Seitenwechsel in Karlsfeld:Abschied per E-Mail

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Der Karlsfelder Gemeinderat Holger Linde kehrt nach 30 Jahren Parteizugehörigkeit der CSU den Rücken. (Foto: Lukas Barth)

Gemeinderat Holger Linde wechselt von der CSU zum Bündnis für Karlsfeld - trotz inhaltlicher Differenzen

Von Christiane Bracht, Karlsfeld

Manch einer mag sich überrascht die Augen reiben: Holger Linde hat die Seiten gewechselt. Fast 30 Jahre lang war er in der CSU, mehr als 25 davon im Karlsfelder Gemeinderat, jetzt kehrt er seiner Partei den Rücken. Ein Abschied per E-Mail. In der Nacht, in der er auf der Liste des Bündnisses für Karlsfeld zum Gemeinderatskandidaten gekürt wurde, habe er seinen früheren Parteifreunden den Austritt aus der CSU mitgeteilt, sagt Linde. "Ein Fußballer kann ja ab und zu mal in einer anderen Mannschaft spielen", erklärt der 68-Jährige der Süddeutschen Zeitung grinsend. "Wenn die Leistungen anerkannt werden, kann man den Transfer ja machen."

Die CSU zeigt sich wenig überrascht: "Dieser Schritt hat sich in den vergangenen zwei Jahren abgezeichnet", sagt Fraktionschef Bernd Wanka. Linde habe besonders in letzter Zeit "engen Kontakt zum Bündnis" gepflegt. Wanka habe jedoch nicht damit gerechnet, dass das Bündnis "ihn nimmt". Schließlich gab es in der Vergangenheit im Gemeinderat oft intensive Auseinandersetzungen zwischen Mechthild Hofner (Bündnis) und Holger Linde. Manch einer sprach schon von "Lieblingsfeinden", andere sagen, sie hätten sich "aneinander abgearbeitet". Doch die Differenzen scheinen beigelegt zu sein. In allen Punkten ist Linde aber keineswegs auf der Linie des Bündnisses. Beim Thema Ludl hat er zwar öfter mit Birgit Piroué, Adrian Heim, Mechthild Hofner, Peter Neumann und Bernd Rath gestimmt, vor allem als es um die Positionierung der Sozialwohnungen ging, die nun mit Blick auf das Heizkraftwerk errichtet werden sollen. Doch beim neuen Gewerbegebiet an der Schleißheimer Straße gehen die Meinungen weit auseinander: Die Bündnis-Mitglieder lehnen es strikt ab. Linde dagegen ist ganz auf CSU-Linie. Immer die Finanzen im Blick sagt er voller Überzeugung: "Wir brauchen Gewerbe." Beschwichtigend fügt er jetzt jedoch hinzu: "Momentan haben wir zwei Alternativen: auf dem Erlbau-Areal westlich der Bahn und auf dem Ludl-Gelände. Das Gewerbegebiet an der Schleißheimer Straße steht ja erst an dritter Stelle." Im Übrigen sei es ja nun um einiges reduziert, so Linde.

Bürgermeisterkandidatin Birgit Piroué zeigt sich froh über den Wechsel: "Wenn Holger Linde etwas sagt, ist es immer sehr sachlich", sagt sie anerkennend. Beim Bündnis gebe es keinen Fraktionszwang. "Wir schimpfen niemanden, wenn er anders abstimmt. Die Meinungen der Bürger sind eben verschieden." Man treffe sich und diskutiere, müsse aber nicht mit dem Fluss schwimmen.

Am Fraktionszwang sei die Zusammenarbeit nicht gescheitert, da ist sich Bernd Wanka sicher. Nur in seltenen Ausnahmefällen habe er unter den Gemeinderäten Disziplin eingefordert, sagt er. Das Problem sei eher, dass man keine Kommunikationsebene mehr gefunden habe. Linde habe sich mehr und mehr zurückgezogen und bei den Sitzungen die Fraktion mit seiner Meinung überrascht. "Es ist wie bei einer langjährigen Ehe. Man hat sich einfach auseinander gelebt. Das muss man akzeptieren", sagt Wanka. Zuletzt sei das Verhältnis vor allem von gegenseitigem Misstrauen geprägt gewesen.

Zum offenen Bruch kam es offenbar, als die CSU ihre Kandidatenliste für den künftigen Gemeinderat diskutierte. Holger Linde sollte offenbar Platz 16 bekommen. Das gefiel diesem gar nicht. Viel zu weit hinten, fand er. Die atmosphärischen Störungen zwischen Wanka und Linde fanden hier offenbar ihren Höhepunkt. Hinzu kam anscheinend die Unzufriedenheit mit Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU), der Lindes Ansicht nach viel zu lange untätig blieb. Nach 25 Jahren und acht Monaten stehe ihm eine Ehrung für langjährige Gemeinderatstätigkeit zu, erklärt Linde. Das sei in einer Satzung festgeschrieben. Er habe Kolbe darauf hingewiesen - schon vor einigen Monaten, doch dieser reagierte offenbar nicht. Linde nimmt Kolbe dies besonders übel, weil er den früheren Rathausbeamten vor zwölf Jahren entdeckt und ihm den Weg auf den Chefsessel geebnet hatte, indem er die Kandidatur ins Spiel brachte und unterstützte. "Es ist schon komisch, wenn er sich nicht an alte Freunde erinnern kann", sagt Linde enttäuscht. Kolbe will dazu lieber nichts sagen.

Zunächst überlegte Linde, ganz aufzuhören. Doch nach Gesprächen mit dem Bündnis entschied er, dass er sich "gerne weiterhin für die Bürger einsetzen" wolle. Das Bündnis bot ihm die Gelegenheit dazu. Jetzt kandidiert Linde als Parteifreier auf Platz sieben.

© SZ vom 23.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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