Streit wegen Graffiti:Eine teure Angelegenheit

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Mehrmals musste die Fassade der Sparkasse Dachau neu gestrichen werden. Anfangs noch von einem Malerbetrieb, später auch von Bankmitarbeitern. (Foto: Toni Heigl)

Ein Jugendlicher soll mehrmals die Fassade der Sparkasse beschmiert haben. Die Bank stellt ihm nun die Reinigung in Rechnung - sein Anwalt wittert Wucher

Von Julia Putzger, Dachau

Kaum ist ein Schriftzug entfernt, taucht kurze Zeit später schon der nächste auf. "Juhu Bankraub" steht da beispielsweise auf Fassade neben dem Haupteingang der Geschäftsstelle der Dachauer Sparkasse. Die Beschädigungen sind ein großes Ärgernis für das Geldinstitut, die Kosten für die Entfernung sind hoch. Das wiederum wird nun zum Ärgernis für einen der tatverdächtigen Jugendlichen. Denn die rund 4400 Euro, die die Sparkasse für die Beseitigung der Graffiti insgesamt in Rechnung stellt, scheinen ihm und seinem Petershausener Rechtsanwalt Oliver Franke zu hoch angesetzt. Letzter stellt nun sogar den Verdacht von Betrug oder Wucher seitens der Sparkasse in den Raum.

Insgesamt acht Mal - erstmals im Dezember 2018, zuletzt im Juni 2019 - tauchen verschiedene Schmierereien in der Nähe des Haupteingangs der Dachauer Sparkasse am Sparkassenplatz auf. Umgehend geben die Verantwortlichen der Sparkasse die Entfernung in Auftrag, welche der Malerbetrieb Werner Ott übernimmt. Da die Sparkasse als Geschädigte die Kosten dafür nicht übernehmen muss, werden sie einem der tatverdächtigen Jugendlichen in Rechnung gestellt, 2019,31 Euro sind das genau. Doch auf der Rechnung, die Anfang Dezember 2019 gestellt wird, finden sich noch weitere Posten. Laut der Aufstellung waren drei verschiedene Mitarbeiter insgesamt 22,5 Stunden mit der Bearbeitung des Falls beschäftigt. Mit Stundenlöhnen zwischen 110 und 60 Euro, zuzüglich 19 Prozent Umsatzsteuer, macht das 2391,90 Euro aus - und damit fast 20 Prozent mehr als die Malerkosten.

Rechtsanwalt Oliver Franke ist entrüstet über diesen Betrag, zunächst jedoch noch nicht mit dem Fall betraut. Stattdessen wendet sich der Vater des Jugendlichen an Stefan Egenhofer, Abteilungsleiter Bau- und Facilitymanagement der Sparkasse Dachau, der die Rechnung unterzeichnet hat. Zwar sei sein Sohn reuig und bereit, für den Schaden geradezustehen - das beteuerte dieser auch in einem Entschuldigungsschreiben vom November 2019. Doch von den extrem hohen Bearbeitungskosten fühle er sich sowohl finanziell als auch emotional überfordert. Der Vater bittet deshalb einerseits um einen Aufschub der Zahlung, da sein Sohn die geforderte Summe nicht so schnell aufbringen kann und zudem die polizeilichen Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind. Eine Verhandlung oder rechtskräftige Verurteilung gab - und gibt - es nicht. Der Tatverdächtige bestreitet, an allen Graffitis beteiligt gewesen zu sein. Außerdem sei er nicht der alleinige Täter. Andererseits regt der Vater eine Überprüfung der Bearbeitungskosten an. Er schreibt, dass der hohe Zeitaufwand mit teilweise Spitzen-Stundensätzen für den überschaubaren Aufwand der Schadensregulierung für ihn nicht nachvollziehbar sei.

Auf dieses Schreiben antwortet Egenhofer zunächst kulant: 2000 Euro seien sofort zu überweisen, der Rest könne nach polizeilicher Klärung erfolgen. Doch dann die Überraschung: Nach den Weihnachtsfeiertagen, kaum einen Monat später, meldet sich Egenhofer erneut und fordert den vollen Rechnungsbetrag - mit der Möglichkeit einer Ratenzahlung - ein. Zudem schreibt er, dass die entstandenen Kosten eigentlich sogar noch höher seien, da Aufwände der Rechtsabteilung und des Vorstands gar nicht einbezogen wurden.

Ende April schaltet sich nun Rechtsanwalt Franke ein, er wendet sich mit einem Schreiben erneut an Egenhofer. Darin formuliert er erhebliche Zweifel an der Anspruchsgrundlage des Verlangens und stellt den Verdacht von strafbarem Verhalten - nämlich die Straftatbestände Betrug und Wucher - in den Raum. Er bezieht sich dabei auf die "gestellte Anzahl der angeblich 'geleisteten Stunden', die Höhe des zugrunde gelegten Stundensatzes sowie die grundsätzlich die Frage der Rechtmäßigkeit des Anspruchbegehrens." Bisher hat er darauf nach eigenen Angaben keine Antwort erhalten.

Auf Nachfrage der Süddeutschen Zeitung gibt Egenhofer persönlich zwar keine Auskunft, Pressesprecherin Sabrina Steinau erklärt jedoch, dass der erhebliche Arbeitsaufwand unter anderem dadurch entstanden ist, dass die Graffitis durch eigene Mitarbeiter überstrichen wurden. "Aufgrund der Häufigkeit der Graffiti, nachdem die Fassade wiederholt (insgesamt fünf Mal) durch die Firma Ott übermalt wurde, hat zu einem späteren Zeitpunkt ein Mitarbeiter der Sparkasse das Übermalen der Fassade übernommen", heißt es von Seiten der Sparkasse. Da die weiteren Täter der Sparkasse nicht bekannt seien, habe man die finanziellen Forderungen nur beim ermittelten Täter geltend gemacht. Den Vorwurf des strafbaren Verhaltens weise man mit Nachdruck zurück - in welcher Höhe Schadenersatzansprüche berechtigt seien, sei nicht selten umstritten und müsse im Zweifel durch ein Gericht geklärt werden.

Eben darauf hofft Franke nun. Er bezeichnet die Argumentation der Sparkasse als absurd und versteht nicht, weshalb die hohen Stundenlöhne verrechnet wurden und wie der Aufwand berechnet wurde. In den 30 Jahren seiner Tätigkeit habe er keinen ähnlichen Fall erlebt. "Mir fehlen da echt die Worte", sagt er. Was ihn bei der Sache jedoch am meisten stört, ist nicht das eigentliche Vorgehen der Sparkasse, sondern die dadurch entstehende Außenwirkung. Denn das jemand versuche, die Summe der Schadensersatzforderung zu erhöhen, sei keine Seltenheit. "Aber von einer öffentlichen Institution wie der Sparkasse fände ich das besonders dreist." Klarheit in den Fall wird vermutlich erst eine Gerichtsverhandlung bringen.Ein Termin steht hierfür noch nicht fest.

© SZ vom 27.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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