Serie: Dachauer Oasen, Teil 9:Wohnzimmer im Freien

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Der Innenhofgarten von Gästeführerin Anni Härtl ist ein verstecktes Refugium mitten in der Dachauer Altstadt. In ihrem kleinen Reich mit Springbrunnen und Veranda herrscht ein besonderes Klima, in dem auch exotische Pflanzen gedeihen

Von Robert Stocker, Dachau

Es sind oft die kleinen Oasen in einer Stadt, die voller Überraschungen stecken. Täglich gehen Hunderte Menschen daran vorbei, ohne von diesen Schmuckstücken Notiz zu nehmen. Kein Wunder: Passanten können diese Idyllen nicht sehen, weil sie mitten in der Stadt im Verborgenen liegen. Häuser und Mauern umgeben sie, die Grundstücke und ihre Besitzer sind abgeschottet.

Das gilt normalerweise auch für den Innenhofgarten von Anni Härtl, deren Anwesen sich in der Pfarrstraße 10 in der Dachauer Altstadt befindet. Derzeit hat ihr Innenhof allerdings eine offene Flanke. Die Mauer an der Ostseite ist verschwunden, und mit ihr das gesamte Nachbarhaus. Wo sich früher das ehemalige Rössler-Anwesen befand, entstehen jetzt Wohnungen und Geschäftsräume. Wenn Anni Härtl in ihrem Garten sitzt, grüßen oft Bauarbeiter herüber. Und natürlich wird ihr Refugium derzeit auch von Baulärm beschallt. Die Lücke eröffnet der Dachauer Gästeführerin aber einen ganz neuen Blick. Von ihrem Innenhof aus kann sie jetzt viele Nachbargebäude sehen. "Die Menschen in den Häusern rücken näher", sagt sie.

Auch die Pflanzen in ihrem Innenhof sind Anni Härtl ganz nah. Der kleine, aber feine Garten ist ein überschaubares Reich. "Ich hüte hier 73 Quadratmeter", sagt die Besitzerin augenzwinkernd. Doch der mit roten Klinkersteinen gepflasterte Innenhof birgt manch schönes Stück. Im Zentrum liegt ein verspielter Springbrunnen in geschwungener Form. Den Hohlraum für das Becken haben Anni Härtl und ihr Mann selbst ausgehoben, weil sie wegen der Lage des Innenhofs keinen Bagger einsetzen konnten. "Mein Mann hat sich den Brunnen zum 50. Geburtstag gewünscht", erinnert sich Härtl. Das Karree ist von Blumenbeeten und Bäumen eingefasst, an der Ostseite laden ein Eisentisch und zwei Stühle in englischem Stil zum Sitzen ein. Der Innenhof, sagt die Gästeführerin, habe seit jeher zum Haus gehört. Früher habe sich dort wie in vielen anderen Dachauer Innenhöfen eine Versitzgrube befunden. Eine Etage höher liegt eine große Veranda, die ebenfalls mit hübschem Mobiliar bestückt ist. Von diesem Platz aus betrachtet Anni Härtl ihren Garten am liebsten. Aus der Vogelperspektive hat sie einen guten Überblick. "Früher wurde hier noch die Wäsche getrocknet", sagt sie.

Die Verwandlung des Innenhofs in einen von Mauern geschützten Garten ging langsam voran. Die Beete am Rand der gepflasterten Fläche hat Anni Härtl vorwiegend mit heimischen Pflanzen bestückt, Hortensien und Anemonen leuchten rosa. Aber auch exotische Pflanzen sind hier zu finden. In zwei Kübeln wachsen Exemplare der afrikanischen Schmucklilie Agapanthus. Sie haben dichte Blütenbälle. Besonders stolz ist die Gartenbesitzerin auf den Azoren-Ingwer, der gerade filigrane, gelbe Blüten trägt. Sohn Dominik brachte Sprossen der Pflanze aus einem Urlaub mit. Zuhause bei ihm kümmerten sie vor sich hin. Dann übernahm die Mutter die Pflege. In ihrem Garten entwickelte sich der Azoren-Ingwer dann prächtig. Der Innenhof speichert die Wärme bei Sonnenschein. "Er hat ein besonderes Raumklima", erklärt Anni Härtl.

Ansonsten sei es mit der Exotik in ihrem Garten nicht so weit her. Die Gästeführerin setzt auf Pflanzen, die nicht so pflegeintensiv intensiv sind. Wie etwa einen Kirschlorbeerbaum, "den größten, den es in Dachau gibt". Im Beet wachsen auch ein roter Ahorn und eine Zaubernuss, die ein wunderbares, gelbes Herbstlaub hat. Ein Geißblatt rankt sich zur Veranda hinauf, daneben steht ein mannshoher Stock der Rose Queen Elizabeth, zwei Meter weiter eine Duftrose, die Anni Härtl besonders liebt. Der Hopfen, den sie an der Ostseite eingepflanzt hat, kann heuer nicht gut in die Höhe ranken, weil die Mauer des Rössler-Anwesens verschwunden ist. Vor drei Jahren hat Anni Härtl auch einen Weinstock gepflanzt, den sie von einem Bekannten bekommen hat. Die "Aichacher Mönchsrebe" zeichnet sich durch besondere Trauben aus. Sie sind so klein wie schwarze Johannisbeeren und schmecken auch ähnlich. Der Weinstock wächst teilweise zum Nachbarn hinüber. "Jeder erntet", sagt Anni Härtl lächelnd.

Seit das ehemalige Rössler-Anwesen eine große Baustelle ist, haben auch weiter entfernte Nachbarn Einblick in Anni Härtls Innenhof. Die Besitzerin kann damit leben. Manchmal winkt sie den Menschen zu, die sie als alteingesessene Dachauerin alle gut kennt. In der Altstadt gebe es viele Innenhöfe mit schönen Gärten, sagt sie. Deshalb bietet Anni Härtl eine Führung zu diesen versteckten Schmuckstücken an. Beim "Kleinen Abendspaziergang mit Hinterhofmusik" können Teilnehmer auch den Garten der Gästeführerin inspizieren. Derzeit gehört er allerdings nicht zur Tour. Die Baustelle von nebenan lässt grüßen.

© SZ vom 05.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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