Mitanand-Open-Air:Begegnungen am Karlsfelder See

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Das Festival des Jugendrings zeigt: In einer Atmosphäre der Offenheit finden Deutsche und Flüchtlinge ohne Probleme zueinander

Von Thomas Altvater, Karlsfeld

Zwischen Wassermalfarben, Buntstiften und Fingerfarben liegt ein großes Plakat. Es ist bunt bemalt. Rote Herzen zwischen blauen und grünen Blumen, Peace-Zeichen, Sprüche auf Deutsch, Englisch und Arabisch. Und der Satz: "Zuhören heißt lieben". Im Zelt der Caritas Dachau auf dem Mitanand-Open-Air am Karlsfelder See hat jeder Besucher die Möglichkeit, das Plakat zu bemalen. Herausgekommen ist ein Kunstwerk, dass das eintägige Festival nicht besser hätte beschreiben können. Bunt, vielfältig, offen, friedlich. Überall wird gelacht, die Besucher fühlen sich wohl. Im Backstage-Bereich spielt der Headliner Jesper Munk mit Kindern Billard. Kleine Gesten, die zusammengenommen das Bild einer gelungenen Veranstaltung ergeben.

Am Samstag fand das erste Mitanand- Open-Air am Jugendhaus am Karlsfelder See statt. Trotz Regens und herbstlichen Temperaturen kamen ungefähr 700 Besucher. Die Organisatoren des Bayerischen Jugendrings (BJR) um Julia Jäckel hatten sich zum Ziel gesetzt, die Jugendarbeit mit jungen Flüchtlingen erlebbar zu machen. Das Konzept ist aufgegangen. Jugendgruppen aus ganz Bayern sind hier und informieren die Besucher über ihr vielseitiges Engagement. Zusammen mit bekannten Headlinern stellt der Jugendring eine gelungene Veranstaltung auf die Beine - der auch das schlechte Wetter nichts anhaben kann.

"Die Sprache ist für viele junge Flüchtlinge ein Hindernis, und das wollen wir mit Kunst überwinden", erklärt Osama Kezzo von der Dachauer Caritas. In Syrien war Kezzo Reporter für das Fernsehen. Er engagierte sich bereits dort ehrenamtlich. Heute spricht er einmal pro Woche arabische Nachrichten bei einem Münchner Radiosender und arbeitet hauptberuflich bei der Caritas. Mit dem Projekt Samba wollen sie Deutsche und Flüchtlinge zusammenbringen. "Ich bin sehr zufrieden, man spürt eine schöne Offenheit hier auf dem Open-Air", stellt Dylan Mehltretter fest, der auch bei der Caritas arbeitet.

Fröhliche Gäste: Das Open-Air des Jugendrings lockte 700 Besucher nach Karlsfeld. (Foto: Toni Heigl)

Das Gelände am Parkplatz vor dem Jugendhaus am See ist in drei Abschnitte geteilt, die große Hauptbühne in der Mitte, links das Zelt der Begegnung und rechts davon die Nebenbühne. An den Seiten reihen sich die Zelte der vielen Jugendorganisationen aneinander. Die Menschen basteln, tanzen, trommeln oder diskutieren. Das Refugee Rap Squad beginnt auf der Hauptbühne, kurz darauf folgt die Nürnberger Band Yohto. Einhundert Besucher tanzen vor der Bühne. "Kommt mal ein bisschen näher an die Bühne ran", ruft Gilles Yapi, Sänger der Band Yohto. Auf der Nebenbühne, keine zwanzig Meter entfernt, verschaffen sich junge Künstler Gehör. Wenn die Musik auf der großen Bühne vorbei ist, beginnen sie. "Wir kommen aus Syrien, und wir möchten euch unsere Kultur zeigen", sagen Hali und Dante vor ihrem halbstündigen Auftritt. Die Musikerin Leona singt selbstbewusst und wird mit Sprechchören gefeiert.

Besonders auffällig ist ein kleiner, alter Wohnanhänger, der rundherum mit bunten Graffitis besprüht ist. "Anruf nach Berlin" ist an der Außenseite aufgemalt. Innen stehen ein weißes Sofa, ein Mikrofon und eine Kamera. "Hier kann man eine Videobotschaft aufnehmen, die wir dann nach Berlin schicken", erklärt Tim Novak vom Kommunalen Jugendring Augsburg-Land. Seit Ende April sind die Jugendarbeiter mit dem Anhänger unterwegs und haben mehr als 100 Videobotschaften aufgenommen. So wollen sie den Jugendlichen eine Stimme geben, gerade vor der Wahl, wie Novak sagt. Vom Mitanand-Open-Air ist er begeistert. Ein besseres Wetter wäre aber auch ihm lieber gewesen. "Das ist ein richtig cooles Festival, ich war auch schon ein bisschen unterwegs. Es ist nur schade, dass so wenig Leute hier sind."

Das Publikum ist bunt. Kinder mit Gehörschutz spielen vor der Hauptbühne, junge Flüchtlinge helfen am Einlasszelt und Rentner tanzen zur Musik. Die 19-jährige Paula und die 18-jährige Mia aus Weilheim haben sich spontan zum Besuch entschlossen. Begonnen haben sie ihren Trip nach Karlsfeld mit einem Pappschild: "Wir wollten das Wochenende irgendwie nutzen und sind dann nach München getrampt", erzählt Paula. Dort haben sie vom Festival erfahren und sich gleich auf den Weg nach Karlsfeld gemacht. Der Ausflug hat sich für die beiden Mädchen gelohnt. "Mir gefällt es hier richtig gut", sagt Mia. Als Besucher kam auch Ahmed Ali. Dort traf er seine Freunde vom Jugendring und wurde sofort als Helfer eingespannt. "Leider ist das Wetter schlecht, aber insgesamt finde ich es sehr cool hier", sagt er. Nur die laute Musik stört ihn ein wenig. Zusammen mit Osama Albernawi sitzt er im Zelt der Jugendintegrationsbegleiter. "Wir wollen jungen Flüchtlingen eine Orientierung geben, wie sie sich entwickeln können", erklärt Albernawi. Die Begleiter dolmetschen, organisieren Arzttermine oder helfen bei Behördengängen.

Farbenfrohe Plakate wurden für das Event gestaltet. (Foto: Toni Heigl)

Gegen Abend beginnen die ersten Jugendgruppen ihre Zelte abzubauen. "Wir haben das Programm so gestaltet, dass es langsam vom Nachmittag auf den Abend übergeht. Wir wollen so die Leute vor die Bühne bekommen", erklärt Julia Jäckel. Als die Band "Rainer Von Vielen" auf der Hauptbühne spielt, strömen tatsächlich mehr und mehr Menschen auf das Gelände. Trotz 13 Grad Celsius und Regen tanzt sich das Publikum zu den Reggae- und Hip-Hop-Klängen der Allgäuer Band warm. Dann springt Rainer Von Vielen von der Bühne und singt mit dem Publikum.

Dass das Wetter nur Nebensache ist, zeigt auch der vorletzte Headliner Jesper Munk. Er steht im weißen T-Shirt auf der Bühne, sein Gitarrist spielt sogar barfuß. Julia Jäckel ist zufrieden. "Ich habe das Gefühl, dass sich die Leute amüsieren." Sie betont die Leidenschaft, mit der sich die Jugendgruppen beim Mitanand-Open-Air in Karlsfeld engagiert haben. "Trotz des Wetters haben sich viele echt ein Bein ausgerissen." Das konnten die Besucher auch spüren.

© SZ vom 11.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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