Vereinsleben:Eine Vaterfigur

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"Diesmal ziehe ich es durch", sagt Günther Freis und beendet mit fast 60 Jahren seine Trainerkarriere. (Foto: Stefan Salger, oh)

Günther Freis trainierte 38 Jahre lang Jugendfußballer der Karlsfelder Eintracht und des ASV Dachau. Nun hört er auf

Von Stefan Salger, Dachau

Er hat schon mit Karl-Heinz Rummenigge in einer Mannschaft gespielt - das war damals als Außenläufer in der B-Jugend des FC Bayern und in der oberbayerischen Auswahl. Viel öfter aber hat er Fußballern die Schuhe gebunden. Das waren dann keine Welt- oder Europameister, sondern eher Fünf- oder Sechsjährige, bei denen in irgend einem Turnier Ball und Schuh Seite an Seite ins Tor getrudelt waren. Und weil die Kicker der sogenannten Pampersliga zwar Tore bejubeln können wie die Großen, aber an der Schnürsenkel-Schleife ähnlich fulminant scheitern wie Uli Hoeneß beim EM-Finale 1976 im Elfmeterschießen, musste dann meistens "der Günther" ran. Wem hat Günther Freis nicht alles die Schuhe gebunden in den 38 Jahren als Jugendtrainer und als Schiedsrichter für den TSV Eintracht Karlsfeld und den ASV Dachau. Nun hängt der gebürtige Münchner, der bis zu seiner Pensionierung für die Telekom gearbeitet hat, seinen Trainerjob an den Nagel.

Kurz nach seinem 60. Geburtstag will Freis, der von der F-Jugend bis zur B-Jugend zahlreiche Teams führte, damit das wahr machen, was er immer mal wieder angekündigt hat. So recht kann seine Frau Franziska, die Pep Guardiola sicher als "super-super-super-geduldig und verständnisvoll" loben würde, es noch nicht glauben: "Das mit dem Aufhören hat er schon gesagt, als unser Sohn Manuel geboren wurde. Und danach alle zwei Jahre wieder. Dann hat's zwei Wochen gedauert und er hat sich wieder umentschieden." Manuel Freis ist mittlerweile 28 Jahre alt und bildete mit Günther Freis in den vergangenen Jahren ein eingespieltes Trainergespann. "Nein", sagt Günther Freis entschlossen, "diesmal ziehe ich es durch".

Mit 22 Jahren hatte Freis mit einer C-Jugend seine Trainerkarriere begonnen. Das war in Karlsfeld, also dem Ort, in dem er im Alter von acht Jahren selbst mit dem Kicken angefangen hatte. Letztens hat er mal nachgerechnet: Seitdem stand er gut 7000 Stunden beim Training oder bei Punktspielen und Turnieren auf oder am Rande eines Fußballplatzes. 24 Jahre lang trainierte Freis Jugendteams in Karlsfeld, 14 Jahre dann solche des ASV Dachau. Sein vielleicht größter Erfolg: Mit der Karlsfelder F-Jugend war er Mitte der Neunzigerjahre "ewiger Vorletzter", führte diese aber dann als B-Jugend bis in die Bayernliga. Freis trainierte den späteren Karlsfelder und Dachauer Spielertrainer Stefan Hofer ebenso wie den späteren Landesligaspieler Michael Stefan. 1998 wechselte er zum ASV Dachau, übernahm eine D-Jugend, die er als C-Jugend ungeschlagenen zur Kreismeisterschaft führte. Ähnlich lief es mit seiner "letzen" Mannschaft beim ASV. Als er sie als F-Jugend übernahm, kassierten sie gemeinsam eine 0:9-Klatsche gegen Gerberau. Als E-Jugend holte eben jenes Team dann aber Anfang Juli beim Merkur-Cup die Kreismeisterschaft und bezwang in einem fulminanten Finale sogar den Platzhirsch 1865 Dachau. Das war der krönende Abschluss für Günther Freis. Nun kann er sich die nächsten vier Jahre darauf beschränken, ab und an ein Jugend- oder Altherrenspiel zu pfeifen.

Kinder zu begeistern für den Fußball und sie auch einmal zu trösten - diese Fähigkeiten hat Freis all die Jahre unter Beweis gestellt. Er vermittelte, dass die gemeinsame Freude am Sport letztlich wichtiger ist als der Leistungsgedanke einer Elite. "Auch wenn die Eltern immer ehrgeiziger werden", wie der bekennende Nürnberg-Fan anmerkt. Während Trainerkollegen allzu ballverliebte Jungs ordentlich einnorden, drückte Freis in solchen Fällen meist ein Auge zu. Nach seiner Überzeugung ist es gerade in jungen Jahren wichtig, Dribbler und "Straßenfußballer" à la Franck Ribery zu fördern. Auf geradliniges Passspiel und Taktikvorgaben könne man etwas später größeres Augenmerk legen.

Vor allem die Kinder dankten Freis seine sehr menschliche Art. Bester Beleg war der Besuch mehrerer mittlerweile längst erwachsener Spieler seiner damaligen Bayernliga-B-Jugend bei der Trainer-Verabschiedung auf der ASV-Jugendsportanlage, bei der Freis auch seine Qualitäten als Grillmeister unter Beweis stellte. Wie erfolgreich auch seine abschließenden Trainerjahre waren, wird man wohl erst in ein paar Jahren beurteilen können. Günther Freis selbst dürfte diese Entwicklung nun ganz besonders gespannt und in aller Ruhe verfolgen. Falls die Ruhe aber zu groß wird, würde es einen nicht wundern, wenn seine Frau doch noch recht behalten würde.

© SZ vom 08.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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