Slide-Gitarrist in Dachau:Wenn die Saiten singen

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"Ich verbinde gerne in meiner Musik die Welten": Der britische Musiker Martin Harley entlockt seiner Slide-Gitarre eine enorme Vielfalt von Tönen, Klängen und Melodien, die von Folk und Blues bis zu orientalischen Weisen reicht. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Vielschichtig, mitreißend und grundsympathisch: Zusammen mit Schlagzeuger Harry Harding liefert der Gitarrist Martin Harley den perfekten Auftakt zum Herbstprogramm des Tollhaus-Vereins im Café Gramsci. Nur der Wirt verpatzt das Konzert beinahe

Von Petra Neumaier, Dachau

Martin Harley ist mit seinen Slide-Gitarren unterwegs. Permanent und unermüdlich. Am Donnerstag noch in der Schweiz, am Freitag bereits in Deutschland, am kommenden Wochenende in Portugal, dann den ganzen Oktober in Großbritannien, anschließend wieder ein bisschen Schweiz, ganz viel Deutschland, erneut Portugal und Irland ... Und überall ist er stimmlich und mit seinen beiden Akustik-Gitarren zu Hause: Soul, Jazz, Rock, Blues. Mal schweben die Töne zart wie eine Feder durch den Raum, um im nächsten Moment die Wände beben zu lassen. Das Publikum geht jede Note mit, gebannt, was da kommt, begeistert von dem, was der 44-jährige Musiker aus England zusammen mit dem Schlagzeuger Harry Harding auf die winzige Bühne im Café Gramsci bringt. Der Auftakt zum Herbstprogramm des "Tollhaus Dachau" hätte jedenfalls nicht besser sein können.

Sicherlich lag das auch an der Persönlichkeit des Musikers. Obwohl seit 2003 weltweit unterwegs - auf großen Festivals und kleinen Bühnen, allein oder zusammen mit den Größen der Musikszene - liegen Martin Harley Allüren so fern wie die Erde der Sonne. In einer sympathischen und nicht aufdringlichen Art wirkt er - obwohl zum ersten Mal in Dachau - dem Publikum vertraut. Ganz natürlich entsteht in dem schummrig beleuchteten Café ein Dialog mit den Zuhörern. Die Fragen stellen, ein bisschen frotzeln und die sogar beim Stimmen der Instrumente im Chor mitsummen.

Die beiden Engländer sind erst ein bisschen überrascht, dann amüsiert und schließlich begeistert. "Wir kommen wieder", wird Martin Harley am Schluss sagen. Und das trotz des "disgusting" Eierlikörs, den Wirt Christian Salvermoser den Künstlern des Öfteren theatralisch kredenzt nebst anderen Alkoholika, deren es sicher nicht bedurft hätte. Als er eine der hochprozentigen Gaben auf einem Teller entzündet, schüttete er sich das brennende Gemisch versehentlich selbst über die Hand und hätte so beinahe sich selbst und die Bühne in Brand gesetzt.

Das hätte es nicht gebraucht. Feuer haben die beiden Musiker nämlich auch ohne das Zutun des Wirtes genug auf der Bühne. Stimmlich und instrumental. Martin Harley beherrscht seine zierliche silberne Akustik-Gitarre genauso, wie die fast klobig wirkende Slide-Gitarre, die er wie eine Zither auf den Schoß legt und ihr Melodien vom Orient bis zum Okzident entlockt: "Ich verbinde gerne in meiner Musik die Welten", erklärt er.

Die Zither ist das erste Instrument, an das sich Martin Harley erinnern kann. Die Töne, die der menschlichen Stimme ähneln können, faszinieren ihn. Doch erst mit 15 oder 16 Jahren bringt er sich selbst das Gitarrespielen bei. Sein Wunsch, mit der Musik sein Geld zu verdienen, stößt bei seinen Eltern nicht gerade auf Begeisterung. Darum dauert es wohl auch noch bis zum Jahr 2003, bis der begabte Musiker sein Hobby zum Beruf macht. Dazwischen liegen Jahre, die ihn um den Globus führen. Ein Jahr lang lebte der Engländer in einem Auto in Australien (hier lernte er auch die Slide-Gitarre zu spielen); schweigend verbrachte er ein paar Wochen in einem Kloster in Thailand. Mit einem alten Motorrad fuhr er durch Nepal und spielte auf fast 5500 Metern Höhe ein Konzert, um Geld für benachteiligte Kinder zu sammeln. Hier wie auf langen Tourneen durch die USA lehrte und lernte er - ein Geben und Nehmen unterschiedlicher Musikstile, die er in seiner Musik und mit seinem Instrument vereint und festhält.

Mit der Geburt seiner beiden Töchter (jetzt drei und fünf Jahre alt) zieht Martin Harley den Kreis seiner Auftritte enger um seinen Wohnort herum, ein kleines Dorf nördlich von London, wo die junge Familie zu Hause ist. Auch aus diesem Grund ist der Gitarrist jetzt häufiger in Europa und vor allem in Deutschland zu hören. Seit einem Jahr wird er begleitet von dem 32-jährigen Drummer Harry Harding, der sich als Multi-Instrumentalist, Produzent, Sänger und Songwriter ebenfalls schon einen beachtlichen Namen in der Musikszene gemacht hat. Und außerdem genauso sympathisch ist wie Martin Harley.

Obwohl noch nicht lange zusammen, bilden die beiden schon eine perfekte Einheit. Punktgenau sind die Einsätze und exakt passen sich die beiden mühelos ihren ständig wechselnden Rhythmen an. So bleibt denn auch kein Blues wirklich lange ein depressiv-trauriges Jammerlied, finden auch enthusiastischer Swing und Jazz ihre Ruhepunkte. Langeweile kommt bei diesem Konzert nicht eine Minute auf. Waren es drei oder vier Zugaben, die sie zum Schluss noch geben müssen? Einerlei. Was zählt ist, dass sie wiederkommen wollen. Und das hoffentlich recht bald.

© SZ vom 23.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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