SZ-Serie: Geschichten aus dem Dachauer Land, Folge 2:Wo das Gemüse Filzhauben trägt

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Walburga Loock hat das Hofgut Sickertshofen zu einer Pilgerstätte für Kürbisliebhaber gemacht. Und zu einem gefragten Veranstaltungsort

Von Richard Möllers, Schwabhausen

Nur wenige hundert Meter von den letzten Häusern Schwabhausens entfernt liegt Sickertshofen. Gekennzeichnet durch eines dieser grünen Ortsschilder, die dem Betrachter sofort signalisieren: Viel kann hier nicht sein. Dabei erfreut sich das hier liegende Hofgut Sickertshofen durchaus einiger Bekanntheit im Landkreis und noch weit darüber hinaus. Das dürfte vor allem an dem alljährlich im Herbst stattfindenden Hoffest "Kunst und Kürbis" liegen, das es seit 2003 gibt. Außerdem finden hier an Wochenenden viele Festlichkeiten statt, Hochzeiten, Familienfeiern und Firmenfeste. Seit 2015 kann man den renovierten Gewölbesaal inklusive hofeigener Kapelle mieten. Würde man nicht wissen, was sich alles hinter den mächtigen Bäumen rund um das Hofgut befindet, würde man wahrscheinlich glatt vorbeifahren.

Verwaltet wird das Hofgut Sickertshofen von Walburga Loock verwaltet. Ursprünglich Gymnasiallehrerin entschied sie sich nach der Heirat mit dem Landwirt und Agraringenieur Ulrich Loock gegen eine Schullaufbahn und absolvierte die Ausbildung zur Meisterin der Ländlichen Hauswirtschaft. Heute bereut sie nichts, denn sie ist "Europas Kürbispäpstin", wie es der Landwirtschaftsverlag Münster ausdrückt. Er hat bereits mehrere ihrer Bücher zu ihrem Herzensthema, dem Kürbis, veröffentlicht, und wie selbstverständlich organisiert sie nebenbei die vielen Events, die auf dem sauber gepflegten Hofgelände stattfinden.

Erst 1981 ging die kleine Kapelle des Klosters Indersdorf in den Besitz der Familie Loock über. Bereits zuvor hatte sie sich intensiv für den Erhalt der kleinen Hofkirche eingesetzt. (Foto: Toni Heigl)

Wie es zu all dem gekommen ist erzählt sie gerne, doch zunächst klärt sie die mehr als 1000-jährige Geschichte des Hofes auf: Das Gelände des heutigen Sickertshofen wurde ursprünglich einem ehemaligen römischen Söldner zum Dank für seine Dienste vermacht. 938 bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts war es im Besitz des Hochstifts Freising, ab 1376 und bis kurz vor der Säkularisation gehört "Sickershoven" dem Augustiner-Chorherrnstift Indersdorf. Seit der Abschaffung der Grundherrschaft im Jahre 1848 wechselte der Hof immer wieder den Besitzer.

Die ländliche Idylle macht den Charme des Hofguts aus. (Foto: Toni Heigl)

Die Familie Loock ist seit 1926 Eigentümerin des Bauernhofs. Albert Loock, der aus Kleve am Niederrhein kam, kaufte das Anwesen; damals war es ziemlich heruntergekommen. Ein Brief Alberts an seine Nachkommen gibt Zeugnis von dem jämmerlichen Zustand: Sämtliche Dächer waren marode, neun große Eichen rund um den Hof gefällt, der Wald komplett abgeholzt, die wenigen noch vorhandenen Tiere hatten Maul- und Klauenseuche. Albert Loock baute den Hof wieder auf: Er betrieb eine erfolgreiche Rinder-und Schweinezucht, war einer der ersten, die Zuckerrüben im Landkreis anbauten, und machte im Auftrag eines Düngemittelherstellers Feldversuche. Der Zweite Weltkrieg traf die Familie hart: Der einzige Sohn, Josef, kam schwer verwundet von der Russlandfront. Am Ende des Kriegs waren nicht nur in jedem Zimmer des Hauses, sondern auch in der Kirche Flüchtlingsfamilien untergebracht. Die Vertriebenen fanden auf dem Hof Arbeit und arbeiteten zum Teil noch mit, als Walburga 1983 ihren Ehemann Ulrich heiratete.

Die alten Gemäuer eignen sich hervorragend für Festveranstaltungen. (Foto: oh)

Die Kapelle blieb Eigentum des Klosters Indersdorf. Erst 1981 ging sie in die Hände von Familie Loock über, die sich bis dahin schon mit großem Engagement für den Erhalt der kleinen Hofkirche eingesetzt hatte. Anschließend führten die Familie, abgestimmt mit dem Landesamt für Denkmalschutz, aufwendige Renovierungsarbeiten durch. Unter anderem wurden Fresken freigelegt, das Gemäuer Meter für Meter unterfangen und der Dachstuhl erneuert. Auch in der Landwirtschaft änderte sich über die Jahr hinweg einiges. 1976 wurden Milchviehhaltung und Schweinezucht aufgegeben und durch Rinder-und Schweinemast ersetzt. Auf den Feldern baut Ulrich Loock neben verschiedenen Zwischenfrüchten Getreide, Mais, Zuckerrüben und Kürbis an. Die 2012 errichtete Biogasanlage betreibt Sohn Stephan Loock in Eigenregie, seine beiden Geschwister gehen mittlerweile ihren eigenen Berufen nach.

Die Liebe zum Detail zeigt sich auch im Garten. (Foto: Toni Heigl)

Aber an dieser Stelle muss man noch einmal auf Walburga Loock zurückkommen. Wie wird man zu Europas größter Kürbisexpertin? Die Bäuerin war schon immer von den Kürbissen und ihren unterschiedlichen Formen und Farben fasziniert. 1989 begann sie damit, verschiedene Kürbissorten anzubauen. "Damals war es besonders schwer, Saatgut für die vielen Kürbissorten in Deutschland aufzutreiben", erzählt sie. "Deshalb hielt ich bei unseren Urlaubsreisen regelmäßig Ausschau nach Kürbissen."

So wuchs die Artenvielfalt von Jahr zu Jahr. Loock dekorierte ihren Hof und den Erntedankaltar vom angrenzenden Schwabhausen. "Die allseitige Begeisterung beflügelte mich, meine Schätze zu vermarkten." Schon bald verkaufte die mittlerweile 59-Jährige die ersten Kürbisse auf Kommission an Restaurants zum Dekorieren und zum Kochen. "Was den Dachauern gefiel, sollte doch die Münchner auch interessieren, und ab da war die Sache ein Selbstläufer." Mit ihren mehr als 250 verschiedenen Kürbissorten hatte sie eine Marktlücke entdeckt. "Sogar Küchenchefs wie Diethard Urbansky vom ,Hilton Grill' und Hans Haas vom ,Tantris' ließen sich von mir in Sachen Kürbisse beraten", sagt sie stolz.

Und von einer weiteren Entwicklung profitiert Walburga Loock: "Halloween ist das Fasching der USA. Damals war es hier noch kaum verbreitet. In München schmiss ich 1997 zusammen mit Freunden eine der ersten Halloweenparties" erzählt Loock. "So landeten meine Sickertshofener Kürbisse im Lenbach-Palais ebenso wie im Kulturpark Ost in München." Eine von Jahr zu Jahr wachsende Kürbisausstellung wurde aufgebaut, und feste Öffnungszeiten eingeführt. 2003 organisierte die Familie zum ersten Mal das Hoffest "Kunst und Kürbis". Im Anschluss veröffentlichte die Kürbisexpertin ihr erstes Buch, um ihr detailliertes Wissen weiterzugeben. Darin sind nicht nur Rezepte, sondern auch alles über die verschiedenen Sorten festgehalten und was man beim Anbau beachten muss. Dass die Kürbisse gedeihen, erfordert eine gewisse Kunstfertigkeit: "Man muss nicht nur Unkraut und die Schnecken in den Griff kriegen." Die aus Mexiko stammenden Gewächse mögen keinen Frost. "Da ist es schon mal vorgekommen, dass mein Mann mich mitten in der Nacht geweckt hat, damit wir bei dem hereinziehenden Frost schnell noch unsere Kürbisse mit Filzhauben abdecken konnten."

Das Hoffest findet zwar immer noch jährlich statt, doch Walburga Loocks Fokus hat sich mit Abschluss der Restaurierung des gesamten Hofs 2014 auf die Festveranstaltungen verschoben. Zu ihren Kunden gehören große Firmen, unter anderem BMW, VW und Siemens. Außerdem findet bald schon die 100. Hochzeit auf ihrem Hof statt. Zu den prominenten Gästen gehörte beispielsweise auch einmal Finanzminister Wolfgang Schäuble; er war der Onkel des Bräutigams. "Im Vorfeld mussten natürlich allerhand Fragen geklärt werden, der Hofgrundriss mit eingezeichneten Fluchtwegen an die Security gesandt und die Barrierefreiheit zugesichert werden", erzählt Loock. "Aber auch die Sicherheitsleute ließen sich, trotz ihrer Aufgaben, meinen Zwetschgendatschi schmecken", fügt die Bäuerin schmunzelnd hinzu.

© SZ vom 25.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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