Stiftungen in Dachau:Füllhörner des Guten

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Die mittlerweile 30 Bürgerstiftungen im Landkreis schütten Geld für Bedürftige, Kunst und den Tierschutz aus. Fast die Hälfte der Einrichtungen geht auf die Initiative privater Wohltäter zurück. Die älteste Dachauer Stiftung ist bereits rund 400 Jahre alt

Von Clara Nack, Dachau

Ein gutes Miteinander in einer lebenswerten Gemeinde, an der alle teilhaben können, das ist das Ziel einer Bürgerstiftung. Im Landkreis Dachau gibt es 13 sowohl private Namensstiftungen, als auch solche in öffentlicher Hand. Hinzukommen die 17 Bürgerstiftungen der Kommunen unter der Stiftergemeinschaft der Sparkasse Dachau. Unzählige Förderer, kleine und große Spender sowie Zustifter, die ihre gesamten Hinterlassenschaften geben, unterstützen die Projekte regelmäßig oder einmalig finanziell.

Einen Scheck über 10000 Euro überreicht Helmut Rez den Bewohnern des Friedrich-Meinzolt-Hauses im Namen der Josef-Kiener-Stiftung beim hauseigenen Oktoberfest. (Foto: Niels P. Joergensen)

Die älteste von ihnen, die Bürgerspitalstiftung, ist auf ihren 1636 verstorbenen Begründer Wilhelm Jocher zurückzuführen und stellt bis heute, ihre von der Stadt verwalteten Wohnungen, Bedürftigen Dachauern zur Verfügung. Auch die private Josef-Kiener-Stiftung des 2007 verstorbenen Speditionskaufmannes Josef Kiener spendet günstigen Wohnraum. Hier beteiligen sich außerdem die Mieter durch ihre monatlichen Zahlungen in vollem Umfang am wohltätigen Zweck. 2009 begründete Kieners Testament die Stiftung in Dachau. Nach seinem Tod wurden alle Wohnungen, Büros und Gewerbeflächen, die er baute und verwaltete, der Stiftung übertragen. "Uns ist es wichtig den Mietern zu sagen, dass ihre Mietzahlungen sozialen Einrichtungen zugute kommen", erklärt Helmut Rez, der seit März 2017 Stiftungsvorstand ist. "Die Miete zahlt man dann vielleicht immer noch nicht gern, aber aus tieferer Überzeugung."

Jene zu bedenken, "die unverschuldet in Bedrängnis geraten waren", war Kieners Anliegen: eine weitgefasste und großzügig unterstütze Hilfestellung, die sich an krebskranke Kinder, Tiere und ältere Menschen in Pflegeheimen richtet. Gerade am Ende seines langen Herzleidens erfuhr der 73-jährige Wohltäter selbst, wie wichtig gute Pflege und menschliche Zuwendung sind. Daraufhin widmete er viele seiner letzten Stunden den Treffen mit seinem Notar, in denen sie gemeinsam die Satzung der zukünftigen Josef-Kiener-Stiftung erarbeiteten. "Josef Kiener war kein Mensch der Vorbilder", erzählt Rez. "Ich glaube es war ihm gar nicht so klar, wie andere Stiftungen funktionieren. Er wusste nur wo er ansetzen und wem er helfen wollte."

Die Unterstützung für die Deutsche Kinde Krebshilfe, das Dachauer Tierheim sowie das Caritas-Marienstift Dachau und das Evangelische Alten- und Pflegeheim Friedrich-Meinzolt-Haus speist sich aus den Mieten der stiftungseigenen Wohnungen, Geldanlagen und Spenden. Seit 2013 schüttete die Stiftung mehr als 350 000 Euro an die vier Einrichtungen aus. Das Geld für krebskranke Kinder fließt in den großen Spendentop der Deutschen Krebshilfe, doch für das Tierheim finanzierte die Stiftung den neuen Anbau ganz alleine. Rund 60 000 Euro kamen allein den Bewohnern des Friedrich-Meinzolt-Hauses, beispielsweise für einen Konzertflügel, eine Heimkinoanlage und zahlreiche Konzerte zugute und mit einer Scheckübergabe von mehr als 10 000 Euro erst kürzlich aus Anlass des Oktoberfestes auch für die Senioren.

Die Stiftungenunterstützen unter anderem die ehrenamtliche Arbeit im Dachauer Tierheim oder im Jugendgästehaus Dachau. (Foto: Niels P. Joergensen)

Doch nicht nur für die Bewohner der Pflegeeinrichtungen wird ein großer Beitrag geleistet: Die Wohnungen vermietet die Stiftung bevorzugt an Mitarbeiter von Pflegeheimen im Landkreis. Ob Koch, Pfleger oder Therapeut ist dabei egal. Ohne die günstigen Stiftungswohnungen fänden die Häuser im teuren Dachauer Raum oft gar keine Mitarbeiter mehr. Für Rez ist die Wohnungsvermittlung eng mit der Schaffung von Arbeitsplätzen verknüpft und sogar eine starke Motivation hinter seinem Posten. "Es macht mir Freude und ist etwas Besonderes, jemandem eine Wohnung zu vermitteln. Man ermöglicht so auch eine berufliche Existenz." Es gebe viele Menschen, die Wohnungen suchten und hier auch sesshaft werden müssten, da die Betriebe im Landkreis sie als Fachkräfte dringend bräuchten, sagt Rez. Ehrenamtliches Wirken sollte insgesamt stärker unterstützt werden, findet er. Nicht unbedingt finanziell, es könne den Freiwilligen jedoch mehr Wertschätzung entgegengebracht werden.

Doch nicht jeder hat die Ressourcen, eine eigene Stiftung ins Leben zu rufen, die den Stifter Jahrhunderte überdauert. Neben den fortwährend weiterlaufenden Stiftungen, haben sich deshalb Modelle wie die Zustiftung oder die Verbrauchsstiftung entwickelt. Bei einer Verbrauchsstiftung reicht das Vermögen nicht aus, um laufend große Beträge auszuschütten und eine dauerhafte Förderung großer Projekte zu gewährleisten. Die Stiftung wird im wahrsten Sinne des Wortes aufgebraucht. So kann man immerhin über einen überschaubaren Zeitraum Gutes für eine Einrichtung tun. Bei der Zustiftung wird keine eigene Stiftung gegründet, sondern das eigene Vermögen fließt in den Topf einer bereits existierenden Stiftung. Je nach Höhe des gestifteten Vermögens kann über eine Namensänderung der Stiftung nachgedacht werden. Ähnlich wie wenn ein Jurist Partner in einer großen Kanzlei wird und sein Name mit aufs Türschild kommt, werden große Spender im Namen der Hilfe genannt. "Die Mittel können so vollständig ausgeschöpft werden und gehen nicht für bürokratische Hürden drauf", erklärt Rez und verweist auf die, nicht auf regelmäßige Spenden angewiesene Kiener-Stiftung. Im Landkreis nicht nur durch ihre feste Zweckbestimmung beispiellos, sondern auch durch ihr immenses Volumen, ist die Josef-Kiener-Stiftung wahrscheinlich eine der größten privaten gemeinnützigen Stiftungen weit und breit.

Die 17 Bürgerstiftungen der Landkreiskommunen setzen oft da an, wo ein Teil der Förderung schon geleistet ist, aber noch Mittel fehlen. So stiftete die Bürgerstiftung Hebertshausen den Fehlbetrag für ein musikalisches Schulprojekt und in Markt Indersdorf wurde die Erinnerungsarbeit am Gymnasium gefördert. Doch neben örtlicher Nachbarschaftshilfe kommen die Stiftungen auch zum Einsatz, wenn es darum geht, lokale Tradition vor dem Vergessen zu bewahren. In Pfaffenhofen an der Glonn bedeutete das für die Bürgerstiftung etwa, 500 Euro zu einer neuen Fahne des katholischen Burschenvereins beizusteuern. Auch Kunst und Kultur, der Denkmalschutz und die Erinnerungskultur kommen im Landkreis nicht zu kurz.

Die Tröger-Stiftung und viele weitere unterstützen die Kunst im Landkreis, und die Stiftung Jugendgästehaus Dachau bietet jungen Menschen einen Ort zum Verweilen für einen Besuch in der KZ-Gedenkstätte. Das Engagement der Stiftungen ermöglicht Teilhabe und diese ist laut Christian Zank, Heimleiter des Friedrich-Meinzolt-Hauses, ein rechtmäßiger Anspruch für alle: "Es darf in unserem sozialen Wohlstandsstaat keine Scham für einzelne geben, in Gemeinschaft an etwas Besonderem teilhaben zu können."

© SZ vom 10.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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