Umstieg in Dachau:Gefährlicher Bahnsteig

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Dieser Bahnsteig ist Claudia Bauberger aus Schwabhausen unheimlich. Fast wäre sie im Gedränge auf dem schmalen Stück rechts in die Gleise gestürzt, während die S-Bahn nach Petershausen anfuhr. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Fahrgäste, die in Dachau von der S-Bahn Petershausen nach Altomünster umsteigen, steht nur ein schmaler Weg zur Verfügung. In dem Gedränge wäre eine Schwabhauserin fast in die Gleise gestürzt und von einem anfahrenden Zug überrollt worden

Von Julia Putzger, Dachau

Mit leisem Quietschen hält die S-Bahn nach Petershausen am Bahnsteig 2. Die Türen gleiten auf, die Fahrgäste strömen heraus und viele drängen eilig nach vorn. Ihr Ziel: Die S-Bahn nach Altomünster. Doch der Bahnsteig auf dem Weg dorthin ist eng und gefährlich. Denn wer im Gedränge stolpert, könnte auf die Gleise stürzen - und vor die bereits wieder anfahrende Petershausener S-Bahn. "Als ich abends nach Hause kam, hab ich meinem Mann erzählt, dass er froh sein kann, dass er mich lebend sieht", sagt Claudia Bauberger aus Schwabhausen. Sie sei keine Vielfahrerin und darum mit der Situation am Dachauer Bahnhof nicht vertraut. "Beim Umsteigen bin ich wohl über eine Unebenheit gestolpert und wäre beinahe in die Gleise gefallen, während die S-Bahn bereits volle Fahrt aufgenommen hatte", erzählt Bauberger der SZ. Der Schock hat noch nicht nachgelassen.

Tatsächlich können Reisende diese Situation tagtäglich am Bahnhof Dachau erleben. Denn zu Stoßzeiten fahren nicht nur die Züge aus München nach Altomünster, sondern auch Verstärker, die in Dachau starten. Sie sind auf die Ankunftszeit der S-Bahn Richtung Petershausen abgestimmt, sodass Reisende am Bahnhof Dachau einfach umsteigen können. Allerdings halten diese Verstärker nicht auf dem gegenüberliegenden Bahnsteig 1, sondern am nach vorne versetzten, schmaleren Bahnsteig 3.

Während die Menschen nach vorne hasten, fährt direkt neben ihnen die Petershausener S-Bahn los, der weiße Sicherheitsstreifen vor der Bahnsteigkante sollte also nicht übertreten werden. Somit darf der Bahnsteig nur noch auf einer Breite von knapp zwei Metern genutzt werden, viel zu schmal für die Traube an Menschen, zumal Laternenmasten ein zusätzliches Hindernis darstellen. Nun ist Claudia Bauberger keine Grantlerin, sie will nur nach ihrem Erlebnis auf die Gefahr für Bahngäste aufmerksam machen.

Der Deutschen Bahn, Betreiber der S-Bahn München, ist das Problem tatsächlich nicht bekannt, in der vergangenen Jahren sei es zu keinen Unfällen gekommen, erklärt eine Sprecherin der Bahn. Der Bahnsteig erfülle die erforderliche Mindestbreite von zweieinhalb Metern, weshalb derzeit auch keine weiteren Sicherheitsvorkehrungen geplant seien, informiert sie.

Claudia Bauberger jedoch schlägt eine einfache Lösung vor: Man könne eine Absperrung - etwa ein Gitter oder einen Zaun - an der Seite von Bahnsteig 3 anbringen, an der die Petershausener Züge vorbeifahren. "Diese Seite wird sowieso nie zum Ein- oder Aussteigen genutzt, da die S-Bahn ja weiter vorne hält", erklärt sie ihren Vorschlag. Allerdings könne sie sich vorstellen, dass die Deutsche Bahn keine Interesse an einer Verbesserung habe, solange es nicht zu einem Unfall gekommen sei.

Auch Mitglieder des Fahrgastverbandes Pro Bahn, wie etwa Josef Mittl aus Petershausen, konnten bisher keine Gefährdung von Fahrgästen am Bahnhof Dachau ausmachen. Mittl meint jedoch, dass er als Petershausener schon lange nicht mehr vor Ort war, und verweist auf Verbandsmitglieder in Unterschleißheim. Dort empfanden Reisende nach einem Umbau des Bahnhofs die Bahnsteige ebenfalls als zu schmal - statt vorher rund vier Metern sind sie Bahnsteige nun nur noch knapp zwei Meter breit.

Und dann geschah es: Mitte Mai kam es zu einem schweren Unfall, als zwei Männer, die wegen der noch andauernden Baustelle zu nah am Gleis standen, vom Sog eines durchfahrenden Zuges mitgerissen wurden. Bereits zuvor hatte die Stadt jedoch beschlossen, die Bahnsteige auf eigene Kosten zu verbreitern. Die Bahn pochte auf die eingehaltene Mindestbreite und wollte keine Veränderungen mehr vornehmen.

Ein weiteres Mitglied von Pro Bahn vermutet indes, dass beim jüngsten Umbau des Dachauer Bahnhofs im Jahr 2005 die Strecke nach Altomünster noch weniger attraktiv war: "Es waren wohl weniger Fahrgäste vorhanden." Es kam wohl zu keinem Gedränge - und der Platz reichte aus.

© SZ vom 14.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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