Serie "Dachauer Oasen", Teil 14 und Schluss:Idylle unterm Apfelbaum

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Als Mieter der alten Mitterndorfer Schule pflegen Birgit und Georg Hölzlwimmer den benachbarten 8 000 Quadratmeter großen Garten mit viel Aufwand, auch seltene Obstsorten kultivieren sie dort. Ein Teil des Areals muss allerdings bald Bauprojekten der Stadt weichen

Von Thomas Altvater, Dachau

Wie ruhige Bewacher stehen sie da. Mit ihren dünnen grünen Armen tasten sie nach jedem Besucher, als wollten sie ihn auf das Areal aufmerksam machen, das man nun betritt. Die hüfthoch blühenden Steckrosen, Löwenmäulchen und Cosmeen sprießen aus den Lücken zwischen den Bodenplatten hervor und flankieren den Weg, der in den Garten von Birgit und Georg Hölzlwimmer führt. Als Mieter der alten Mitterndorfer Schule pflegen sie den großen Garten, der das Gebäude sowie die frühere Griechische Schule umgibt und der öffentlich zugänglich ist. Der Garten, der in diesem Jahr von der Abteilung Stadtgrün prämiert wurde, ist Eigentum der Stadt - und wird so schon bald nicht mehr zu sehen sein.

Die Blumen im Eingangsbereich sind hellblau, rosa, einige auch violett. Etwas weiter hinten dominiert die Farbe Orange. Der Garten ist ein Zusammenspiel aus vielen verschiedenen Farbtönen, darauf legt Birgit Hölzlwimmer besonderen Wert. "Mir geht es um die Vielfalt", erklärt sie. Gerade im Sommer sind die bunten Blumen nicht nur zu sehen, sondern auch zu hören. Um sie herum entwickelt sich dann nämlich ein eigener kleiner Kosmos, wenn Bienen und Schmetterlinge an den Pflanzen entlang schwirren. Denn Hölzlwimmer will den Insekten einen eigenen Platz geben. "Und sie sollen auch ein bisschen eine Auswahl haben", sagt sie.

Insgesamt 8 000 Quadratmeter misst das Gartenareal. Bis vor wenigen Jahren lernten, lasen und spielten hier noch Kinder. Heute ist das angrenzende Gebäude der früheren Griechischen Schule verwaist. Seit die Stadt den Mietvertrag mit der Schule nicht mehr verlängert hat, ist es hier merklich ruhiger geworden. Die alte Mitterndorfer Grundschule, in der auch Birgit und Georg Hölzlwimmer wohnen, wurde in den vergangenen Jahren teilweise zur Obdachenlosenunterkunft umfunktioniert. Während die Griechische Schule schon bald abgerissen wird, bleibt das alte Grundschulgebäude stehen.

Auch der Stadel, der die Mitte des Gartens markiert, wird dann vermutlich abgerissen. Türkises Gartenwerkzeug hängt an der Holzfassade, ein Blechschild zeigt die verschiedenen Gemüsesorten, während orangefarbene Blumen die Außenwand emporklettern. An vielen Stellen sieht es so aus, als würde sich die Natur den Garten mit aller Kraft wieder zurückholen wollen. Tatsächlich wirkt hier vieles ungeordnet und wild. Doch das ist Absicht, Hölzlwimmer will den Pflanzen ausreichend Raum zum Wachsen geben und die Natur dort zulassen, wo sie den Garten schöner macht. "Es ist toll, wenn man sieht, wie vieles von selbst wächst." Trotzdem passe sie auf, dass nichts überwuchert. "Der Garten soll nicht so geschleckt, aber auch nicht wie ein Dschungel aussehen", erklärt Birgit Hölzlwimmer. Vor elf Jahren, als sie einzog, sah es noch aus wie in der Wildnis.

Gemeinsam mit ihrem Mann hat sie in den vergangenen Jahren viel Zeit in den Garten investiert. Was früher ein Ausgleich zum Berufsleben war, ist für die beiden Rentner heute nahezu zur Hauptbeschäftigung geworden. "Sie kann keine 20 Minuten sitzen, ohne irgendetwas umzupflanzen", erzählt der 65-Jährige über die Leidenschaft seiner Frau. Auch er hilft mit bei den "groben Arbeiten", wie Birgit Hölzlwimmer sagt. Gerade erst erweiterte sie ein Blumenbeet um mehrere Zentimeter. An anderer Stelle stellte das Ehepaar einen kleinen Zaun auf, der das Gelände in zwei Hälften teilt. "Das soll mich davon abhalten, hier alles zu pflegen."

Die Ideen gehen ihr nie aus. Immer wieder probiert die Rentnerin etwas Neues oder experimentiert mit der Gestaltung des Geländes. "So ein Garten ist eben nie fertig", sagt sie. Vor drei Jahren pflanzte sie in einem abgegrenzten Bereich neue Obstbäume - Birnen und Zwetschgen. Heuer haben die Stauden zum ersten Mal Früchte getragen. Äpfel gibt es hingegen schon immer viele. Und die verschenkt Hölzlwimmer dann an die Nachbarschaft: "Ich stelle einen vollen Korb raus auf die Straße, der ist dann immer relativ schnell leer", erzählt sie. Zuletzt versuchte die 62-Jährige, einen Apfelbaum zu veredeln, genauer gesagt aufzupropfen, wie es in der Fachsprache heißt. Seltene Apfelsorten können so in gewisser Weise erhalten werden.

Das ist auch das Ziel der Rentnerin. Auf dem Gelände sollen schon bald eine Kinderkrippe sowie 23 Wohnungen gebaut werden. Noch sich hat der Stadtrat nicht endgültig über den Bebauungsplan geeinigt. Ein großer Teil des Gartens wird zwar erhalten bleiben: "Es ist aber schon sehr sicher, dass dann ein besonders alter und seltener Apfelbaum weg müsste", erklärt Hölzlwimmer. Durch das Veredeln will sie diese alte Sorte erhalten.

Dabei ist der Garten nicht nur für die vielen Insekten ein wertvoller Lebensraum. Auch ein Igel, ein Eichhörnchen und ein Specht sind Teil des Lebens im Garten. Eine kleine Tonschildkröte leistet den Tieren ständig Gesellschaft. Sie verbirgt sich zwischen Blumen und Sträuchern, ihr sanftes Rot scheint hinter einem Dickicht hervor. An einem vermoderten Baumstumpf lehnt eine rote Maske, die auch aus Ton ist. Davon etwas weiter entfernt, an der gelben Hauswand hängen Schilder längst vergessener Marken und mit alten Logos. Es sind Details wie diese, die den Garten des Ehepaars so besonders machen: "Wir sind eben auch ein bisschen Nostalgiker", erklärt die 62-Jährige. Für sie ist der Garten ein zweites Wohnzimmer, auch aufgrund der vielen versteckten Sitzgelegenheiten. Mal überspannt ein grünes Sonnensegel eine Bank, mal verdeckt eine Wand aus Blumen mehrere Gartenstühle. Nur ein großer Pavillon aus Holz im vorderen Teil des Gartens sticht heraus. Auch wenn das Areal so groß ist, für Hölzlwimmer gibt es noch immer zu wenig Platz, um etwas anzupflanzen. An der Hauswand stehen deshalb viele unterschiedlich große, aber farblich identische Blumenkübel Spalier. Mal bepflanzt mit Erdbeeren, mal mit Salat. Auch Zucchinis, Tomaten, Gurken oder Trauben hat sie angebaut. Der Ertrag lohne sich - umgerechnet auf die Arbeitsstunden - zwar nicht wirklich, sagt sie: "Doch es geht ja um den Spaß, den uns das Garteln macht."

© SZ vom 11.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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