Umgestaltung des MD-Geländes:Jüdischer Unternehmer als Vorbild

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Die Isaria AG benennt ihre Projektgesellschaft zur Entwicklung des MD-Geländes nach Louis Weinmann. Das Münchner Wohnungsbauunternehmen will sich damit zur Geschichte Dachaus bekennen

Von Viktoria Großmann, Dachau

Die Isaria Wohnbau AG will sich besonders zu Dachau bekennen. In Vorbereitung ihrer Arbeiten auf dem MD-Gelände hat sie sich intensiv mit der Historie des Ortes beschäftigt. Eine eigens für die Entwicklung des ehemaligen Papierfabrikgeländes gegründete Projektgesellschaft der Isaria wurde nach Louis Weinmann benannt. Der jüdische Unternehmer trat 1864 als Vorstand in die erst 1862 gegründete MD-Papierfabrik ein und machte sie zu einem prosperierenden und zugleich sozialen Unternehmen, das er bis zu seinem Tod 1902 führte. Weinmann habe die Papierfabrik "in verantwortungsvoller Weise zu einem bedeutenden Industrieunternehmen entwickelt", erklärt der Vorstand der Isaria, Michael Haupt. "Er soll unser Vorbild für die kommenden Jahre sein." Die Isaria wolle "das historische Erbe besonders pflegen", heißt es in einer recht aufwendig recherchierten und gestalteten Broschüre, die nun erschienen ist. Weiter heißt es darin: "So sind die denkmalgeschützten Gebäude wichtiger Bestandteil des Bebauungskonzepts. ... Ein urbanes Areal wird entstehen, in dem die Geschichte der MD gegenwärtig bleibt."

Das ist zwar nichts anderes, als vom städteplanerischen Entwurf der Architekten Trojan und Trojan vorgesehen und vom Stadtrat gewünscht, aber doch immerhin nochmals ein nachdrückliches Bekenntnis. Dass ein Museumsforum in Trägerschaft von Bezirk, Landkreis und Stadt entstehen soll, nennt die Isaria "besonders erfreulich".

Im Spätsommer hatte das Münchner Wohnungsbauunternehmen bekannt gegeben, neuer Mehrheitseigner des etwa 17 Hektar großen Geländes zu sein. Weiterhin in geringem Umfang beteiligt ist der Dachauer Bauunternehmer Herbert R. Ullmann. Die Eigentümerfamilie Myllykoski aus Finnland hatte schließlich verkauft. Sie war 1996 in das Unternehmen eingestiegen, hatte die Papierfabrik im Oktober 2006 geschlossen und die Produktion am zweiten Standort Plattling konzentriert. Dass die Isaria AG im September in das Projekt einstieg, wurde im Stadtrat und von Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) überwiegend positiv aufgenommen. Skepsis zeigte nur das Bündnis. Erwartet wird von der Isaria, dass die Planungen nun zügiger und professioneller vonstatten gehen. Schließlich ist es das Geschäftsmodell der Isaria, brachliegende Industriegebiete zu restrukturieren. Dabei interessiert sich die AG offenbar sehr stark auch für die jeweilige Bedeutung der Orte. So habe der Konzern eine Buchveröffentlichung über das Diamalt-Gelände in Allach unterstützt, erklärt eine Pressesprecherin. Die Geschichte des MD-Geländes bringt die AG ihren Investoren und beteiligten Firmen nun durch die Broschüre nahe.

"Vater der Arbeiter" wurde Louis Weinmann genannt. Zu seinem 25-jährigen Arbeitsjubiläum 1889 erhielt er von seinen Arbeitern eine Marmorbürste, die in der Nische des Dampfmaschinenhauses - heute ein Museum - aufgestellt wurde. Die Nazis entfernten sie. Nach dem Krieg wurde sie wieder aufgestellt. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Nicht ausgespart werden darin auch die Jahre 1933 bis 1945. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar, entließ die MD bereits im April fünf jüdische Aufsichtsräte. Einer konnte emigrieren, zwei nahmen sich später mit ihren Ehefrauen das Leben. Das Schicksal weiterer zwei Männer ist unbekannt. Darunter das des ältesten Sohnes von Louis Weinmann, Rudolf. Seine Spur verliert sich 1936, kurz vor dem Tod seiner Mutter. Ein weiterer Sohn Weinmanns, Fritz, starb jung an einer Krankheit, der jüngste Sohn Kurt überlebte den Holocaust und lebte nach dem Krieg wieder in München, wo er 1974 starb.

Weinmann lebte in München übrigens in der Leopoldstraße 5 - gegenüber, in der Hausnummer 8, hat heute die Isaria ihren Sitz. Sie bezeichnet die Entwicklung des MD-Geländes als " das Leuchtturmprojekt" in ihrem nicht armen Portfolio. Es handle sich um "eines der größten innerstädtischen Entwicklungsgebiete Deutschlands". Etwa 1000 Wohnungen für 3000 Menschen sollen auf 90 000 Quadratmetern entstehen, dazu Arbeitsplätze für mehr als 1000 Menschen auf 60 000 Quadratmetern Fläche für gewerbliche Nutzung. Das MD-Gelände ist größer als die Dachauer Altstadt und soll "organisch" mit dem historischen Stadtkern verbunden werden. Der Mühlbach soll frei gelegt werden. Zentraler Platz wird das sogenannte Mühlenforum im Eck zwischen der Papier- und der Kalanderhalle. Einen Zeitplan, was wann auf dem Areal fertig ist, stellt niemand auf. Regelmäßig ist MD Thema im Bauausschuss des Stadtrats, wo es zuletzt regelmäßig hieß, alles gehe stetig gut voran. Aufgrund der hohen Zahl von Beteiligten, darunter der Bahn und Behörden wie dem Wasserwirtschaftsamt, ziehe sich der Planungsprozess allerdings hin.

Die Marmorbüste Weinmanns soll dann auf jeden Fall wieder ihren Platz finden.

© SZ vom 13.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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