Soli Dachau:Das Zerwürfnis

Lesezeit: 3 min

Wolfgang Moll liefert sich als Vorsitzender des Radsportclubs Soli Dachau eine Auseinandersetzung, die in tumultartigen Szenen eskaliert.

Von Benjamin Emonts, Dachau

"Ich habe fertig. Danke." Der Vorsitzende des Radsportclubs Soli Dachau, Wolfgang Moll, gibt den Trapattoni und zitiert dessen legendäre Wutrede. Was die Emotionen anbetrifft, steht er dem ehemaligen Bayern-Trainer an diesem Mittwochabend im Ludwig-Thoma-Haus in nichts nach. Moll trinkt ein Glas Wasser mit einem Schluck leer, zerbeißt wütend eine Zitrone, die er mit hinunterspült. Seinen Zorn hingegen kann er nicht herunterschlucken. Molls Kopf ist dunkelrot. Soeben hat der Soli-Vorsitzende nach heftigen Anfeindungen, außer sich vor Wut, seine Kandidatur vor der versammelten Belegschaft zurückgezogen. Es wird totenstill, alle blicken sich fassungslos an. Zehn Minuten später lässt sich Moll doch zur Kandidatur überreden. Die Vereinsmitglieder wählen ihn für drei weitere Jahre zu ihrem Vorsitzenden - mit 48 zu 21 Stimmen, bei sieben Enthaltungen. Molls Kopf ist nun nur noch dunkelrosa.

Zuvor haben sich bei dem zweitältesten, 411 Mitglieder zählenden Sportverein der Stadt tumultartige Szenen abgespielt. Im Mittelpunkt ein Vorsitzender und zugleich parteiloser Stadtrat, der im Sport als Macher und Berater gilt. Er wird auch als neuer Vorsitzender des zweitgrößten Dachauer Sportvereins gehandelt, des TSV Dachau 1865. Moll organisiert jedes Jahr das Bergkriterium in der Altstadt, ein deutschlandweit einzigartiges Radsportrennen auf Kopfsteinpflaster. Und dieser Mann rastet komplett aus. Er liefert sich mit Vertretern der Rennradsportabteilung hitzige Wortgefechte. Es wird geschrien, sich gegenseitig ins Wort gefallen, mit Anfeindungen und Beleidigungen um sich geworfen. Werner Schiller, der stellvertretende Vorsitzende der Radrennsportabteilung, setzt im Stehen, wild gestikulierend, zu einer Wutrede an. "Wolfgang, du hast dich in den letzten 20 Jahren leider ziemlich verändert", poltert er. "Früher konnte man noch mit dir diskutieren, aber heute entscheidest nur noch du, despotisch." Freddy Burkhart, Abteilungsleiter der Radrennsportabteilung, wirft Moll einen "selbstherrlichen" und "autoritären" Führungsstil vor. Schiller legt nach: "Die Abteilungsleiter werden ignoriert. Wir sind damit nicht zufrieden."

Soli-Vorsitzender Wolfgang Moll kann wegen der Kritik an seinem Führungsstil fast nicht mehr an sich halten. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Moll kontert: "Meine Familie und ich haben Enormes für den Verein geleistet. Zeit, Engagement, Geld, Herzblut." Er verwahrt sich gegen die Kritik: "Mir ist nicht eine Entscheidung bekannt, die ich despostisch oder nicht in Abstimmung mit den Abteilungsleitern getroffen hätte." Mehrmals unterbricht er die Beiträge seiner Kontrahenten: "Stimmt doch nicht." Oder: "Willst Du mich verarschen?"

Im Thoma-Haus ist ein lange schwelender Konflikt ausgebrochen: Er dreht sich im Kern um das sogenannte Jedermann-Team, das zur Radrennsportabteilung gehört. Moll hat der Mannschaft zu Jahresbeginn aus vereinspolitischen Gründen eigenmächtig die Zusammenarbeit aufgekündigt. Um den Entscheidungsprozess zu rechtfertigen, liest Moll nun E-Mails vor, die er mit den Abteilungsleitern gewechselt hatte. Die schütteln den Kopf. Burkhart: "Komm' lassen wir es sein."

Doch es geht nicht nur darum: Bereits am Nachmittag vor den Neuwahlen hatte Schiller eine Rund-Mail an die Soli-Mitglieder geschickt. Er wirft Moll darin vor, absichtlich auf Zeit gespielt zu haben, was eine weitere Kandidatur für die Soli betrifft. Die Süddeutsche Zeitung hatte am Mittwoch berichtet, dass sich Moll erneut für das Amt zur Verfügung stellen will und sich gleichzeitig für den Posten des Vorsitzenden beim TSV Dachau 1865 ins Spiel gebracht hat. Schiller schreibt also in der E-Mail: "Jetzt ist die Katze aus dem Sack. Vielleicht bleibt er ja auch nur solange Soli- Vorstand bis er das Amt bei 1865 sicher hat. Jetzt erfahren wir zwölf Stunden vor der Jahreshauptversammlung seine Strategie aus der Zeitung - das finde ich skandalös."

Der härteste Kritiker auf der Versammlung ist Werner Schiller aus der Radrennsportabteilung. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Wolfgang Molls Miene, der den Verein als sein "Lebenswerk" betrachtet, wird von Minute zu Minute finsterer. Schließlich, als es endlich zu den Neuwahlen kommt, sagt er staatstragend: "Leute, ich muss sagen, ich habe meine Entscheidung geändert. Die Falschdarstellungen, die niederträchtigen Beleidigungen kann ich nicht über mich ergehen lassen, nachdem ich immer versucht habe, Schaden vom Verein abzuhalten." Und dann gibt er den Trapattoni.

Moll stürmt, von seiner Frau verfolgt, aus dem Saal. Ehrenpräsident Hans Moser ruft eine fünfminütige Pause aus. Nach der Unterbrechung - es hat sich kein Ersatzkandidat gefunden - spricht ein Vereinsmitglied Moll unter lautem Beifall sein Vertrauen aus. Wahlleiter Moser sagt: "Ich finde, dass die Versammlung entscheiden sollte, ob sie Wolfgang wieder das Vertrauen aussprechen will. Wolfi, wenn du gewählt wirst, nimmst du dann an?" Nach einer weiteren Wuttirade ("unfassbare Unverfrorenheit") betont Moll, wie sehr ihm der Verein doch am Herzen liege und lenkt ein.

Nach seiner Wiederwahl treten die Abteilungsleiter der Radrennsportabteilung zurück. "Vielleicht gehe ich zu einem Radsportverein", sagt Schiller, seit 40 Jahren Vereinsmitglied, mit zittriger Stimme. Moll hat inzwischen ein Grinsen im Gesicht: "Ich werde dem Verein weiter dienen."

© SZ vom 08.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: