Szenische Lesung:Ludwig Thomas fiktives Tagebuch

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Dominik Härtl widmet sich der Frage, ob und wie erotisch der Schriftsteller zu schreiben vermochte. In einer szenischen Lesung mit Angelika Mauersich und Freunden entwirft er ein Kaleidoskop aus Zitaten, Anmerkungen und Geschichten

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Kann ein Schriftsteller wie Ludwig Thoma, der durch seine derben Bauernfiguren bis hin zur Karikatur berühmt wurde, tatsächlich Erotik? Also nicht bloß derben Sex, heftige Eruption, sondern fein ziselierte sprachliche Annäherung an zarte Begegnungen voller Intensität? Dominik Härtl sagt: "Das ist eine gute Frage." Aber die Antwort, die er gibt, sollte man selbst finden, wenn er gemeinsam mit seiner Frau Angelika Mauersich und Freunden am Sonntag, 15. Oktober, 18.30 Uhr, in der Dachauer Kulturschranne dem erotischen Thoma nachspürt. Die szenische Lesung wird am Sonntag, 22. Oktober, 18.30 Uhr, ebenfalls in der Kulturschranne und am Donnerstag, 9. November, 19.30 Uhr, im Kleinberghofener Freudenhaus wiederholt. Diese Wirtschaft war unter dem Namen "Rothenfußer" eine von Thomas Stammlokalen. Mit Härtl und Mauersich lesen Wolfgang Möckl und René Rastelli. Den musikalischen Part übernimmt Stefan Auer (Klavier und Akkordeon).

Um die Antwort zumindest anzudeuten, darf gesagt werden, dass es schwierig ist, explizit erotische Passagen in Ludwig-Thomas literarischem Werk zu finden. Der ehemalige CSU-Stadtrat und Dachauer Kulturreferent Dominik Härtl will einen roten Faden für die Lesung schaffen, indem er Thomas fiktives Tagebuch geschrieben hat. Es besteht ausnahmslos aus originalen Zitaten. Gedichte, Passagen aus Romanen und Briefen sowie Lieder ergänzen es auf der Lesung. Wolfgang Möckl wird nicht nur lesen, sondern auch Ludwig Thoma spielen, so wie er es in der Dachauer Inszenierung "Thoma - eine Selbstzerstörung" in diesem Jahr zum 150. Geburtstag des Schriftstellers und Anwalts getan hat.

Die erotische Perspektive soll mitten hinein in die Frage führen, was für ein Menschen- und was für ein Frauenbild der Schriftsteller Thoma hatte. Dominik Härtl hat einen Brief an einen Leser gefunden, in dem Thoma, ganz der Naturalist, darauf pochte, dass erotisch und sexuelle Szenen deutlich und wirklichkeitsnah erzählt werden sollen. Interessanterweise hat Thoma es in seinen Texten nie so weit kommen lassen, dass er solche Begegnungen tatsächlich beschreiben musste. Ludwig Thoma sagt über sich selbst, ihm sei nie eine richtige Liebesszene gelungen. Und doch sind viele seiner Texte von derber Sprache, flirrender Leidenschaft und nicht gerade prüde: "Man verlangt nur, dass es eine Dame und von angenehmem Fleische sei." Deshalb fragt Härtl: "War er ein Weiberfeind, Weiberfreund oder gar ein Weiberheld?"

© SZ vom 13.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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