Seniorenarbeit:Graffiti aus Wolle

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Straßenstrickerin Heide Schmetzer verhüllt mit ihren Werken das Geländer der Karlsbergbrücke. (Foto: Toni Heigl)

Die Straßenstrickerinnen des Dachauer BRK wollen mit ihren Werken Freude in die Stadt bringen

Von Petra Schafflik, Dachau

Mit einer dicken Nähnadel fädelt Heide Schmetzer einen roten Faden durch farbiges Strickwerk, fixiert es am Geländer der Karlsbergbrücke. Passanten beobachten interessiert, wie da am frühen Samstagnachmittag der grüne Metall-Handlauf Stück für Stück unter farbenfroher, flauschiger Wolle verschwindet. Das erste Straßen-Graffiti in Dachau entsteht. Realisiert haben das ungewöhnliche Vorhaben die "Straßenstricker", das sind einige strickfreudige Frauen, die sich in einem neuartigen Projekt des BRK Dachau zusammengefunden haben. "Wir wollten damit Freude in die Stadt bringen und den Menschen ein Lächeln ins Gesicht zaubern", sagt Initiatorin Julia Kießig. Die 35-Jährige entwickelt als Projektkoordinatorin Soziale Innovation beim Kreisverband des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) neue Ideen für die Seniorenarbeit der Zukunft. Erste, bereits öffentlich sichtbare Initiative ist das Strickkunstprojekt. Das gesamte Brückengeländer eingehüllt in bunte Strickquadrate, auf denen ein eingestricktes Kreuz als Symbol des BRK prangt: "Das wird sicher auffallen", sagte der stellvertretende BRK-Vorstand Hans Ramsteiner. Auch Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) war zur öffentlichen Installation des Kunstwerks gekommen und zeigte sich angetan. "Ich freue mich auf weitere Verhüllungen."

Gemeinsam stricken, dabei Kenntnisse auffrischen, sich gegenseitig Tipps geben und nebenbei gute Gespräche führen, mit diesem Ziel hat Julia Kießig das Projekt Straßenstrickerinnen angestoßen. Eine Idee, die auf Resonanz traf. Seit Anfang Oktober trafen sich gut eine Handvoll Frauen wöchentlich in der Kulturschranne, um gemeinsam die Nadeln klappern zu lassen. Einige kamen hin und wieder, einen "harten Kern" von vier Teilnehmerinnen hatte der Ehrgeiz richtig gepackt. Sie stehen jetzt mit kunterbunten Strickteilen an der Karlsbergbrücke, heften ihre Werke Stück für Stück ums Geländer. Eine der Strickerinnen ist Heide Schmelzer, die auch beim Verein Art Textil aktiv ist und die "sehr gerne strickt". Also machte sie mit, "weil es in der Gemeinschaft einfach noch schöner ist". Auch Brigitte Göttler schätzt neben der Handarbeit den Austausch und freut sich jetzt schon auf neue Projekte. Gemeinsam fertigten die Frauen in zwei Monaten "und mit viel Liebe", wie Julia Kießig betont, viele Dutzend kleiner Maschenquadrate, die nun locker reichen, um das 13 Meter lange Brückengeländer einzuhüllen. Auch Menschen aus der Ferne haben sich an den ungewöhnlichen Vorhaben beteiligt, erzählt Kießig. Sogar aus dem nordrheinwestfälischen Remagen sei ein riesiges Paket mit dicker, flauschiger Wolle eingetroffen. "Wir haben jetzt Material für die nächsten drei Jahre." Deshalb wird es bald ein neues Vorhaben geben. Der Oberbürgermeister musste da gleich an die ehemalige Koschade-Klinik denken, deren Fassade jahrelang wenig ansehnlich in der Altstadt prangte. Jetzt ist der Umbau des Gebäudes zu einer attraktiven Wohnanlage fortgeschritten, "aber die Verhüllung wäre damals ein guter Auftrag gewesen", sagte Hartmann mit einem Augenzwinkern. So ein Mammutprojekt werden sich die Straßenstrickerinnen nun vermutlich nicht vornehmen. Vielmehr gilt es für die Teilnehmerinnen zu entscheiden, ob sie etwa ganz praktisch Socken stricken wollen, vielleicht für die Ukraine, wo das BRK immer wieder mit Hilfslieferungen unterstützt. Oder ob sie wieder eine neue, innovative Idee entwickeln und die Stadt damit überraschen.

© SZ vom 28.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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