SZ-Serie: Wandel durch Wachstum, Folge 1:Babyboom in Dachau

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Die Amper-Klinik hat alle Hände voll zu tun: Jedes Jahr kommen mehr Kinder in den frisch renovierten Kreißsälen zur Welt. 2018 waren es 890. Eine Hebamme zu finden, wird immer schwieriger

Von Helen Krueger-Janson, Dachau

Der erste Schrei, der erste Blick und dann der alles übertreffende Moment: das eigene Kind zum allerersten Mal im Arm zu halten - gibt es etwas Schöneres im Leben von Eltern? 890 Frauen durften dieses Glück im vergangenen Jahr in Dachau erleben. Und dieses Jahr werden es vermutlich auch nicht weniger sein. Im Gegensatz zum bundesweiten Trend steigt die Geburtenrate im Dachauer Landkreis seit einigen Jahren stetig.

Das Bayerische Landesamt für Statistik prognostiziert dem Landkreis bis 2037 ein Bevölkerungswachstum von 13,2 Prozent. Es ist das höchste in ganz Bayern. Natürlich geht es dabei nicht nur um mehr Neugeborene, sondern auch um Zugezogene. Doch der Trend ist klar: Seit der Aufzeichnung der Geburtenrate 1998 verzeichnet Bayern die meisten Babys. In Ober- und Unterfranken sind eher Rückgänge zu vermelden, Oberbayern indes erwartet eine nachwuchsstarke Zukunft.

Dachaus Babyboom hat offenbar mit der attraktiven Lage zu tun. "Dachau ist der perfekte Kompromiss", erklärt Alma Hodzic. Die 30-Jährige ist kürzlich zum zweiten Mal Mutter geworden und mit ihren Kindern und Mann Alexander in die Dachauer Altstadt gezogen. "Man kann es hier sehr ruhig haben, im Umland wandern gehen, aber auch den Trubel leben, wenn man nach ihm sucht", beschreibt sie die Vorzüge der Stadt. "Wer es gerne großstädtisch haben möchte, fährt nach München rein." Seit elf Jahren wohnt die junge Mutter in Dachau. Ihr Sohn Elias ist gerade sechs Wochen alt. 3070 Gramm hat er bei der Geburt am 15. Juli gewogen. Er kam per Kaiserschnitt im Amper-Klinikum zur Welt.

Für die steigende Geburtenrate gibt es viele Erklärungsversuche. Ob sie richtig sind, weiß man nicht, aber eins ist sicher: Dachau wächst. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Dass mehr Mütter die Dachauer Klinik für ihre Niederkunft wählen, hängt auch damit zusammen, dass Gynäkologie umfangreich renoviert wurde. Jeder Kreißsaal hat jetzt ein speziell erarbeitetes Farbkonzept, das mit Lichtelementen das Gefühl von Wärme und Entspannung vermitteln soll. Auch Wassergeburten sind dort möglich. Von dem neuen Angebot konnten dieses Jahr bereits einige Patientinnen profitieren. "Wir hatten 2019 schon 514 Geburten", berichtet Anne Schaller, Pressesprecherin des Helios Amper-Klinikums. Hodzic, eine von ihnen, ist begeistert von der Betreuung während der Entbindung."Das sind wirklich tolle Ärzte", schwärmt die junge Mutter.

Auch die Regina Meßner und ihr Mann Florian wählten die das Dachauer Krankenhaus für die Geburt ihres zweiten Kindes. Bei der vorherigen sei in München so viel los gewesen, dass sie letztlich in einem Aufnahmezimmer entbunden habe. "Sie hätten mich am liebsten weggeschickt, wär ich nicht schon so weit fortgeschritten gewesen", sagt Meßner über die Geburt ihrer Tochter Cäcilie vor zwei Jahren. "In Dachau war es dagegen total entspannt, weil im Kreißsaal totale Ruhe war", erzählt sie weiter. "Sogar die Hebamme war entspannt, weil sie sich voll auf mich konzentrieren konnte. Das war in München nicht so".

Sechs Wochen altes Familienglück: Alma Hodzic gibt Sohn Elias das Fläschchen und Vater Alexander kümmert sich derweil ums Hündchen. (Foto: Toni Heigl)

Eine Hebamme zu finden, ist nicht leicht. Auch Alma Hodzic musste etwas suchen. In München für viele Mütter sogar fast aussichtslos, in Dachau dagegen sind Schwangere und Wöchnerinnen nicht auf sich gestellt. Doch auch hier merkt man, dass die Geburtenrate gestiegen ist, die Hebammen damit gefragter sind, als früher. Die Bezirkssprecherin der Hebammenkoordinierungsstelle in Dachau, Antje Jacob, sieht die Ursache vor allem in anderen Dingen: "Sie werden schlichtweg zu schlecht bezahlt", sagt sie. "Eine angestellte Hebamme verdient genau so viel wie eine Krankenschwester", ärgert sie sich. Der Lohn sei tariflich festgelegt und liege bei circa 29 000 Euro brutto im Jahr. "Davon kann sich hier im Landkreis niemand eine Miete leisten", klagt Jacob und fordert einen besseren Tarif für die Hebammen. Vielleicht wird sich dies ändern, wenn die Geburtshelferinnen künftig ein Studium absolvieren müssen, bevor sie ihren Beruf ausüben können. Der Bayerische Hebammenverband, allen voran Mechthild Hofner, setzt sich seit einiger Zeit sehr dafür ein.

Für die steigende Geburtenrate hat das Statistische Landesamt freilich noch eine andere Erklärung. Seit 2015 viele Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind, leben hier auch viele Frauen, die aus Ländern kommen, wo die Familien deutlich mehr Kinder haben als hierzulande. Andere Demografen sprechen von den zahlreichen Kindern der Babyboomer Generation, die jetzt selbst ins Elternalter kommen. So wurden 2017 in Deutschland 865 000 Kinder geboren, 126 187 von ihnen in Bayern. In Dachau kamen immerhin 856 Babys zur Welt. Sieben Prozent weniger als 2018.

Alma Hodzic und ihr Mann Alexander genießen jetzt erst einmal die Zeit mit ihrem neugeborenen Jungen. "Der Kleine braucht jetzt ganz viel Nähe", sagt sein Vater und streicht ihm über die dunklen Haare. Sie sind glücklich.

© SZ vom 04.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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