Sozialdemokraten:Verwaiste SPD

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Der Verlust des Landtagsabgeordneten und Kreisvorsitzenden Martin Güll stürzt die Partei in einen Umbruch. Noch hat sie keinen Nachfolger gefunden und auch die viel beschworene Erneuerung lässt auf sich warten

Von Marie Groppenbächer, Dachau

Noch ist unklar, wer Parteichef der SPD im Landkreis Dachau wird. Nach der desaströsen Niederlage der Sozialdemokraten in der bayerischen Landtagswahl im Oktober hatte der Kreisvorsitzende Martin Güll, der sein Landtagsmandat verloren hatte, seinen Rückzug für Frühjahr 2019 angekündigt. Leider hat bisher, wie Güll der Süddeutschen Zeitung sagte, noch keiner aus der Partei eine Ansage dazu gemacht. Der Schock sitzt tief: Die Dachauer SPD verlor ihren profiliertesten Vertreter, seit 2008 Vorsitzender des Bildungsausschusses im Landtag, der die Partei immer wieder mitzog. In der Kreis- SPD vermisst man mit wachsender Verärgerung eine Antwort der bayerischen Parteispitze auf die Wahlschlappe. Aber auch in Dachau ist der künftige Kurs noch nicht klar abgesteckt. Auf jeden Fall werde es einen Umbruch geben, doch in welche Richtung der gehe, sei noch unklar, erklärte Martin Güll. Viel Zeit bleibt nicht mehr: Im Mai 2019 sind Europawahlen, im Frühjahr 2020 Kommunalwahlen in Bayern.

"Es schmerzt dass wir keinen Landtagsabgeordneten mehr stellen", sagt Marianne Klaffki, stellvertretende Landrätin und Gemeinderätin in Hebertshausen. "Martin Güll war in der Lage, wichtige Impulse für die SPD zu setzen". Jetzt fehle im Landkreis der Ansprechpartner. Der Verlust seines Landtagsmandats trifft die SPD schwer. "Da es keinen Mitarbeiter und kein Parteibüro mehr im Landkreis gibt, fällt eine wichtige Infrastruktur weg", sagt Güll. Dieses Problem wurde mit dem Ergebnis diskutiert, die Aufgaben in Zukunft neu zu verteilen. "In den letzten zehn Jahren haben sich viele der Aufgaben sehr auf meine Person konzentriert. Diese müssen jetzt wieder im Team übernommen werden", erklärt Güll.

Er mache sich jedoch, sagt Güll, keine Sorgen, dass sich ein geeigneter Nachfolger im "starken Vorstand" der Kreis-SPD finden lasse. Für ihn persönlich bleibt es dabei: Schluss mit der Politik. Noch bis zum Frühjahr 2019 leite er die Partei, danach gehe er im Herbst geordnet in den Ruhestand über.

In der Bayern-SPD rumort es, wird viel über den künftigen Kurs diskutiert und gestritten. Mitte November ist ein Thesenpapier von Mitgliedern öffentlich geworden. Darin hatten mehr als zwanzig Politiker aus allen Ebenen der SPD der Parteiführung um Natascha Kohnen mangelnde Selbstkritik nach dem desaströsen Wahlergebnis vorgeworfen und eine jüngere und modernere Bayern-SPD gefordert. Auch Michael Schrodi, Bundestagsabgeordneter für Fürstenfeldbruck und Dachau, ärgert sich: "Ich höre bisher nichts von der Spitze der Bayern-SPD, keine schonungslose Analyse der desaströsen Wahlniederlage, keine Vorschläge für eine inhaltliche Erneuerung, keine Idee für die Zukunft. Die SPD muss auf Landes- und Bundesebene vor allem inhaltlich besser werden, damit es auch in den Landkreisen wieder besser werden kann", sagt der Bundestagsabgeordnete. Da könne sich auch ein Martin Güll die Hacken ablaufen, so viel er wolle. Solange die Partei im Landtag und Bundestag so schlecht abschneide, habe er keine Chance gegen den niederschmetternden Trend von oben. Schrodi bedauert, der einzig verbliebene überregionale Mandatsträger aus Dachau zu sein.

Er und andere Parteifunktionäre im Landkreis Dachau bemühen sich trotz der Wahlniederlage nach außen gute Stimmung zu demonstrieren. Das Ergebnis der Kreis-SPD lag bei nur 8.5 Prozent. "Kämpferisch und gut aufgestellt", seien die Mitglieder, sagt Schrodi. Sören Schneider, SPD-Chef in Dachau und Stadtrat, erklärt dazu: "Wir gehen mit Elan in die Europawahl. Wir sind motiviert und lassen uns nicht von der Landes- oder der Bundespolitik herunterziehen". Dass er die große Koalition, gegen die er im damaligen Mitgliederentscheid auch stimmte, eher als Bremse statt als Antrieb empfindet, sei bekannt. Marianne Klaffki bezeichnet die Wahl im kommenden Mai als "wichtige Weichenstellung". Die Sozialdemokratie müsse sich gegen des Populismus aus einem Teil der EU-Staaten behaupten. "Die EU ist mit 70 Jahren kriegsfreier Geschichte das größte Friedensprojekt. Damit dies so bleibt ist auch die SPD als Friedenspartei gefordert", sagt Klaffki. Die SPD, auch die im Landkreis Dachau, müsse zeigen, wozu sie in der Lage sei und was sie mache. Nur so könnten die Menschen erkennen, wo und wie sie sich politisch einbringen können. Besonders in die Pflicht genommen sieht sie hier die jungen Bürger: "Wir wollen mit ihnen Politik machen, nicht über sie."

Martin Güll sieht mit eher gedämpftem Optimismus auf die Kommunwahlen 2020. Die Partei müsse 70 Kandidaten aufstellen, das ist seinen Worten zufolge durchaus eine Herausforderung. Schneider ist sich, wie er sagt, jedoch sicher, diese problemlos aufstellen zu können. In jedem Fall werde dies im Frühjahr die erste Aufgabe des neuen Vorstandes sein. In zwei Kommunen stellt die SPD noch den Bürgermeister, in Vierkirchen und in der Großen Kreisstadt Dachau.

Die CSU, die 2014 das Dachauer Oberbürgermeisteramt an Florian Hartmann verlor, hat bereits einen Kandidaten aufgestellt: den 45-jährigen Stadtrat Peter Strauch.

© SZ vom 17.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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