Schwabhausener Impressionen:Melancholische Momente

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Für die vierte Ausstellung der Reihe "Temporääär" im Künstlerhof Werkstetten hat die Veranstalterin Anne Hein Kunstwerke von Bleistiftzeichnungen bis zur Skulptur versammelt - und alle rufen im Betrachter ein Gefühl von Vergänglichkeit hervor

Von Vincent Numberger, Schwabhausen

Ganz wie im Flyer angekündigt: "Langweilige Reden" hat es dann auf der Vernissage im Künstlerhof Werkstetten nicht gegeben. Stattdessen Live-Musik, kleine Häppchen und eine hervorragende Himbeer-Lavendel-Bowle - und natürlich jede Menge Kunst. Die Veranstalterin und Glaskünstlerin Anne Hein spricht nur kurz, stellt die Künstler vor und ermutigt die Besucher, bei Fragen einfach auf diese zuzugehen und sie in ein Gespräch zu verwickeln. Denn genau darum gehe es bei Ausstellungen, betont Anne Hein. Insgesamt sind es 16 Künstler, die bei der vierten "Temporääär" im Künstlerhof ihre Werke ausstellen: von der Bleistiftzeichnung bis zur Skulptur.

Die unüberbrückbare Distanz zwischen Menschen oder der festgefrorene Moment vor ihrer Begegnung - was immer diese Figuren ausdrücken, ein Foto für Zuhause muss sein. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Anne Hein möchte mit der Werkschau den Menschen die Kunst nahe bringen "als etwas, das Emotionen auslöst und den Alltag bereichert - jenseits jeder Ikea- oder Baumarktabteilung". Der Ort der Veranstaltung, der Künstlerhof Werkstetten, ist gleichzeitig Heins Arbeitsplatz. Neben der Bildhauerin Angela Lenk, der Gold- und Silberschmiedin Ursula Leitner und der Malerin Claudia Höchtl, die alle drei ebenfalls mit Werken in der Ausstellung vertreten sind, hat die Glasmeisterin ihr Atelier in der ehemaligen Schreinerei in Stetten.

Die aufgelassenen Werkstätten des Künstlerhofs eignen sich besonders gut für die Präsentation von Kunstwerken. (Foto: Niels P. Jørgensen)

"Ausstellungen machen etwas erfahrbar", sagt Anne Hein. So ist es aber nicht nur die Kunst, die etwas erfahrbar macht, Emotionen auslöst, sondern eben auch ihr Umfeld, jener einstige Ort der Arbeit, der Assoziationen und Erinnerungen bei den Besuchern hervorruft. Es sind romantische Erinnerungen an die Kindheit - an die Schreinerei von Pumuckl und seinem Meister Eder, an die Großeltern, die früher von ihrem kleinen Gewerbe erzählt haben - aber auch kritische Gedanken zur kapitalistischen Konsumwelt, in der es nur um Quantität in möglichst kurzer Zeit geht und kleine Betriebe wie Schreinereien vielleicht irgendwann gar keinen Platz mehr haben. Jenseits jeder Nostalgie gibt einem der Besuch solcher Orte wie des Künstlerhofs solche Gedanken - das macht eben auch die Atmosphäre aufgelassener Arbeitsstätten aus.

Anne Hein hat eine berührende Ausstellung konzipiert. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Obwohl es kein übergreifendes Thema gibt - wie die Veranstalterin selbst betont -, eint doch alle Kunstwerke eine gewisse Melancholie. Was in Falk Benitz Plastiken, die auf ein Sonett des italienischen Liebesdichters Petrarca referieren, besonders deutlich wird, gilt ebenso für die übrigen Kunstwerke. Alle wollen Emotionen, Momente, Erinnerungen einfangen (wenngleich sich freilich fast jede Kunst darum bemüht). So entsteht sowohl visuell - beispielsweise bei den Fotografien von Max Ott - als auch emotional eine Weite, die sich nicht zuletzt auch in Heins eigener Installation wiederfindet. Sie selbst sei froh, wenn eine solche Ordnung spürbar werde, so die Veranstalterin. So wähle sie doch die Künstler aus, stelle die Arbeiten zusammen und platziere sie anschließend in den Ausstellungsräumen. Die weiteren gezeigten Werke reichen von feinen Bleistiftzeichnungen über großflächige Malerei und abstrakte sowie figurale Plastiken und Skulpturen aus verschiedenen Materialien bis hin zu Grafiken und Lichtobjekten.

Nun mag es so manchem Zeitgenossen an einem Samstag- oder Sonntagnachmittag, etwa nach einem schönen Essen, schwerfallen, nicht im Wohnzimmer die Füße hochzulegen, sondern das Haus zu verlassen. Fast schon eine Revolte im jedes Leben ergreifenden Konsumdiktat. Ein Spaziergang durch die Ausstellung "Temporääär 4.0", die auch kommendes Wochenende, 12. und 13. Oktober, geöffnet ist, lohnt aber auf jeden Fall.

Man kann sich noch so viel über Kunst anlesen - die authentische Auseinandersetzung, die Kunstwerke verdient haben, entsteht erst durch die eigene, direkte Wahrnehmung vor Ort. Oder wie Anne Hein sagt: "Die Couch ist auch morgen noch da."

Die Ausstellung ist Samstag und Sonntag (12. und 13. Oktober) von 14 bis 20 Uhr geöffnet. Die Finissage ist am Dienstag, 15. Oktober, von 19 bis 21 Uhr.

© SZ vom 08.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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