Skandinavisches Feuer:Fast unheimliche Intensität

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Cellistin Soo-Kyung Hong, ihre Schwester Soo-Jin Hong und Jens Elvekjaer sind das Trio con Brio. (Foto: OH)

Das Trio con Brio begeistert im Schloss mit Tiefe und Sensibilität

Von Adolf Karl Gottwald, Dachau

Nomen est omen, hat man als Lateinschüler gelernt, dazu Beispiele, in welchen der Name bereits Vorbedeutung hatte und entsprechende Erwartungen auslöste. Beim Trio con Brio Copenhagen kann man das wohl nicht sagen. Welche Erwartungen lösen die Namen dieses Klaviertrios - Soo-Jin Hong, Violine, Soo-Kyung Hong, Violoncello und Jens Elvekjaer, Klavier - aus? Eigentlich gar keine, und Kopenhagen zählt gewiss nicht zu den ersten Musikstädten Europas. Aber das Konzert dieses Trios, mit dem die "Dachauer Schlosskonzerte" in ein neues Jahr eintraten, war grandios und tief beeindruckend.

Woher haben diese zwei jungen Künstlerinnen an den Streichinstrumenten Violine und Violoncello und vor allem der bewundernswürdige Pianist ihr Können und ihre Tiefe der Empfindung und des Ausdrucks, wo wurde ihre gewiss profunde Musikalität zu der Höhe geführt, auf der sie jetzt im Festsaal des Dachauer Schlosses leuchtete? Welche reiche und tiefe Tradition steht hinter ihrem überragenden, man darf sagen herzbewegenden Musizieren? Vielleicht sagt es ein kleiner Satz in der Ankündigung ihres Konzerts: "Gegründet wurde das Klaviertrio 1999 an der Wiener Musikhochschule." Zehrt diese Stadt und darin nicht zuletzt ihre Musikhochschule noch heute von dem Geist der Großen, die sie zur Weltstadt der Musik gemacht haben, also der Wiener Klassiker Haydn, Mozart und Beethoven, dazu Franz Schubert, Johann Strauß und Johannes Brahms und die vielen, die, wie Beethoven und Brahms ihre größten Werke von Wien angeregt schaffen konnten? Ein Katalog von Fragen, aus dem man aber bereits herauslesen kann, dass dieses Eröffnungskonzert der Jahresreihe 2019 der Dachauer Schlosskonzerte in seiner Großartigkeit ein außergewöhnliches war.

Bereits der Beginn ließ aufhorchen. Das Trio con Brio Copenhagen spielte ein Klaviertrio von Joseph Haydn, aber nicht das berühmte G-Dur-Trio mit dem Rondo all'Ungarese, das jedes Klaviertrio spielt, auch nicht das C-Dur-Trio, das unter den rund 40 Klaviertrios von Haydn allenfalls auch noch berücksichtigt wird. Beim Dachauer Schlosskonzert bekam man Joseph Haydns Trio in E-dur zu hören, das nur den ausgewiesenen Kennern von Haydns Kammermusik als eines seiner unerreichten Meisterwerke geläufig ist. Alle großen Musiker wissen: Haydn ist schwer und sagen das auch. Nur die kleinen meinen, das sei Musik für Schüler. Das Trio con Brio spielte diese Musik mit größter Sorgfalt, sozusagen mit Hochachtung. Das war von den ersten, übrigens ausgesprochen raffiniert komponierten Takten an zu spüren. Der zweite Satz überraschte mit einem sehr langen Klaviersolo, in das erst in den letzten Takten die Streicher einstimmen. Auch hier war im Musizieren zu erkennen, was ein bedeutender Haydn-Kenner darüber sagte: "Der Satz darf als ein Musterbeispiel für den enormen Ausdrucksspielraum und Formenreichtum der späten Klaviertrios Haydns gelten."

Beim folgenden Trio für Klavier, Violine und Violoncello von Dmitri Schostakowitsch wurde das unerhört ausdrucksvolle Musizieren, seine Intensität fast unheimlich. Dieses Klaviertrio von Schostakowitsch wird als "dankbares" Stück gemäßigt moderner Musik oft gespielt. Was diese Musik in Wirklichkeit bedeutet, erfuhr man in Dachau, als es hier vor vielen Jahren das Tel Aviv Trio spielte. Der Pianist erklärte, die meisten Themen seien jüdische Lieder, auch Kinderlieder, die für das unermessliche Leid des Jahres 1944 im Krieg und auch in den Konzentrationslagern stehen. Das Trio con Brio Copenhagen ist seit dem Auftreten des jüdischen Trios aus Tel Aviv das erste Ensemble das die entsetzliche Botschaft dieser Musik von Schostakowitsch voll erfasst und in erschütternd bewegender Weise zum Klingen gebracht hat. Das Publikum im Dachauer Schloss reagierte auf diese zutiefst berührende Musik in schier beklemmender Darbietung mit einer Schweigeminute - bis der Beifall befreiend und anhaltend ausbrach. Woher hat dieses junge Ensemble das Wissen und die Tradition, die hinter ihrem unerhört emotionalen Musizieren steckt?

Nach diesem Schostakowitsch des Jahres 1944 war das "Erzherzog-Trio" von Beethoven geradezu eine Erholung, ein aufatmen. Das Trio spielte Beethoven aber auch absolut leicht und locker, sodass man Beethovens sehr rare Heiterkeit und im letzten Satz seinen derben Humor gut heraushören konnte. So erlebt man dieses beglückende Trio als absolut "con brio". Also doch: "Nomen est omen". Die Zugabe, ein Satz aus dem "Dumky-Trio" von Dvořák war ein Kabinettstück allerfeinsten Musizierens.

© SZ vom 28.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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