Schwabhausen:Zurück zu den Wurzeln

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Michael Well an der Tuba will mit seinen Brüdern Stopherl und Karl vor allem eines: sehr viel musizieren. (Foto: Toni Heigl)

Die Wellbrüder und ihr Heimspiel auf der Kleinkunstbühne der Post

Von Renate Zauscher, Schwabhausen

Wenn die Well-Brüder im Landkreis Dachau auftreten, haben die Konzerte den Charakter eines Heimspiels. Denn die Familie ist doch eng mit der Region über den ehemaligen Rektor und Lehrer Hermann Well und über die Weilachmühle eng verbunden, die Berti Well Jahrzehnte lang führte. Dass sie jetzt auf der Kleinkunstbühne des Gasthofs Post aufgetreten sind, mag, vom Zeitpunkt her gesehen, ein Zufall sein. Trotzdem ist das Gastspiel ein lautstarkes Signal für Wirt Heinrich Kellerer gegen all die Unkenrufe, dass die Post ihre Bühne schließen könnte.

Mehr als drei Jahrzehnte lang waren die Well-Brüder Hans, Michael und Christoph vulgo Stofferl als Biermösl Blosn auf allen Kleinkunstbühnen dieser Republik und weit darüber hinaus unterwegs: Sie waren zum Inbegriff satirisch-musikalischer Spottlust geworden, die gegen alles gerichtet war, was nur irgendwie mit Bayerntümelei, Kleingeisterei oder der CSU zu tun hatte. Viele haben das Ende bedauert, aber es war anscheinend auch ein Neubeginn. Michael und Stofferl nahmen nach einem "familieninternen Casting", wie sie es nennen, den Bruder Karli mit ins Boot, und Hans ist seitdem mit seinen Kindern, den Wellbappn Sarah, Tabea und Jonas unterwegs.

Wie gut der Neustart allen Beteiligten getan hat, davon konnte man sich im September beim Auftritt von Hans Well und den Wellbappn im Bürgerhaus Karlsfeld überzeugen - und jetzt in der Schwabhausener Post-Wirtschaft bei einem Abend mit den Wellbrüdern aus dem Biermoos. Im Vergleich der beiden Well-Formationen wird deutlich, wie unterschiedlich sie sich in den Jahren seit 2012 entwickelt haben: Hans ist immer noch der spottlustige, politik-kritische Texter aus früheren Zeiten, der sich jetzt aber auch verstärkt auf die Themen einlässt, die seine mittlerweile erwachsenen Kinder bewegen.

Michael, Stofferl und Karl dagegen haben sich ihre Wurzeln in der alpenländischen Volksmusik und der Tradition des Gstanzlsingens und Derbleckens nicht nur bewahrt, sondern beziehen aus ihnen noch spürbarer als früher ihre mitreißende Lust am Musizieren und am Gaudimachen. Was die Wellbrüder aus dem Biermoos an sozialkritischer Schärfe dabei aufgegeben haben, machen sie wett durch neuen Schwung und enorme Virtuosität des Musizierens.

Nach wie vor übernehmen dabei Stofferl an der Trompete und Michael an der Tuba eine besondere Rolle; daneben aber kommen, wie bei allen Wells so üblich, noch zahlreiche andere Instrumente von der Harfe bis zu Drehleier und Dudelsack zum Einsatz. Musikalische Inspirationen beziehen die Brüder dabei auch aus der Urheimat aller bayerischen Wells, aus Schottland, und Michael steht als "Highland-Tänzer" dabei dem Schuhplattler Stofferl oder dem köstlichen "Bauchtänzer" Karli in nichts nach. Letzterer fügt sich an Bass, Gitarre oder mit dem Akkordeon, vor allem aber mit einer schönen, kräftigen Stimme, bestens in das Brüder-Ensemble ein.

Das Programm der Brüder ist in stetem Wandel begriffen. Manches kennt man, vieles ist neu, und der ein oder andere Seitenhieb auf Politik und Gesellschaft ist durchaus auch aktuellen Themen geschuldet. Da kommen in den Gstanzln nicht nur Söder und Seehofer vor, sondern auch Dachauer Politikvertreter wie Bernhard Seidenath, der die Flüchtlinge bekanntlich nicht an der Tafel mitessen lassen wollte.

Jubelnden Beifall gab es in der seit langem ausverkauften Post für solche und andere Kommentare zum Tagesgeschehen, vor allem aber auch für deren musikalische Verpackung. Immer wieder brandete begeisterter Applaus auf, und das Publikum ließ es sich nicht nehmen, dort, wo gewünscht, mitzusingen, zu klatschen und zu jodeln. Ein wunderbares Publikum seien die Schwabhausener, bestätigt Stofferl nach dem Auftritt mit den Brüdern: sehr offen und sehr schnell in seinen Reaktionen: "Ein Publikum, wie es jeder Bühnenmensch braucht, um das Beste aus sich herauszuholen."

© SZ vom 16.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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