Südtiroler Advent:Gedichte, Gesang und Gänsehaut

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70 Südtiroler Künstler präsentieren im Schloss Dachau mit großer Leidenschaft die Klangwelten des Alpenraums

Von Jana Rick, Dachau

Knapp vier Stunden sind es normalerweise mit dem Auto. Doch an diesem Abend waren es nur wenige Meter von der Dachauer Altstadt ins schöne Südtirol: Im Schloss musizierten und sangen 70 Südtiroler Künstler im historischen Renaissance-Saal und entführten das Publikum in die verschiedenen Klangwelten des Alpenraums. Sechs Musikgruppen waren auf der Bühne zu hören, und sie zeigten den etwa 300 Gästen vor allem eines: die Vielfalt der Südtiroler Musik. Das Turmbläser Ensemble "Badia" verkörperte wohl die Musik, die man noch am meisten mit der alpenländischen Kultur verbindet - stämmige Männer in Lederhose und Haferlschuhen, die in Horn und Tuba blasen, dass es von allen Wänden widerhallt. Mit ihren glänzenden Blasinstrumenten verbreiteten sie tiefe Töne, die unter die Haut gehen. Auch dank der hervorragenden Akustik des Saales hatte man unmittelbar ein weites Tal vor Augen, das sich zwischen gewaltigen Bergen erstreckt.

Typisch alpenländische Volksmusik führten auch der "Grödner Fraudreigesang" mit Gitarrenbegleitung auf, in Grödner Sonntagstracht und mit drei hellen Stimmen. Doch Südtirol kann auch anders. Mit den Stubenmusikern "Frisch G'strichn" stehen zwei junge Frauen in modernen Dirndl auf der Bühne, mit Stiefeln zum Kleid und Geigen in der Hand. Zusammen mit einer Harfe und einer Ziehharmonika spielten die Geigerinnen schwungvolle Volksmusik, die Lust aufs Tanzen macht. Diese Kombination ist ungewohnt, doch nach wenigen Takten war klar - sie macht auf jeden Fall gute Laune. Die Musiker sangen von der "staden Zeit" und dem "Heiland", das Repertoire bestand dabei aus den schönsten volksmusikalischen Weihnachtsliedern der Heimat.

Hörbuchsprecher Rufus Beck erzählt mit viel Charme und Humor Geschichten und Anekdoten zur Weihnachtszeit. (Foto: Toni Heigl)

Literarisch begleitet wurde der Abend von Rufus Beck, dessen Stimme viele aus den Hörbüchern von Harry Potter kennen. Der Schauspieler und Erzähler gestaltete das Konzert besinnlich und humorvoll, indem er das Publikum durch weihnachtliche Anekdoten und Geschichten mehrmals zum Lachen brachte. Mit viel Charme trug er Gedichte von Weihnachtsabenden vor, bei denen so manches schief geht und ahmte Tiere nach, die über die Weihnachtsgeschichte diskutieren. Selbst dem Floh, der im Ohr des Jesuskindes steckt, verlieh er eine einzigartige Stimme und bewies damit, dass auch die Stimme Klangvariationen ermöglicht.

Und die Vielfalt der Südtiroler Musik schien, zumindest an diesem Abend, kein Ende zu nehmen. Schallten vorher noch die lauten Bläser durch das gesamte Schloss, erhellten wenig später 30 klare Bubenstimmen den Saal. Der Vizentinum Knabenchor aus Brixen bewies, wie hoch Kinderstimmen in der Tonleiter klettern können und gleichzeitig jeder Ton exakt getroffen wird. Die jungen Sänger standen in weißen Hemden, schwarzen Hosen und Turnschuhen nebeneinander aufgereiht auf der Bühne und lösten ab dem ersten Ton Gänsehaut im Publikum aus. Fast schon zu perfekt sang der einzig reine Knabenchor Südtirols mal auf Englisch, mal auf Deutsch und harmonierte zu einem Klang an lieblichen Stimmen, der im Ohr bleibt. Erst als Rufus Beck die Geschichte vom kleinen Nick erzählte, der sich vom Weihnachtsmann nichts wünscht, außer die Lösungen der Matheprüfungen, wurden die 30 Südtiroler Buben lockerer und in ihrer vorbildlichen Haltung entspannter. Sie lachten mit dem Publikum über den endlos langen Wunschzettel.

Musiziert wird mit Geigen, Harfe und Trompeten. (Foto: Toni Heigl)

Dass viele Musiker gleich mehrere Talente haben, zeigte sich, wenn einer der Bläser plötzlich seine Trompete ablegte, und sich zum Jugendchor "Provoxis" stellte. Und einer der Knaben machte, völlig in seinem Element, im Hintergrund alle Fingerbewegungen des Ziehharmonikaspielers mit. Auch die Instrumente zeigten eine Bandbreite, die man sonst von einem Konzert nicht gewohnt ist: Eine Gitarre, eine Harfe, Trompeten, Klavier und sogar eine Maultrommel hatten die Musikanten aus Südtirol mitgebracht. Und auch wenn die Gruppen nicht unterschiedlicher sein können, gemeinsam schafften sie ein Alpenfeeling, das auf die Weihnachtszeit einstimmt und Lust auf die Sonnenseite der Alpen macht.

Zum Abschluss sangen, bliesen, strichen und zupften die 70 Musiker alle gemeinsam auf der Bühne. Das Publikum war begeistert und berührt zugleich. Und wenn der italienische Dirigent der Turmbläser zum Abschluss erklärte, dass die Musik nicht nur aus dem Mund oder von einem Instrument komme, sondern vom Herzen, dann ist es genau das, was jeder einzelne Musiker an diesem Abend auf das Publikum ausstrahlte: eine einzige Südtiroler Harmonie.

© SZ vom 05.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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