Trotz Kameras:Alles wird geklaut

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Ladendiebstahl ist eine Straftat - und kann folgenreich sein. (Symbolbild) (Foto: imago)

Dachauer Geschäftsleute haben 2016 durch Ladendiebstähle Waren im Wert von 2,5 Millionen Euro verloren. Ein Viertel der Eigentumsdelikte geht auf das Konto organisierter Banden.

Von Christiane Bracht, Dachau

"In den Geschäften wird alles geklaut, was nicht niet- und nagelfest ist", sagt der Sprecher des Handelsverbands Bayern, Bernd Ohlmann. Darüber klagen auch die Dachauer Ladenbesitzer. Doch die Täter zu überführen, ist schwierig trotz Kameras, elektronischer Sicherung und genauer Beobachtung der Kunden. "Manchmal kommt es einem so vor, als ob mehr geklaut als gekauft wird", sagt die Rewe-Leiterin der Filiale an der Königsberger Straße, Peggy Krause. Viele griffen notgedrungen zu diesem Mittel, aber es sind keineswegs, wie manchmal vermutet wird, nur Hartz IV-Empfänger und Rentner, die heimlich Waren durch die Kassen schmuggeln ohne zu bezahlen. Die Täter kommen aus allen Bevölkerungsschichten, sagt Björn Scheid von der Dachauer Polizei. Er und seine Kollegen sind fast täglich mit so einem Fall beschäftigt. "Meist sind es die, von denen man es nicht gedacht hätte", hat Karin Märkl, die Inhaberin des Spielwarengeschäfts Schmid, festgestellt. "Wir brauchen eine konsequentere Bestrafung von Ladendieben", fordert der Handelsverband Bayern.

Ob diese das Problem löst, ist die Frage. Im Landkreis Dachau sind im vergangenen Jahr laut Statistik 183 Ladendiebstähle angezeigt worden. 21,8 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Wer die Zahlen liest, denkt, alles habe sich zum Guten gewendet. Wozu also die Aufregung? Aber die Einzelhändler haben da eine andere Erfahrung: "Die Diebstähle sind nicht zurückgegangen", sagen sie unisono. "Wir erwischen nur so selten jemanden", klagt Beate Heigl, Filialleiterin vom Kaufhaus Rübsamen. Gerade mal einer von zehn Dieben wird ertappt. Und das deckt sich auch mit den Zahlen des Handelsverbands. Im Landkreis Dachau haben die Einzelhändler 2016 einen Umsatz von etwa 570 Millionen Euro gemacht. Dabei wurden Waren im Wert von 2,5 Millionen Euro gestohlen, so Ohlmann. In München sind es sogar Waren im Wert von etwa 50 Millionen Euro. "Ladendiebstahl ist kein Bagatelldelikt mehr", sagt er. Den erheblichen Schaden müssten die ehrlichen Kunden mitbezahlen, ebenso wie die vielen Millionen Euro, die die Ladenbesitzer für Prävention ausgeben.

Klar, die Mitarbeiter werden geschult, ein Auge auf die Kunden zu haben und auch darin, wie sie reagieren müssen, wenn sie einen Dieb auf frischer Tat ertappen. Aber die Täter sind erfindungsreich. "Es sind echte Profis dabei", weiß Heigl vom Kaufhaus Rübsamen. Manchmal kämen drei oder vier Leute rein, die von den Mitarbeitern genau beobachtet werden. Es passiert nichts, aber später kommt ein weiterer rein, der nicht so im Fokus der Beschäftigten steht und der nehme dann die ausgesuchten Waren mit. "Die Leute sind auch skrupelloser geworden", hat Heigl festgestellt. So finde sie oder einer ihrer Mitarbeiter oft die zurückgelassenen Sicherungen irgendwo im Laden wieder. Nicht selten fehle bei einem Dreierpack ein Teil oder der Gürtel eines Kleides. "In den vergangenen zwei oder drei Jahren ist es ganz schlimm geworden", sagt die Filialleiterin. "Mitgenommen wird, was gefällt."

"Wir können nichts mehr draußen stehen lassen"

Und auch die Parfümerie Weinzierl weiß ein Lied davon zu singen: "Wir können nichts mehr draußen stehen lassen", sagt Silvia Günther. Selbst wenn man den Testduft ankette, sei er am Abend in einem unbeobachteten Moment weggebrannt oder weggeschnitten worden. Dabei sind keineswegs nur teure Marken begehrt. Obwohl: "Vor drei Jahren hatten wir eine Chanelphase", sagt sie. Und auch Peggy Krause vom Rewe findet nicht selten eine leere Packung Haftcreme im Regal.

Doch trotz aller Präventionsmaßnahmen, fühlen sich die Ladenbesitzer hilflos. Karin Märkl hat schon mal ihr Spielwarengeschäft kurzfristig abgesperrt, als sie hörte, dass eine Bande von sechs oder sieben Personen anrücke. "Diese professionellen Täter gehen in straff organisierten Gruppen mit gezielter Aufgabenteilung und hoher Brutalität vor", erklärt Ohlmann vom Handelsverband. Immerhin 25 Prozent der Ladendiebstähle gingen auf das Konto der organisierten Kriminalität. Kein Wunder, dass sich Ladenbesitzer davor fürchten. Krause hat schon einmal erlebt, wie ein Täter ihr Büro im Rewe kurz und klein schlug. Und der Detektiv musste schon öfter heftige Blessuren einstecken. "Bei größerer Beute steht auch gleich mehr im Raum", erklärt Polizist Scheid das Verhalten. In den vergangenen zwei Jahren habe die Bandenkriminalität zugenommen.

© SZ vom 17.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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