Dachau:Das Gesicht der Stadt wird sich verändern

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MD hat Dachau maßgeblich geprägt. Nun soll auf der Fläche ein neues Stadtviertel entstehen

Von Viktoria Großmann, Dachau

Nur das M bleibt. Mühlbachviertel soll der neue Stadtteil mitten in Dachau heißen. Schluss mit dem spröden Ausdruck "ehemaliges MD-Papierfabrik-Gelände". Auf 17 Hektar können Wohnungen für bis zu 2000 Menschen entstehen. Dazu Einkaufsmöglichkeiten, Büros, Flächen für Händler und Handwerker. Über einen weiten Platz, das sogenannte Mühlenforum, soll sich das Viertel zur Einmündung der Konrad-Adenauer-Straße in die Ludwig-Thoma-Straße öffnen.

"Es soll ein lebendiges Viertel werden", sagt Herbert R. Ullmann, Geschäftsführer der Dachau Entwicklungsgesellschaft (DEG). "Keinesfalls eine Schlafstadt." Also keine reine Wohnsiedlung. Die DEG tritt als Projektentwickler auf, ist jedoch nicht Bauherr. Planungshoheit hat die Stadt, die nun die Bürger um ihre Meinung bittet. An diesem Dienstag beginnt das Bürgerbeteiligungsverfahren für das größte Bauprojekt der Stadt. Damit bewegt sich endlich wieder etwas in der langwierigen Debatte um die Zukunft der Industriebrache im Herzen der Stadt. Verena Trojan, der Stadtplanerin und Architektin, die mit ihrem Mann Klaus Trojan den städtebaulichen Wettbewerb 2008 gewann, war während einer Bauausschusssitzung im März ihre Ungeduld anzumerken. Es hätte keiner ahnen können, dass "Sie so lange brauchen, um sich zu entscheiden", sagte Trojan damals in Richtung der Stadträte.

Der Entwurf der Darmstädter ist Grundlage aller Diskussionen. Für sie steht fest, dass die Dachauer Altstadt durch die Wohnbebauung im Mühlbachviertel einen Entwicklungsschub bekommen wird. "Ein belebtes Mühlbachviertel wird auch die Adenauerstraße und die gesamte Altstadt beleben", sagt Verena Trojan. Kern ihres Entwurfs ist das Mühlenforum. An diesem Platz wird die Erinnerung an etwa 150 Jahre Industriegeschichte gewahrt werden. Das Forum ist umrahmt von zwei unter Denkmalschutz stehenden ehemaligen Fabrikhallen, die Kalanderhalle an der Konrad-Adenauer-Straße und die Papierhalle an der Ludwig-Thoma-Straße. Wie Kalander- und Papierhalle genutzt werden können, ist offen.

(Foto: SZ-Grafik)

Fest steht bereits, dass mindestens 40 Prozent der Fläche für "Nicht-Wohnen" genutzt werden. Ob dieses "Nicht-Wohnen" automatisch die Ausweisung als Gewerbefläche oder doch als Sondergebiet, Misch- oder Kerngebiet bedeutet, das sollen die Bürger entscheiden. Das sind nicht ganz einfache Begrifflichkeiten, in denen sich selbst Stadträte schon verlaufen haben. Michael Eisenmann vom Bündnis für Dachau erzählt, er habe auch deshalb ursprünglich für ein Mischgebiet auf dem Gelände gestimmt, weil er glaubte, darin sei Gewerbenutzung eingeschlossen. Tatsächlich kann in solchen Gebieten Gewerbe angesiedelt werden, welches Anwohner nicht stört. Wo jedoch einmal gewohnt wird, kann später kein reines Gewerbegebiet mehr ausgewiesen werden.

Mindestens so viele Gefühle wie der Erhalt des Alten ruft zumeist die Errichtung des Modernen hervor. In diesem Fall ist es die Schaffung eines Gebäudes mit bis zu 15 Stockwerken. Architekten sprechen von einem Hochpunkt. Aus städtebaulicher Sicht ist eine gewisse Höhenwirkung gewünscht, um das Quartier schon von weitem als belebte, urbane Fläche zu kennzeichnen. Wie Architektin Trojan es ausdrückt: "Damit ich am Bahnhof erkenne, jetzt bin ich in der Stadt." Wo vorher die drei Schornsteine des Kraftwerks die Silhouette prägten, soll dies nun ein mehrgeschossiges Haus sein - das allerdings mindestens 20 Meter unter der jetzigen Schlothöhe bleiben würde. "Mindestens zwölf Stockwerke sollten es schon sein", sagt Trojan. Zusätzlich sollen mehrere Gebäude sieben bis acht Stockwerke hoch werden.

Auch die Wohnhäuser sollen mindestens vier Geschosse haben. Erst so lohnen sich Investitionen in Barrierefreiheit, erklärt die Architektin. In allen Häusern soll es Aufzüge und direkten Zugang zu den Tiefgaragen geben. Möglichst grün soll es werden und das gelingt, in dem Stellplätze konsequent unter die Erde gelegt werden. Grundlage aller Planungen ist eine vollständige Befreiung des Geländes von den giftigen Altlasten. Der Mühlbach soll "ein ganz sauberes Bächlein werden", wie Trojan sagt.

Welche Gebäude finanzierbar sind, werden die Bauherren bestimmen und die müssen noch gefunden werden. Verkauft werden soll an Großinvestoren oder Bauherrengemeinschaften. Zudem ist Fläche für sozialen Wohnungsbau reserviert. Eingeplant wird auch eine Kindertagesstätte, über deren Standort die Bürger entscheiden sollen. Moderiert wird die Beteiligung von der Münchner Agentur Citycom.

Die Stadträtinnen Gertrud Schmidt-Podolsky (CSU) und Christa Keimerl (SPD) geben sich zu Beginn der Bürgerbeteiligung extrem aufgeschlossen. Schmidt-Podolsky hofft auf "neue Ideen" besonders hinsichtlich der verkehrlichen Erschließung. Keimerl erklärt, man sei offen, auch über Grundsätzliches noch einmal nachzudenken, sollten die Bürger konträre Ansichten zu bisherigen Beschlüssen vertreten. Viel Verantwortung für die Dachauer: Das Projekt wird das Gesicht der Stadt verändern.

© SZ vom 09.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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