Thalhausen:Die Welt auf 100 Hektar

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Im Kranzberger Forst entsteht seit 1987 eine Sammlung sehenswerter Sträucher und Bäume aus allen Winkeln der Erde

Von Petra Schnirch, Thalhausen

Kurz vor Thalhausen geht es nach Amerika. Vorbei an den großen Seen, durch die Rocky Mountains nach Kanada und weiter nach Alaska. Zugegeben, Gelb-Kiefer-Wälder und Mammutbäume sind hier nicht so beeindruckend wie in ihrer Heimat, doch im Kranzberger Forst bekommen Spaziergänger Pflanzen zu sehen, die sie im Landkreis nicht vermuten würden, gäbe es dort nicht den Weltwald.

Auf einer Fläche von 100 Hektar entsteht bei Thalhausen seit 1987 eine Sammlung sehenswerter Sträucher und Bäume aus ganz unterschiedlichen Regionen, die in Bayern einmalig ist. Von den USA aus ist es nicht weit nach Asien, von Südwest-China gelangt der Besucher in wenigen Minuten nach Südwesteuropa. Mehr als 300 Arten sind im Landesarboretum bereits vertreten, etwa 600 sollen es einmal sein. Jahr für Jahr kommen zehn bis zwölf Exoten dazu, 2016 wird eine Flaumeiche aus dem Mittelmeerraum unter den Neupflanzungen sein. Bis der Weltwald weitgehend komplett ist, "werden noch Jahrzehnte vergehen", sagt Herbert Rudolf, Leiter des Landesarboretums im Forstbetrieb Freising.

Auch 2015 ist der Weltwald gewachsen. Neuer Anziehungspunkt vor allem für Familien ist, unweit der Kirche Sankt Clemens, der Amerika-Garten, ein Indianerdorf mit Tipis und Totempfahl, von dem aus die kleinen Besucher über einen Canyon zu einem Steg und Aussichtstürmen gelangen. Dieser Teil des Abenteuerspielplatzes ist den Pfahlbauten der Sumpf-Indianer aus dem Südosten der USA nachempfunden. Kinder, die das Dorf entdeckt haben, wollen so schnell nicht wieder weg. Weitere Gärten der Kontinente werden folgen, Europa ist 2016 an der Reihe, voraussichtlich ein Jahr später Asien. Allerdings werden das keine Spielplätze sein, sagt Rudolf.

Auf relativ kleinem Raum erfahren Spaziergänger im Weltwald viel Wissenswertes über vertraute oder weniger bekannte Baumarten. In den Info-Pavillons liegen Übersichtspläne griffbereit, unterwegs geben Tafeln Auskunft über die Besonderheiten der jeweiligen Region und der für sie typischen Bäume. Auch eine Weltwald-App hilft bei der Orientierung. Wer weiß schon, dass der Lebensbaum so heißt, weil Indianer an Skorbut erkrankte Seeleute - angeblich mit Erfolg - behandelten, indem sie ihnen einen vitaminreichen Tee aus der Rinde der Thuja zubereiteten, dass die giftigen Zweige früher aber auch als Abtreibungsmittel verwendet wurden? Die Heckenpflanze war in jedem Fall so beliebt, dass sie schon 1536 als vermutlich erste amerikanische Baumart nach Europa gelangte.

Einer Besucherin, die öfter, auch mit ihren Patenkindern, in den Weltwald kommt, gefällt, dass es dort immer etwas zu entdecken gibt, dass sich kleine verschlungene und breitere Wege abwechseln. Große Teile der Forststraßen und Pfade sind auch für Kinderwagen geeignet, gerade im Winter ist aber robustes Schuhwerk angeraten.

Naturgemäß hat der Weltwald im Sommer mehr zu bieten, die Nadelgehölze lohnen aber auch einen Rundgang in der kalten Jahreszeit. Etwa zwei bis drei Stunden sollte man einplanen, um einiges sehen zu können, empfiehlt Rudolf. Sein Favorit ist das Botanikum. Auf kleinem Raum, auf zwei Hektar, findet der Besucher allein in diesem Schaugarten etwa 200 verschiedene Arten, darunter die neuseeländische Alpen-Steineibe, die Purpur-Tanne oder die etwas zerzauste kanadische Hemlocktanne, die als Christbaum wohl ein weniger schönes Bild abgeben würde.

Beschlossen hatte die damalige Staatsforstverwaltung den Aufbau des Arboretums bereits 1977, zehn Jahre später begannen die Fachleute mit den ersten Pflanzungen. 2011 schließlich, im internationalen Jahr der Wälder, entstand der Weltwald mit einem modernen Besucherkonzept. Experimentiert wird im Kranzberger Forst mit exotischen Baumarten aber schon viel länger. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden auf der Flur des ehemaligen Weilers Oberberghausen importierte Pflanzen gesetzt. Aus dieser Zeit stammen stattliche Douglasien oder amerikanische Roteichen. Nicht nur Naturliebhaber informieren sich in dem botanischen Kleinod, auch Wissenschaftler und Studenten beobachten hier, wie sich exotische Arten entwickeln. Sie gewinnen so Erkenntnisse für den Waldumbau, den der Klimawandel erfordert - gerade auch weil einige der Bäume bereits vor Jahrzehnten gepflanzt wurden.

Wer sich vor einem Spaziergang informieren will, für den lohnt sich ein Blick ins Internet (www.weltwald.de). Dort erfährt man viel über das Konzept. Der Weltwald ist für Besucher das ganze Jahr über geöffnet und bietet zu jeder Jahreszeit ein besonderes Naturerlebnis.

© SZ vom 09.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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