Tradition:Erst abgesägt, dann abgesagt

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Maibäume werden im Landkreis Dachau in diesem Jahr nicht aufgestellt - auch nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Die geschlagenen Stämme werden nun weiterverarbeitet oder landen als Totholz im Wald

Von Mona Marko, Dachau

Er hätte als Symbol uralter bayerischer Tradition über Dachau thronen sollen - aufwendig bemalt, dekoriert und mit Schildern versehen. Menschen hätten um ihn tanzend seinen Geburtstag gefeiert - bei traditioneller Musik, mit vielen Fässern Bier, bis in die späte Nacht hinein. Er wäre einer der wenigen Bäume gewesen, dem die Ehre erteilt wird, einem Ort als Maibaum zu dienen. Doch stattdessen geht jener Baum, der vor etwa zwei Monaten von der Freiwilligen Feuerwehr ausgewählt und geschlagen wurde, zurück zum Waldeigentümer. Dort wird er weiterverarbeitet oder landet als Totholz im Wald, um Tieren als Unterschlupf und Nahrungsquelle zu dienen.

Auch sein Vorgänger nahm ein unschönes Ende, wenn auch kein so schnelles. Nachdem der alte Maibaum beim Maifest 2017 am Unteren Markt aufgestellt wurde, musste er am 28. September 2019 vorzeitig umgeschnitten werden. Ein Gutachter stellte bei einer Routine-Kontrolle Mängel bei der Standsicherheit fest und ordnete das frühe Ableben des Maibaumes an.

Seither ist Dachau maibaumlos und wird es auch ein weiteres Jahr lang bleiben. Der jahrhundertealte Brauch besagt nämlich, dass die Maibäume ausschließlich am 1. Mai aufgestellt werden dürfen.

Auch das Maibaum-Aufstellen in allen anderen Orten des Landkreises fällt dieses Jahr aufgrund der Coronakrise ins Wasser. So manch ein Ort außerhalb des Landkreises zieht die Tradition hingegen durch. In Deggendorf, Zwiesel oder Cham wird der Maibaum aufgestellt, jedoch ohne Feier und mithilfe eines Krans. Eine solche Lösung wäre für Dachau nicht infrage gekommen, sagt Wolfgang Reichelt, Pressesprecher der Freiwilligen Feuerwehr zur Süddeutschen Zeitung: "Wenn wir den Baum ohne die Bürger und ohne ein Fest aufstellen, dann kommen am Ende doch Schaulustige und wir müssten sie vertreiben. Das wäre nicht im Sinne des Erfinders."Auch den Baum später im Jahr aufzustellen, sei keine Option gewesen: "Der Maibaum muss am 1. Mai aufgestellt werden. So besagt es die Tradition."

Durch die Absage der Maibaum-Feste fällt auch das Maibaumstehlen ins Wasser. Normalerweise versuchen Burschenvereine in den Wochen vor dem 1. Mai die Bäume anderer Dörfer zu klauen. Sie fahren dafür wochenlang in der Gegend herum und suchen nach un- oder schlecht bewachten Bäumen. Sobald sie fündig werden, schlagen sie bei Nacht und Nebel zu. Gelingt der Diebstahl, verbreiten sich witzige Bekennerschreiben im Internet und die Opfer müssen ihren Baum mit Bier und Brotzeit freikaufen.

Als ungekrönte Meister der urbayerischen Disziplin gelten die Randelsrieder Burschen. Innerhalb der vergangenen 20 Jahre konnten sie ganze 38 Bäume stehlen. Im Jahr 2017 gelang ihnen sogar in Coup, der bayernweit für Aufsehen sorgte: Die Randelsrieder klauten den Maibaum von Antenne Bayern, den der Radiosender zuvor der Stadt Zwiesel gestohlen hatte. Zum Maifest stellte der Sender einen Shuttle-Service von Randelsried nach Niederbayern und 100 Liter Bier zur Verfügung.

Damit ihnen Diebstähle wie dieser gelingen, fahren die Randelsrieder täglich mit einem eigens für das Maibaumstehlen gekauften Fahrzeug kreuz und quer durch den Landkreis und suchen nach den Objekten der Begierde. Dabei kommen sie auf bis zu 5000 Kilometer. Dieses Jahr müssen die Burschen jedoch zu Hause bleiben. Maibäume zu stehlen gäbe es zwar genügend, doch Thomas Kienast, Vorsitzender der Randelsrieder Burschen, erklärt: "Wir sind bei diesen Aktionen meist mit bis zu 30 Menschen unterwegs. Das ganze wäre deshalb gar nicht möglich dieses Jahr." Die Randelsrieder werden den Brauch zwar vermissen, doch Kienast sagt: "Wir sehen das aber entspannt. Wir müssen halt nächstes Jahr wieder mehr fahren." Eine Kampfansage an die benachbarten Burschenvereine und Freiwilligen Feuerwehren. Vor den Randelsrieder Burschen ist 2021 kein Maibaum sicher.

© SZ vom 30.04.2020 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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