Und zwar im ÖPNV wie auch im Straßennetz.

Über Straßenbauprojekte informierten Gilbert Peiker von der Autobahndirektion Südbayern und Stefan Meier vom staatlichen Straßenbauamt. Deutlich wurde, dass Geduld nötig sein wird. In den Ämtern fehlt Personal, wie Stefan Meier auf Nachfrage von Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) einräumte. Auch werde der Planungsprozess immer komplizierter, erklärte Peiker. Dies zeigt sich bei der geplanten Direktrampe an der Autobahnausfahrt Fürstenfeldbruck der A 8. Weil ein geschütztes FFH-Gebiet tangiert wird, gelte es eine Ausnahmegenehmigung der EU-Kommission zu erwirken. Ein langwieriges Verfahren, so Peiker. Auch über die nur punktuelle Wirksamkeit sind sich die Experten im Klaren. Jede Optimierung "verschiebt nur den Flaschenhals", so Meier. Geplant sind nicht nur neue Straßen, auch die Leistungsfähigkeit bestehender Trassen soll gesteigert werden. Es läuft eine Studie, bei der BMW mit den Behörden zusammenarbeitet, um die Effektivität der Bundesstraße 471 zu steigern.

Und was wünschen sich die Bürger? Sie notierten Stichwörter wie "Parkhaus am Ortsrand" oder "Park-und-Ride Platz bei Breitenau". Auch optimierte Ampelschaltungen in der Karlsfelder Münchner Straße und verkehrssichere Kreuzungen wurden gefordert. Es gab keine klare Haltung zu Umgehungsstraßen. Die einen fordern die als Machbarkeitsstudie untersuchte Westumgehung wie die geplante Ostumgehung "möglichst bald", die anderen wollen "dieses Geld lieber in den ÖPNV stecken." Nicht alle halten Straßenbau für eine gute Sache. "Straßen ziehen Verkehr an und versiegeln die Landschaft, vorhandene Strecken sollten besser genutzt werden", sagte Peter Heller vom Bund Naturschutz in Dachau. BMW könnte mit dem neuen Forschungszentrum in kleinere Zentren wie Ansbach gehen, regte ein Bürger an. Doch Mitarbeiter für die Entwicklung autonomer Fahrzeuge "kriegen sie dort nicht", sagte der Unternehmensvertreter. Ludwig Wilhelm vom Bund für Vogelschutz sieht die wirtschaftliche Konzentration in der Region kritisch. Die Versiegelung der Landschaft raube Tieren und Pflanzen den Lebensraum. "Oberbayern wird ein einziges Ruhrgebiet." Diese Sorgen teilt der Landrat nicht. "Eine maßvolle Entwicklung muss weiter möglich sein."

© SZ vom 17.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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