SZ-Adventskalender:Wenn die Rente nicht reicht

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Auch im wohlhabenden Landkreis Dachau haben viele ältere Menschen nur sehr wenig Geld zum Leben. Chronische Erkrankungen oder Pflegebedürftigkeit verschärfen die finanzielle Not

Von Petra Schafflik, Dachau

Alles geht langsamer jetzt, das fällt Anna Maier (Name geändert) sehr schwer. "Immer bin ich gerne gelaufen, hab mein Holz selber gemacht, war nie eine Ruhige", sagt die zierliche 76-Jährige. Doch jetzt macht das Herz nicht mehr mit, nach wenigen Schritten braucht sie eine Verschnaufpause. Haushalt, Einkaufen, Arztbesuche, alles geht langsam. Zur Sorge um die Gesundheit kommt die Belastung durch ihr knappes Budget. 300 Euro bleiben ihm Monat zum Leben. Sie kommt zurecht, zieht Gemüse im kleinen Garten, kauft reduzierte Lebensmittel nach Ablauf des Haltbarkeitsdatums, "gut dass ich bescheiden bin". Bei schweren Arbeiten helfen Nachbarn und Familie, zahlen könnte sie für Unterstützung nicht. Schon jetzt sind ungeplante Ausgaben nicht drin. Die letzte Heizölrechnung ist noch offen. "Woher ich das Geld nehme, weiß ich noch nicht." Nicht wenige Senioren im Landkreis kämpfen wie Anna Maier mit finanziellen Nöten. Kleine Renten lassen den alten Menschen oft kaum das Nötigste, noch schwieriger wird die Situation, sobald chronische Erkrankungen oder gar Pflegebedürftigkeit dazukommen. Denn Kranken- und Pflegeversicherung decken bei Weitem nicht alle Kosten. "Fahrten zu Ärzten, Rezeptgebühren und Zuzahlungen für Physiotherapie, das summiert sich und für viele wird es eng", weiß Silvia Fitterer, die beim Sozialdienst 60plus des Landratsamts Senioren berät und über Unterstützungsmöglichkeiten aufklärt. Noch werden die meisten Pflegebedürftigen im Landkreis von ihren Angehörigen betreut. Gerade in den ländlichen Gemeinden sehen Familien es als moralische Verpflichtung, den hilfsbedürftig gewordenen Vater oder die Mutter selbst zu versorgen. Rat und Unterstützung suchen pflegende Angehörige oft erst, wenn sie von der Aufgabe überfordert sind. Denn Pflege ist ein Rund-um-die-Uhr-Job, der psychisch und physisch belastet. Doch auch kurze Verschnaufpausen im anstrengenden Pflege-Alltag sind oft finanziell nicht drin. Wer Urlaub machen möchte, kann den pflegebedürftigen Angehörigen in einer Kurzzeitpflege unterbringen. Doch die Pflegekassen übernehmen nicht alle Kosten. Auch andere entlastende Dienste sind nicht ohne Zuzahlung oder Eigenanteil zu bekommen. "Viele haben dafür das Geld einfach nicht", sagt Fitterer. Vor allem für Alleinstehende und kinderlose Paare, für die nicht Angehörige unentgeltlich vieles abfangen wie bei Anna Maier, führt Krankheit und Pflegebedürftigkeit oft zu finanziellen Notlagen. Wer wie viele Landkreisbewohner eine kleine Rente von 800 Euro hat und in Pflegestufe I 235 Euro Pflegegeld bekommt, um Wohnen, Lebensunterhalt und Pflege zu finanzieren, "der kommt an eine Grenze", weiß VDK-Kreisgeschäftsführerin Stefanie Otterbein. Bei Silvia Fitterer sitzen immer wieder Senioren, die Sozialhilfe beantragen müssen. Gerade wenn ein Partner im Heim betreut wird, frisst der private Eigenanteil oft die gemeinsame Rente. Für den nicht pflegebedürftigen Partner, der weiter in der Familienwohnung lebt, bleibe nur die Grundsicherung, beobachtet VdK-Kreisgeschäftsführerin Otterbein immer wieder. Bitter für die Betroffenen, die oft nach einem arbeitsreichen Leben mit wenig Geld auskommen müssen. Besonders schmerzt es, dem pflegebedürftigen Angehörigen keine Freude mehr machen zu können. Wie ein Rentner, der Silvia Fitterer erzählte, dass er seine Frau bei Besuchen nicht in die Cafeteria des Pflegeheims einladen könne. Die fünf Euro für Kaffee und Kuchen sind mit seinem Budget einfach nicht drin. Mehr und mehr Senioren kommen zur Sozialberatung, nicht um Rat zu bekommen, sondern um eine Spende zu erbitten. Kein leichter Gang, wie Fitterer weiß. "Die Hemmschwelle ist hoch. Doch die Betroffenen sehen keinen Ausweg." Da geht es um Zuschüsse für Brillen, Zahnersatz oder eine Stromnachzahlung. Aus dem Fördertopf, den auch der SZ-Adventskalender unterstützt, fließen auch kleine Beträge für Lebensmittel, weil die Betroffenen nichts mehr zu Essen im Haus haben.

© SZ vom 20.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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