Siedlung:"Ein atypischer Fall"

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Die Siedlung Am Burgfrieden gehört seit 1999 zur Gemeinde Karlsfeld. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Karlsfeld will die Schwarzbauten Am Burgfrieden legalisieren. Angesichts dessen will das Bündnis die Eigentümer im Sinne der Sozialgerechten Bodennutzung zur Kasse bitten. Doch der Gemeinderat lehnt das mehrheitlich ab

Von Christiane Bracht, Karlsfeld

Die Hausbesitzer Am Burgfrieden können aufatmen: Sie werden nicht zur Kasse gebeten, um Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen mitzufinanzieren. Und im Falle eines Neubaus müssen sie auch keine Flächen für geförderten Wohnungsbau bereitstellen. Das hat der Gemeinderat jetzt mehrheitlich beschlossen.

Angesichts des extrem raschen Bevölkerungswachstums hatten die Karlsfelder Kommunalpolitiker im Februar vergangenen Jahres die Sozialgerechte Bodennutzung (Sobon) beschlossen. Es war wie ein Befreiungsschlag. Denn die Gemeinde kann die vielen Einrichtungen, die durch den Zuzug von Familien nötig werden, nicht mehr schultern, so hoch ist die finanzielle Belastung. Im Gemeinderat ist die Angst vor einem stetig wachsenden Schuldenberg groß. Klar ist: Die Gewerbesteuereinnahmen reichen bei weitem nicht mehr aus, um die nötigen Projekte zu realisieren und die Rücklagen sind praktisch aufgebraucht. Diejenigen, die vom Baurecht in Karlsfeld profitieren, sollen deshalb auch für Planungs- und Folgekosten zur Kasse gebeten werden, so die Idee, die hinter der Sobon steckt.

Die Schwarzbausiedlung Am Burgfrieden ist nun eines der erste Projekte, bei dem die Anwendung der Sobon diskutiert wurde. "Es darf keinen Präzedenzfall geben", warnte Birgit Piroué (Bündnis für Karlsfeld). Sonst hebele die Gemeinde ihre eigene Richtlinie gleich beim ersten Fall aus. Das Bündnis beantragte, dass die Grundeigentümer, wenn sie ihren Bestand vergrößern wollen und damit zusätzliches Baurecht in Anspruch nehmen, im Sinne der Sobon zur Kasse gebeten werden. Dies sollte im Rahmen städtebaulicher Verträge mit den Eigentümern festgelegt werden.

"Es ist ein atypischer Fall", erklärte indes Rechtsanwalt Mathias Reitberger in der Sitzung. Er riet von der Anwendung der Richtlinie ab. Die Sobon sei eher für große Areale gedacht, die ein Investor überplane und später gewinnbringend für horrende Summen vermarkte. Er soll nicht nur den Reibach machen und die Gemeinschaft anschließend auf den Folgekosten sitzen lassen. Am Burgfrieden liegt der Fall jedoch anders. Die Siedlung wurde bereits nach dem Krieg errichtet - schwarz, wie es damals an vielen Orten üblich war. Ursprünglich gehörte sie zu München. Doch 1999 wurden die zehn Grundstücke Karlsfeld zugeschlagen. Bereits 2003 wollte man den städtebaulichen Missstand beseitigen und beschloss, einen Bebauungsplan aufzustellen. Dabei ging es vor allem um die Legalisierung der Bauten. Zehn Jahre später wünschten sich die Anwohner, die zum Teil recht große Grundstücke hatten, ihre Häuser weiter ausbauen zu können. "Damals gab es die Sozialgerechte Bodennutzung noch nicht", erinnerte die stellvertretende Bauamtsleiterin Simone Hotzan.

Man plante weiter, überlegte wie man den Eigentümern entgegenkommen könnte. Nun sollen die Hälfte der Grundeigentümer ein zusätzliches Baurecht von etwas weniger als 80 Quadratmetern bekommen, die anderen dürfen sogar noch zusätzlich 160 bis 310 Quadratmeter bebauen. "Das ist eine Baurechtsmehrung von 1381 Quadratmetern", rechnete Venera Sansone (SPD) schnell zusammen. "Also mehr als 500 Quadratmeter." Dies ist die magische Grenze ab der die Sobon Anwendung finden sollte. "Ein Wertzuwachs, an dem die Gemeinde partizipieren sollte", befand Bernd Rath (Bündnis für Karlsfeld). Zumal einige der Eigentümer ihre Grundstücke veräußern wollten. Auf einer Immobilienplattform im Internet ist bereits eines davon angeboten worden, berichtete Adrian Heim (Bündnis). "Es ist bereits ein Entgegenkommen, wenn wir als Gemeinde erst dann einen fairen finanziellen Beitrag verlangen, wenn die Eigentümer das Baurecht in Anspruch nehmen. Schließlich haben sie einen Vorteil", sagte Heim.

Nach Ansicht von Reitberger liege der Fokus des Bebauungsplans auf der Legalisierung des Bestands und der Steuerung des vorhandenen Baurechts. Deshalb plädierte er dafür, die Sobon nicht anzuwenden. Doch Rath hielt dem entgegen, dass es sich um Bauten im Außenbereich handle, für die es kein zusätzliches Baurecht gebe. Im übrigen seien es Schwarzbauten, die nur über den Bestandsschutz eine Berechtigung hätten. "Bei der Baurechtsmehrung ging es vor allem darum, die Baulinien zu korrigieren", argumentierte indes Wolfgang Offenbeck (CSU).

Piroué monierte, dass die Eigentümer ja nicht einmal die Kosten für den Bauleitplan übernehmen. Die Gemeinde muss diese jedoch auch nicht tragen, so Hotzan. München hatte seinerzeit einen größeren Betrag an Karlsfeld überwiesen, damit man "geordnete Zustände" schaffen konnte. Gegen die Stimmen von SPD und Bündnis wurde der Antrag mit 15 zu acht abgelehnt.

© SZ vom 07.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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