SZ-Adventskalender:Oft fehlt sogar Geld für Winterkleidung

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Viele Familien leben auch im wohlhabenden Landkreis Dachau in Armut

Von Petra Schafflik, Dachau

156 familienpolitische Leistungen sollen Eltern und Kindern in Deutschland unterstützen. Dennoch leben viele Familien in Armut - gerade auch im wohlhabenden Landkreis Dachau. Die staatlichen Hilfen spannen ein Netz, das Lücken aufweist und Familien oft alleine lässt in ihrer Not. "Vieles ist nicht abgedeckt", erklärt Marlies Schober von der Frauen- und Familienberatung im Landratsamt. Dort sitzt Schober regelmäßig alleinerziehenden Müttern und Eltern gegenüber, die nicht mehr ein noch aus wissen. Weil das knappe Familienbudget nicht reicht für dringend benötigte Winterkleidung der Kinder oder die Rezeptgebühren der schwerstkranken Mutter. Familien, in denen unter dem Christbaum keine Smartphones, Spielekonsolen oder trendige Markenklamotten liegen werden und selbst kleine Überraschungen nicht drin sind. Familien, in denen Kinder ihre Eltern trösten: "Mama, Papa, wir brauchen doch keine Weihnachtsgeschenke."

Oft sind es Schicksalsschläge, die Menschen in Armut bringen. Wenn Vater oder Mutter den Arbeitsplatz verliert, schwer erkrankt oder gar stirbt, wenn sich die Eltern trennen - in solchen Krisen geraten Familien rasch finanziell an ihre Grenzen. Für Alleinerziehende ist es oft schwer, überhaupt einen Job zu finden. Die Kinderbetreuung macht eine Vollzeittätigkeit oft unmöglich, zudem gelten Kinder noch immer vielen Arbeitgebern als Einstellungshindernis. Aber es leben auch Familien in finanzieller Not, in denen beide Eltern berufstätig sind. "Hohe Mieten, hohe Lebenshaltungskosten und Niedriglöhne führen dazu, dass viele Väter zwei Jobs haben, vor Arbeitsbeginn zum Beispiel noch Zeitungen austragen", sagt Lena Wirthmüller von der Schuldnerberatung der Caritas. Die Expertin berichtet von Familienvätern, die Vollzeit im Schichtdienst harte körperliche Arbeit leisten, "und trotzdem nur knapp über dem Hartz-IV-Niveau verdienen". Zudem lebten viele in Wohnungen, die sie sich eigentlich nicht leisten können. Doch preiswerte Unterkünfte gibt es nicht. Um den Mietzins zu stemmen, "wird sogar am Essen gespart". Sobald eine ungeplante Anschaffung notwendig wird, geraten diese Familien in Not oder machen Schulden. "Da geht es nicht um Luxus", betont Wirthmüller. Vielmehr fehlt schlicht das Geld, einen defekten Kühlschrank zu ersetzen oder eine Autoreparatur zu bezahlen.

Auch arme Eltern engagieren sich, um ihre Kinder gut zu fördern. Doch ein schmales Budget setzt enge Grenzen. Wenn die Freunde zum Judo-Training oder Reiten gehen, Klavier- oder Geigenunterricht nehmen, bei Geburtstagseinladungen anspruchsvolle Geschenke selbstverständlich sind, fällt das Mithalten schwer. "Da entsteht ein enormer Druck", sagt Maria Dick von der Caritas-Familienpflege. Beratungsstellen versuchen zu helfen, sind dafür aber auf Spendenmittel angewiesen. Zum Beispiel um eine Musiktherapie zu finanzieren für vier Kinder einer alleinerziehenden Mutter, die nur unregelmäßig Unterhalt erhält.

Die gesetzlichen Leistungen abzurufen, sei enorm mühsam, beobachtet Dick. Die Antragsformulare kompliziert, die Verfahren aufwendig, "diese Bürokratie macht die Menschen fertig". Viele Eltern sind durch den Dauerkampf ums Geld auch psychisch erschöpft, beobachtet Marlies Schober: "Depressionen sind oft programmiert." Weil der Übergang von einer staatlichen Hilfe zur anderen lange dauert, "stehen Familien regelmäßig zwei, drei Wochen ohne einen Cent da, diese Unsicherheit ist zermürbend", so Dick. Oft geht es dann um existenzielle Nöte, wenn Väter und Mütter sich an Beratungsstellen wenden: einen Zuschuss für Winterstiefel oder auch Essensgutscheine, damit die Familie nicht übers Wochenende hungern muss.

© SZ vom 13.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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