Serie "Dachauer Oasen":Die Äpfel des Kurfürsten

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Im Dachauer Schlossgarten wachsen nicht nur prächtige Blumen, sondern auch hunderte Obstbäume. Die Früchte der alten Sorten sind sehr beliebt

Von Dorothea Friedrich, Dachau

Der Dachauer Schlossgarten kann mit seiner Blumenpracht glänzen. (Foto: Toni Heigl)

Plopp, plopp, plopp. Genau darauf haben etliche Menschen seit Wochen gewartet, nicht auf den lang ersehnten Regen, sondern darauf, dass im Dachauer Hofgarten endlich die Apfelernte beginnt. Die ist nun in vollem Gange - wie allerorten zwei Wochen früher als üblich. Doch hier läuft alles ein bisschen anders ab als auf sonstigen Obstplantagen. Schließlich hegen und pflegen Schlossverwalter Stephan Müller und sein Team etwa 500 Obstbäume mit 54 alten Apfelsorten, dazu etliche Birnensorten sowie blaue Trauben und Pfirsiche am Spalier. Die Apfelsorten tragen so hübsche Namen wie Rheinischer Krummstiel, Berner Rosen oder Horneburger Pfannkuchenapfel, James Grive oder Winterhimbeer, Champagnerrenette oder Zabergäu.

Zu fast jeder Sorte weiß Müller eine Geschichte zu erzählen. "Am guten Standort wird der Pfannkuchenapfel riesig. Wir haben mal einen einzigen Apfel mit 860 Gramm Gewicht geerntet", berichtet er. Sein besonderer Stolz ist der Winterhimbeerapfel. "Den gibt es kaum noch", sagt er. "Deshalb hat sich die Uni Weihenstephan bei uns einen Edelreiser für die Kultivierung geholt". Auf die Berner Rosen allerdings müssen die Schlossgärtner mittlerweile verzichten, weil die Apfelsorte allzu anfällig für Feuerbrand ist. Dieser wiederum ist in Dachau eine echte Plage. Die Berner Rosen sind der Auslöser für einen kleinen Auffrischungskurs in Sachen Botanik. Wer - außer Kennern - weiß schon aus dem Effeff, dass Äpfel, Birnen und die in der Hitze etwas ermattet vor sich hin blühenden Rosen der gleichen Pflanzenfamilie Rosaceae - Rosengewächse - angehören? "So gesehen, haben wir hier eine ziemliche Monokultur", lacht Müller. Das stimmt natürlich nur sehr bedingt. Rund 4500 Frühjahrsblüher und 6000 Sommerblumen zieht das Hofgarten-Team alljährlich aus Sämlingen heran, pflanzen sie aus und pflegen sie. Dazu kommen noch Stauden, Sträucher, Hecken und Bäume auf dem rund 8,2 Hektar großen Areal. Alle Bäume werden einmal pro Jahr und alle Spaliere zweimal pro Jahr in Form gebracht. Alleine für den alljährlichen Schnitt des Laubengangs benötigen die Gärtner drei Wochen. Weil an dem einen oder anderen Baum naturgemäß der Zahn der Zeit nagt, gibt es zudem regelmäßige Kontrollgänge.

"Hallo", scheint dieser Bewohner des Schlossgartens zu sagen. Die Schafe halten das Gras niedrig.

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(Foto: Toni Heigl)

Durch die dicken Mauern dient der Keller als natürlicher Kühlraum.

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(Foto: Toni Heigl)

Schlossverwalter Stephan Müller ist besonders auf die alten Apfelsorten stolz. Die Früchte werden im Keller gelagert.

Doch zurück zur Apfelernte und zu der Frage, warum die Obstwiese überhaupt existiert. Das sei der Tradition, aber vor allem dem Gartenkünstler Friedrich Ludwig von Sckell (1750-1823) zu danken, sagt Müller. Sckell, der auch den Englischen Garten in München geplant hat, machte aus der arg in die Jahre gekommenen barocken Anlage auf Befehl seines Dienstherrn, Kurfürst Max IV. Joseph, von 1802 an einen eher alltagstauglichen Garten, in dem er Obstbäume in gerader Reihe auf die Wiesen pflanzen ließ (siehe Kasten). Sckell, so erfährt man vom jetzigen Herrn der Obstbäume, sei auch "der Erfinder der Hangpflege am Schloss" gewesen. Der Hofgärtenintendant des Kurfürsten habe die arbeitsaufwendigen steilen Abhänge in regelmäßigen Abständen "auf Stock schneiden lassen", das sei "praktisch und wirtschaftlich" gewesen.

Wie die kurfürstliche Küche seinerzeit die Obsternte verarbeitet hat, findet sich vermutlich in irgendwelchen Archiven. Heutzutage verkaufen die Hofgärtner Äpfel, Birnen und Co. zu moderaten Preisen. "Unser Obst ist schon sehr beliebt", sagt Müller. Nicht nur, weil die alten Sorten einfach besser schmecken als supermarkt-kompatible Modezüchtungen. Sie sind auch unbehandelt - und liegen damit voll im Gesundheitstrend. Was nicht gleich nach der Ernte verkauft wird, lagert in riesigen Kellergewölben unter dem kürzlich nach historischen Plänen wiederhergestellten rechtwinkligen Wegeverlauf am Ende des Hofgartens - und hält sich dort ganz ohne Hilfsmittel und künstliche Kühlung von der Ernte bis in den darauf folgenden Sommer.

Der Hofgarten macht allerdings nur etwa ein Viertel der Fläche aus, die unter der Obhut Müllers und seiner Crew stehen. Den weitaus größten Teil nimmt der sogenannte englische Garten ein. Hier haben die Schlossgärtner seit einiger Zeit tierische Verstärkung bekommen. Eine kleine Schafherde nimmt ihnen auf einer eingezäunten Wiese die Mäharbeit ab. Mag sein, dass Müller etwas höher gewachsene Viecher gerade recht kämen, um einen lang gehegten Traum zu erfüllen: freier Blick auf München auch vom englischen Garten aus. Dem stehen riesige Bäume und Gehölze nämlich im Weg. Noch einen Traum hat Müller: Er würde so gerne die Wasserspiele wiederbeleben, die einst mit fürs Naturfeeling gesorgt hatten. "Es wäre doch spannend, das auch noch mit den damaligen technischen Mitteln zu machen", sinniert er - und lässt sich von einem echten Naturdenkmal ablenken, einem armdicken Efeu, der sich Erde und Himmelsblick in friedlicher Koexistenz mit seinem Nachbarbaum teilt. Wenn schon träumen, dann richtig. Was ist mit den längst entschwundenen Schaukeln, der Kegelbahn und allem anderen kurfürstlichen Spielzeug? Müller zuckt die Schultern. Das alles wird wohl kein Revival erleben, meint er und führt zum Bienenstand. Den gibt es seit einigen Jahren - und Schlosshonig gibt es in der städtischen Touristinformation. Zurück im Hofgarten macht es wieder plopp, plopp, plopp. Höchste Zeit, sich mit Äpfeln einzudecken, denn die Birnen sind noch ein wenig hart. Doch die Köstliche aus Charneux steht schon auf der Einkaufsliste.

© SZ vom 01.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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