Über Probleme reden:Die Streitschlichterinnen

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Schwören auf Jugendsozialarbeit: Rektorin Petra Fuchsbichler, Yvette Dumont, Daniela Schindlbeck und Arnold Schweitzer vom Verein Kinderschutz. (Foto: Toni Heigl)

Seit zehn Jahren gibt es an der Mittelschule Markt Indersdorf Jugendsozialarbeiterinnen. Sie vermitteln überall da, wo es Spannungen gibt, reden auch mit Eltern oder schalten notfalls das Jugendamt ein

Von Robert Stocker, Markt Indersdorf

Die Büros von Yvette Dumont und Daniela Schindlbeck liegen im zweiten Untergeschoss. Das bedeutet nicht, dass sie im Verborgenen arbeiten. Im Gegenteil: Die beiden Sozialpädagoginnen sind in der Mittelschule Markt Indersdorf sehr präsent, suchen den Kontakt mit Schülern und Lehrkräften und haben für die Sorgen der Kinder und Jugendlichen immer ein offenes Ohr. Sie führen Einzelgespräche mit ihren Schützlingen, reden mit Eltern und schalten das Jugendamt ein, wenn es nötig ist. Schlichten Streit und klären über Jugendkriminalität und Mobbing auf. Im Gruppenraum neben den beiden Büros bereiten die Sozialpädagoginnen mit den Kindern größere Projekte vor. Etwa eine erlebnispädagogische Fahrt oder ein Projekt zur Gewaltprävention. Yvette Dumont und Daniela Schindlbeck machen Jugendsozialarbeit, ein Angebot, das es an der Indersdorfer Mittelschule seit zehn Jahren gibt. Eine Erfolgsgeschichte, wie alle Beteiligten sagen.

Für die Einführung der Jugendsozialarbeit an der Mittelschule hat der ehemalige Rektor Martin Güll gekämpft. Er sitzt heute für die SPD im Landtag. Das Angebot startete am 21. Januar 2008. Träger ist der Verein Kinderschutz München, der das Konzept erarbeitet und mit dem Schulverband Markt Indersdorf eine Zusammenarbeit vereinbart hat. "Die Kooperation mit den beteiligten Stellen hätte in all den Jahren nicht besser laufen können", freut sich Arnold Schweitzer, Bereichsleiter für die Jugendsozialarbeit beim Verein Kinderschutz. Auch die Schulleiter nach Martin Güll hätten die Zusammenarbeit reibungslos fortgesetzt. Thomas Frey, heute Schulrat im staatlichen Schulamt Fürstenfeldbruck, setzte sich für eine Ausweitung der Stellen ein. Der Bedarf sei da, argumentierte Frey. Zusätzlich zur Vollzeitkraft Ivette Dumont, die ihre Arbeit am 21. Januar 2008 begann, erhielt Daniela Schindlbeck im Juni 2015 eine Halbtagesstelle. "Die Politik hat erkannt, dass die Jugendsozialarbeit erfolgreich ist", so Arnold Schweitzer.

Laut Schweitzer gibt es bayernweit 855 Stellen für die Jugendsozialarbeit, die sich auf 1154 Einsatzorte verteilen. An der Indersdorfer Mittelschule wurden im Lauf der vergangenen zehn Jahre 918 Schülerinnen und Schüler als Einzelfälle betreut, 57 Prozent waren Buben, 43 Prozent Mädchen. "Manche brauchen nur eine einmalige Beratung, andere begleiten wir über Jahre hinweg", sagt Sozialpädagogin Dumont. Die Betreuerinnen ziehen auch die Eltern hinzu, wenn sie merken, dass es familiäre Probleme gibt. In Krisenfällen schalten sie auch das Jugendamt ein. Die Jugendsozialarbeit an Schulen ist ein freiwilliges und niederschwelliges Angebot. Sie soll Defizite möglichst früh erkennen. "Die Probleme sollen sich nicht verfestigen", erklärt Yvette Dumont. Die Verbindung von Schule und Jugendhilfe sei ein spannendes Feld, sagt Daniela Schindlbeck. Bisher gab es in dieser Zusammenarbeit eine hohe Beständigkeit. Auf lange Sicht erwartet Dumont aber Veränderungen in der Jugendhilfe. In ihren Worten schwingt ein bisschen Sorge mit.

Jugendsozialarbeit sei in den vergangenen zehn Jahren "absolut selbstverständlich" geworden, sagt die heutige Rektorin Petra Fuchsbichler. Wenn eine neue Lehrkraft an die Schule komme, frage sie nicht, ob es hier Jugendsozialarbeit gebe, sondern wer dafür zuständig sei. Albert Schweitzer geht noch einen Schritt weiter: "Jede Schule braucht Jugendsozialarbeit, die Ansprechpartner sind Gold für die Schüler wert." Viele Probleme könnten schon im Kindergarten aufgefangen werden, ist Rektorin Fuchsbichler überzeugt. Je früher man sich damit befasse, desto besser sei die Wirkung. Jugendsozialarbeit ist für sie kein Stigma mehr. Fuchsbichler glaubt nicht, dass der Bedarf gerade in den vergangenen Jahren stark gestiegen ist. Vielmehr sei es eine Wellenbewegung. "Früher wurden die Probleme totgeschwiegen. Wenn es das Angebot gibt, wird es auch angenommen." Jugendsozialarbeit sei auch eine Folge der Entwicklungen in der Gesellschaft, so Arnold Schweitzer. "Wir müssen auf die Migration, Mobbing oder Digitalisierung reagieren."

Der Bereichsleiter beim Verein Kinderschutz hofft, dass der aufgebaute Standard in der Jugendsozialarbeit gehalten werden kann. Was die Stellen und die Ausstattung mit Räumen betrifft, sei die Indersdorfer Mittelschule geradezu gesegnet. Und Sozialpädagogin Yvette Dumont hat mit ihren Schützlingen auch gute Erfahrungen gemacht. "Manchmal kommen ehemalige Schüler in mein Büro und erzählen mir, was aus ihnen geworden ist. Dann sprechen wir auch über die alten Zeiten."

© SZ vom 06.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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