Theater:Sprachgrenze im Blumenbeet

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Franz Vieregg gibt den Weißwurts zuzelnden Gaudibruder Zapfinger Zimmerl, der sich in den Zugereisten Malte Juckenhövel verwandeln muss. (Foto: Niels P. Joergensen)

Das Theater am Stadtwald macht aus der Komödie "Da Leftutti" über einen Bruderstreit ein herrlich komisches Laienspiel, das auch durch sein Bühnenbild sehr überzeugt.

Von Julian Erbersdobler, Dachau

Die bayerisch-preußische Sprachbarriere ist ein lang gezogenes Beet mit bunten Blumen. Keine 30 Zentimeter hoch und doch schwer zu überwinden. Das sieht man zwar nicht, aber hören kann man es im Theater am Stadtwald immer wieder. "Wir brauchen an Depp oder an Preiß", heißt es einmal.

Diese spezielle Rolle soll ein urbayerischer Braumeister aus der Hollertau, von Franz Vieregg gespielt, übernehmen. Und wie. Wenn er sich auf der linken Seite der Bühne bewegt, ist er der Zapfinger Zimmerl, spielt er rechts des Beets, hört er auf den typisch "preißischen" Namen Malte Juckenhövel. Ein Mann in zwei Welten. Und in beiden ist er großartig. Als Weißwurstzuzelnder Gaudibruder, "wie er leibt, sauft und lebt", aber auch als zugereister "Ausländer" in neckischer Lack-Lederhose. Die sprachlichen Diskrepanzen machen ihm keine großen Probleme, aber der neue Name: Malte Juckenhövel, ein Albtraum, vielleicht vergisst er ihn deshalb alle zwei Minuten wieder. Wenn er in der bayerischen Zone unterwegs ist, findet man den Zapfinger Zimmerl meistens hängend über seiner Maß Bier. Auf der anderen Seite des Blumenbeets gönnt er sich auch mal einen "Schnappes". Aber warum muss er überhaupt als Preiß herhalten?

In der bayerischen Komödie "Da Leftutti" von Peter Landstorfer geht es um zwei Brüder, die sich um das Erbe der Eltern zanken. Lenz, der Ältere (Gustav Grüne), hätte eigentlich die Brauerei bekommen sollen, Öttl, sein jüngerer Bruder (Herbert Thurner) die Mühle. Es kommt anders. Weil Lenz schon immer der "Leftutti", also der Depp vom Dienst der Familie war, geht die Brauerei an Öttl. Dementsprechend ist auch die Bühne zweigeteilt. Lenz' Wirtshaus auf der einen, Öttls Mühle auf der anderen Seite, dazwischen: das angesprochene Beet. Wie viel Arbeit hinter dem Bühnenbild steckt, lässt sich nur erahnen. Im Hintergrund dreht sich ein hölzernes Mühlrad, vorn stapeln sich staubige Mehlsäcke.

Gabi Betz (l.) und Renate Mehlhase begeistern als bizarre Dappinger Schwestern das Publikum im ASV-Saal. (Foto: Niels P. Joergensen)

Im Wirtshaus könnte sich bald aber gar nichts mehr rühren. Die Wasserquelle ist versiegt, die Brauerei vor dem Aussterben. Eine Katastrophe. Für Öttl, aber auch für seine trinkfesten "Freunde", die dem gutmütigen Besitzer das Geld aus der Tasche ziehen. Jetzt braucht er ihre Hilfe. Und vor allem: eine neue Quelle. Die seines Bruders zum Beispiel. Der ist von der Idee aber wenig angetan und würde seine Quelle jedem anderen außer ihm verkaufen. Da müsse er schon den Verstand verlieren, sagt er überlegen. Er liebe seine Mühle über alles. Aus diesen Argumenten schustern Öttls zweifellhafte Freunde einen Drei-Punkte-Plan zusammen, um den grantigen Bruder doch noch umzustimmen. An dieser Stelle kommen die Dappinger Schwestern (Renate Mehlhase, Gabi Betz) ins Spiel, deren Tatendrang und Euphorie an eine gewisse Angela Merkel erinnern.

Sie treten nur gemeinsam auf, sprechen nur das Nötigste und wenn sie das tun, dann gleichzeitig. Öttl kennt sie seit Jahren, er kauft bei ihnen die Braugerste. Das Publikum ist schon nach wenige Sekunden von der bizarren Schwesternschaft begeistert, die auch als Sekte durchgehen würde. Noch grotesker wird es dann, als die beiden in der Mühle spuken sollen, um den Lenz zu vertreiben. Der Plan geht nach hinten los. Während sich die Zuschauer nicht mehr auf ihren Sitzen halten können, erkennt Lenz die Dappinger Schwestern auch im Dunkeln. Kein Wunder.

Die zweite Idee scheint besser zu funktionieren. Wie kann man dem Bruder am besten den Verstand rauben? Vielleicht mit einer 27-jährigen dunkelhaarigen Granate aus der Stadt: Anni (Christina Weidlich). Sie verdreht allen Männern den Kopf. Und weil aller guten Dinge drei sind, braucht es jetzt noch einen "Preißn", der die Quelle des Bruders abkauft. Schließlich will er sie nur dem Öttl nicht geben. Gesucht, gefunden: Der Zapfinger Zimmerl, ein alter Freund, nimmt ein Umstyling in Kauf und wird zu Malte Juckenhövel. Die denkbar beste Besetzung. Immer wieder macht er sich von der rechten Seite der Bühne auf zur linken, um Lenz' Quelle im Auftrag seines Bruders zu kaufen. Auf dem Weg dorthin verwandelt sich seine geliebte bayerische Muttersprache in kristallklares Hochdeutsch.

Ob er damit auch den muffigen Lenz überzeugen kann, soll an dieser Stelle nicht verraten werden. Lohnenswert ist ein Besuch des Stücks unter der Regie von Jutta Grüne-Fromm in jedem Fall: Nicht nur wegen der vielen komischen Momente, allein das Bühnenbild ist das Geld wert.

Weitere Vorstellungen im Theatersaal des ASV Dachau gibt es immer freitags und samstags am 6., 7., 13., 14., 20. und 21. März, Beginn jeweils um 20 Uhr. Karten zu zehn Euro gibt es unter Telefon 08131/ 5181-0 oder an der Abendkasse.

© SZ vom 05.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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