Stadt Dachau:Ende nach 100 Jahren

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Hans Klaus Rinderle ist die dritte Generation die das Uhrengeschäft übernommen hat. Jetzt schließt er das Traditionsunternehmen, auch weil er keinen Nachfolger fand.

Matthias Pöls

Die Zeit ist um. Uhrmacher Hans Klaus Rinderle schließt im Frühjahr sein Geschäft in der Augsburger Straße 16. Damit endet ein Stück altes Dachau und eine Tradition. Denn Rinderles Großvater gründete das Unternehmen im Jahr 1912. "Es gibt keine wirtschaftlichen Faktoren", sagt Rinderle. Er habe sich bereits vor fünf Jahren vorgenommen: Mit 60 Jahren geht er in Rente. Aus persönlichen Gründen sei es der richtige Zeitpunkt. Knapp drei Jahrzehnte leitete er das Geschäft. Davor legte er die Meisterprüfung als Augenoptiker und Uhrmacher ab. Seitdem hat er acht Lehrlinge in seinem Betrieb ausgebildet. "Und die Arbeit war wunderbar."

Hans Klaus Rinderle in seinem Uhrenladen. Bis zum März 2012 soll der Räumungsverkauf abgeschlossen sein. (Foto: DAH)

Doch die Uhren ticken heute anders. Die Branche sei schwierig geworden. "Unter 100 verkauften Uhren sind heute noch etwa fünf, die mechanisch laufen", sagt Rinderle. Wer neben einem Handy zur Zeitanzeige überhaupt noch eine Uhr erwirbt, wolle eher einen "Eyecatcher" oder ein "Schmuckstück", anstatt eines feinen Werks der Zahnradtechnik. Auch das Geschäft mit der Werkstatt laufe nicht mehr so gut. "Die Leute schmeißen lieber weg, als reparieren zu lassen."

Doch er verlasse die eigenen Räume ohne Groll. Auch als Rentner will Rinderle noch weiter Uhren reparieren. Denn schon als Kind hat sich die Faszination an der Feinmechanik von seinem Vater auf ihn übertragen. "Es gibt tausend verschiedene Fehler, manchmal spielt die Frage mit, ob man kapituliert oder nicht." Wenn die Uhr dann wieder läuft, ist es ein kleiner persönlicher Erfolg." Im Alter von etwa zehn Jahren habe er die Freude am "Fehler finden" entdeckt; als er den ersten Wecker zerlegte und auch wieder zum Laufen brachte. Die Erfahrung aus zwei Generationen von Uhrmachern nahm er mit.

Im März 1912 kaufte der Großvater eine Filiale am Fuß des Karlsbergs. Fünf Jahre später verlegte er das Geschäft vorrübergehend an den oberen Markt, um schließlich nach dem Ende des ersten Weltkriegs in die heutigen Räume an der Augsburger Straße Ecke Gottesackerstraße zu ziehen - zentral in die Dachauer Altstadt. Viele alte Anleitungen und Rechnungsbücher existieren noch aus der Anfangszeit. Mit ein wenig Wehmut schaut Rinderle hinein und schwärmt über die alte, geschwungene Schrift. "Tempus fugit", sagt er: Die Zeit vergeht. Seit Mai 2011 lief die vergebliche Suche nach einem Nachfolger aus der Branche: "Meine beiden Kinder machen etwas ganz anderes." Schwester Anneliese Rinderle verlässt mit ihm den Laden und geht ebenfalls in Rente. Ein neuer Mieter ist bisher nicht gefunden.

Der Countdown zum Ende eines Traditionsunternehmens läuft. Am 16. Januar startet der Jubiläumsverkauf für vier Wochen. Direkt danach steht der Totalräumungsverkauf bis zum März an, dann ist die Zeit des Uhrengeschäfts Rinderle nach 100 Jahren abgelaufen.

© SZ vom 09.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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