Theater:Ziemlich würzig

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Anspruchsvoll und doch kindgerecht, das Nürnberger Theater Salz+Pfeffer in Dachau. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Gruppe Salz+Pfeffer aus Nürnberg gibt einen Vorgeschmack auf die Theatertage im November

Von Angelika Aichner

Dachau - Yevgeniy Davydov steht breitbeinig auf der Bühne. In Schlaghosen und Jeansweste. Auf seiner Gitarre spielt er ein paar Akkorde von "Smells like teen spirit", ein paar von "Smoke on the water". Die Zuschauer, es sind an dem Tag mehr als einhundert, klatschen laut und wild in die Hände. Man könnte meinen, es handle sich um das Konzert einer Coverband. Weit gefehlt. Was da auf der Bühne abgeht, ist Theater. Für Schüler. Sie sind acht oder neun Jahre alt. Frank Striegler hat das Theater Salz+Pfeffer nach Dachau geholt und vor Kindern spielen lassen, um einen Vorgeschmack auf die Internationalen Theatertage im November zu bieten. Wenn es so weitergeht, dann erwarten die Dachauer zwei Wochen, in denen die Stücke nicht nur für Kinder, sondern genauso für Erwachsene taugen.

Das Stück "Gehört das so??!" erzählt von einem Mädchen, das bekümmert ist, weil sein Kanarienvogel Elvis starb. Mit dem Leichnam in einer Tasche läuft sie durch die Gegend und trifft auf einige skurrile Leute, die sie trösten und Elvis beerdigen. Während Davydov die Saiten seiner Gitarre zupft und Elizaveta Milyukova auf einem Klavier klimpert, schiebt eine Frau einen Karton auf die Bühne. Darin sei eine Geschichte, erklärt sie und holt aus dem Karton eine rotgekleidete Puppe, die Protagonistin der Geschichte, die über die Bühne marschiert und mault. Sie tut das, weil "Elvis tot ist".

Kaum hat sie den Satz gesagt, verwandelt sich der ganze Saal in ein Tanzlokal. Die Spotlights sausen durch den Raum, eine kleine Discokugel baumelt von der Decke, Elvis tanzt - als Marionette - auf der Bühne. "Nein", sagt das Mädchen, "nicht dieser Elvis. Mein Elvis." Dann ist es leise, weil über etwas gesprochen wird, über das selten und schon gar nicht in einem Theaterstück für Kinder gesprochen wird. Es geht um den Tod.

Elvis, der Vogel des Mädchens, wird auf der Bühne beerdigt. In das Grab, das eigentlich ein Karton ist, werfen die Darsteller Blumen und Erde, auf das Grab stellen sie eine brennende Kerze. Die Kinder sitzen mucksmäuschenstill auf ihren Stühlen, sehen sich an, was auf der Bühne passiert. Dort macht sich die Gruppe auf den Weg zum Leichenschmaus. Dabei erzählt ein geniales Schattenspiel vom Leben des Vogels, wie er in seinem Käfig hockt, wie er darin frisst und sein Geschäft erledigt - und wie Elvis schließlich aus dem Käfig davonfliegt.

Das Stück hätte leicht misslingen können, weil es nicht einfach ist, vor Kindern die Endlichkeit des Lebens zu thematisieren. Das Stück misslang aber nicht, weil das Ensemble wunderbar dargestellt hat, dass man nicht über den Tod reden kann, ohne auch über das Leben zu reden. Und so balanciert das Stück zwischen halszuschnürender Melancholie und berstender Lebensfreude. Natürlich kindgerecht verpackt, und doch niemals seicht, ganz und gar nicht anspruchslos; im Sinne der Nürnberger Bühne ziemlich würzig. Genau das wollte Frank Striegler erreichen: "Nicht nur Halligalli."

Die Dachauer Theatertage beginnen am Sonntag, 8. November, und gehen bis einschließlich Freitag, 20. November. (www.theatertage-dachau.de)

© SZ vom 24.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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