SZenario:"Diese Stimme!"

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Reaktionen des Publikums auf die Künstler

Von Dorothea Friedrich, Dachau

Wally Look strahlte vor Begeisterung: "Diese Stimme!" Und schwärmte: "Wenn man Pleschinksi zuhört, ist es, als säße Thomas Mann auf der Bühne. Und dann der Sänger!" Wally Look hatte am Dienstagabend gewissermaßen Countertenor-Premiere. Das ist nicht besonders verwunderlich. Treten doch Vertreter dieser Stimmlage eher selten in Dachau auf, während in München seit Jahren eine gewisse "Countermania" herrscht und alle Konzerte ausverkauft sind. Insofern war es ein echter Glückstreffer, dass die SZ Dachau für ihre diesjährige Benefizveranstaltung gleich drei wunderbare Künstler gewinnen konnte: den Schriftsteller Hans Pleschinski, der aus seinem Bestseller "Königsallee" las, den Lautenisten Ulrich Wedemeier mit seiner Theorbe und den Countertenor Kai Wessel.

Der Abend zugunsten des Adventskalenders für gute Werke hat sich längst als Treffpunkt für Freunde und Bekannte, als Zeichen der Solidarität mit in Not geratenen Menschen und Kulturereignis etabliert. So konnte Redaktionsleiter Helmut Zeller viele Leser, großherzige Spender, Vertreter von Politik, Wirtschaft und Kultur im Stockmann-Saal des Ludwig-Thoma-Hauses begrüßen. "Der Alltag vieler Menschen im Landkreis ist heute viel stärker als noch vor ein paar Jahren vom Kampf ums Überleben geprägt", sagte Zeller mit Blick auf Kinder, Familien, alte Menschen und Flüchtlinge, die der Adventskalender unterstützt. Wie etwa die junge Frau, die trotz einer Vollzeitstelle kein Geld hat, um ihrem Sohn ein neues Bett zu kaufen, oder die immer größere Zahl von Rentnern, die lebenslang hart gearbeitet hat und dennoch im Alter auf Grundsicherung angewiesen ist.

Umso erfreulicher, dass im vergangenen Jahr rund 5,6 Millionen Euro gespendet wurden - für Hilfe, die direkt ankommt in der Nachbarschaft oder in den Landkreisen. Das Ergebnis wird voraussichtlich heuer noch übertroffen, da bislang rund 400 000 Euro mehr an Spenden eingegangen sind als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Das freute Adventskalender-Geschäftsführerin Anita Niedermeier ganz besonders: "Wir dürfen niemanden aus dem Blick verlieren". Und dass genau das den Adventskalender auszeichne: Er helfe direkt vor Ort und ohne Verwaltungskosten. "Jeder Euro kommt direkt bei den Betroffenen an", sagte sie am Rande der Veranstaltung. Währenddessen wurde beim Sektempfang schon heftig spekuliert, wie wohl Thomas Mann, Hauptfigur in Hans Pleschinskis "Königsallee", und Countertenor zusammenpassen könnten. Eine hübsche Erklärung lieferte ein bekennender Fan des "Zauberers" Mann: "Der hätte bestimmt seine Freude an diesen Stimmen gehabt. Und einen Roman darüber geschrieben. Er hat ja das Androgyne mehr als geliebt." Wessel beschränkte sich nicht aufs übliche barocke Repertoire der Countertenöre, sondern nahm auch ein Stück von Mauricio Kagel ins Programm. Die Zuhörer nahmen es wohlwollend auf. Der SPD-Landtagsabgeordnete Martin Güll sagte: "Einmalig. Ein sehr anspruchsvolles Programm und trotzdem kurzweilig." Student Johannes Martin war mit seiner Familie gekommen und zog Parallelen zur eigenen Familiengeschichte: "1954, da ist mein Vater geboren." Das mache den Roman "Königsallee" für ihn so spannend. Thomas Höbel, Vorstandssprecher der Volksbank Raiffeisenbank Dachau, war von Lautenspieler Wedemeier und seinem Instrument mit dem riesigen Hals begeistert. "Eine interessante Konstruktion, aber sie funktioniert", sagte ein junger Mann zu der ungewöhnlichen Kombination von modernem Roman und alter Musik. Und schlug vor, das Ganze doch mal kulturhistorisch zu untersuchen. So weit wollten viele aus dem Publikum nicht gehen. Hatten sie doch selbst genügend Pakete an Verwandte in der ehemaligen DDR geschickt. "Genauso war das. Das hat Pleschinski auf den Punkt gebracht. Einfach toll." So das Urteil einer in Erinnerungen schwelgenden Damenrunde. Dem ist nichts hinzuzufügen.

© SZ vom 24.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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